Förderprogramm mit Pferdefuß

Etliche Klein- und Kleinstunternehmer könnten in den nächsten Wochen unangenehme Post von der Bank bekommen. Die Anträge von Empfängern der Coronasoforthilfe aus dem Jahr 2020 werden derzeit nachgeprüft. Manche Unternehmer sehen sich dadurch getäuscht.

Die Coronasoforthilfe von 2020 könnte als finanzieller Bumerang nun manchen Kleinunternehmer böse überraschen. Foto: Adobe Stock/nmann77

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Die Coronasoforthilfe von 2020 könnte als finanzieller Bumerang nun manchen Kleinunternehmer böse überraschen. Foto: Adobe Stock/nmann77

Von Bernhard Romanowski

Backnang. Neujahrsoptimismus will bei vielen Kleinunternehmern und Soloselbstständigen zurzeit nicht aufkommen. Nicht nur dass Corona weiterhin die Schlagzeilen und ihre Arbeitsbedingungen bestimmt macht ihnen zu schaffen, sondern auch ein unangenehmes Echo aus dem Jahr 2020, das nun für Missklänge und ein mitunter banges Gefühl sorgt. Damals haben viele Unternehmer das Soforthilfeprogramm in Anspruch genommen, das vom Bund zur Abmilderung der Coronakrise aufgelegt worden war. Nun aber flattern manchem Unternehmen Nachforderungen ins Haus: Nicht selten muss Geld zurückgezahlt werden, wenn die Banker die Anträge aktuell auf Herz und Nieren nachprüfen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Coronahilfe im Einzelfall tatsächlich gegeben waren.

Seit Mitte Oktober bittet die L‑Bank alle Empfänger der Soforthilfe um Angabe von zusätzlichen Daten. Mit einiger Überraschung hat auch Lothar Buchfink zur Kenntnis genommen, dass nun für einige Unternehmer Rückzahlungen anstehen. Zur Unzeit, wie der Vorsitzende des BdS-Gewerbevereins Backnang meint. Schließlich sei die Coronapandemie längst nicht überwunden und beschere somit auch den Unternehmen aller Art weiterhin Beschwerlichkeiten.

„Wenn das Geld ausgezahlt wurde, muss man doch davon ausgehen, dass auch die Bewilligung korrekt war, ansonsten gehört das zu den vielen Dingen, die einen verwundern in der Coronapolitik“, so Buchfink. Der Autohändler äußert zudem eine Kritik, die nun vielerorts laut wird: Demnach gilt bei der Soforthilfe, die im März 2020 aufgelegt wurde, die Antragstellung als Beginn des Bewilligungszeitraums.

Im März, April und Mai des vorvorigen Jahres ging es vielen insbesondere kleineren Betrieben schlecht. Der sogenannte Liquiditätsengpass als Voraussetzung für die Hilfe des Staates war also gegeben. Dennoch stellten nicht alle Unternehmer gleich einen Antrag auf Soforthilfe, sondern warteten erst einmal ab, wie sich die Lage weiter entwickelt. Zum Sommer 2020 konnten viele Betriebe schon wieder Umsätze verzeichnen, waren phasenweise wieder liquide, aber das Defizit aus den Monaten davor blieb freilich. „Der Staat misst bei den Nachprüfungen aber nicht die Gesamtsituation, sondern nur einen gewissen Zeitraum. Das ist nicht gut“, so Buchfink. Den Unmut insbesondere kleinerer und ganz kleiner Unternehmen kann Markus Beier grundsätzlich nachvollziehen. Viele von ihnen seien im Herbst 2020 noch einmal in die Krise geraten, vielfach sogar in existenzbedrohender Weise. Das damalige Vorgehen von Politik und Verwaltung hält Beier als Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rems-Murr (IHK) aber weiter für richtig.

„Die Soforthilfe damals erfolgte ungewöhnlich schnell und ungewöhnlich unbürokratisch. Das war richtig so, weil viele Firmen mit dem Rücken zur Wand standen“, so seine Bewertung. Somit war es aber eben auch nicht möglich gewesen, alle Eventualitäten zu bedenken, da es keine Vorlaufzeit für die Hilfsmaßnahme gab. Doch hätten offenbar seinerzeit viele Antragsteller den Eindruck gehabt, dass es sich um einen Liquiditätszuschuss des Staates handelte, der nicht zurückgezahlt werden müsse. Für die Bearbeitung der Soforthilfeanträge in Baden-Württemberg waren seinerzeit das Wirtschaftsministerium, die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern sowie die L-Bank zuständig.

Bei der IHK Region Stuttgart wurden vor allem die Anträge jener Unternehmer bearbeitet, die in freien Berufen tätig sind, die keiner Kammer angehören. „Bis zu 80 Mitarbeiter betreuten die damalige Corona-Hotline für die dringendsten Fragen der Unternehmer. Für die Plausibilisierungsarbeit der Anträge auf Soforthilfe waren rund 200 Kollegen im Einsatz. Die Bewilligungsstelle war aber die L-Bank“, betont Beier. Die IHK habe sich zudem erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Unternehmen etwas mehr Zeit für ihre Abrechnung haben. Anstatt bis zum 19. Dezember läuft die Einreichungsfrist nun bis Mitte dieses Monats. Allerdings nur, wenn die Unterlagen von sogenannten „prüfenden Dritten“, also von Rechtsanwälten oder Steuerberatern eingereicht werden. Derweil stehen den Unternehmern auch dieses Jahr Hilfen offen, wie Markus Beier anmerkt (siehe Infokasten).

Laut Martin Windmüller vom Stadtmarketingverein Backnang tönt aus den Reihen der Backnanger Einzelhändler noch kein Wehklagen über drohende Rückzahlungen der Soforthilfe. Die Vorsitzende Sigrid Göttlich hofft derweil, dass die Empfänger der damaligen Finanzspritze ihr Geld behalten dürfen. Michael Matzke von der Dehoga Rems-Murr hält es allerdings für ein bisschen naiv, zu glauben, dass es sich bei der Soforthilfe 2020 um einen reinen Zuschuss gehandelt habe.

„Die Soforthilfe damals erfolgte ungewöhnlich schnell und ungewöhnlich unbürokratisch.“ Markus Beier (IHK Rems-Murr),
zur Unterstützung der Unternehmer 2020
Aktuelle Förderprogramme für Unternehmen in der Coronakrise

Überbrückung Für Unternehmen wird das Instrument der Überbrückungshilfe III Plus als Überbrückungshilfe IV für die Monate Januar bis Ende März 2022 fortgeführt, wie das Bundeswirtschaftsministerium im November mitteilte.

Direktzuschuss Ebenso wird die Neustarthilfe Plus für Selbstständige für die Monate Januar bis Ende März 2022 fortgeführt. Soloselbstständige können hier weiterhin pro Monat bis zu 1500 Euro an direkten Zuschüssen erhalten, insgesamt also bis zu 4500 Euro.

Vorbereitungskosten Mit der neuen Überbrückungshilfe IV wird der Zugang zum Eigenkapitalzuschuss für Aussteller auf Weihnachtsmärkten erleichtert: Künftig müssen sie nur für einen Monat einen relevanten Umsatzrückgang nachweisen (statt wie bislang mindestens drei Monate). Zudem sollen Vorbereitungskosten berücksichtigt werden können.

Fixkostenerstattung Unternehmen müssen weiterhin einen Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat 2019 nachweisen. Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofs erhalten Unternehmen in der Überbrückungshilfe IV bei Umsatzausfällen ab 70 Prozent bis zu 90 Prozent der Fixkosten erstattet. Bisher waren es 100 Prozent. In der Überbrückungshilfe III Plus bleibt es bei einer Erstattung von 100 Prozent für diese Unternehmen.

Übersicht Die Zusammenstellung der aktuellen Soforthilfen findet man online unter https://www.stuttgart.ihk24.de/coronavirus-informationen-unternehmen/finanzielle-soforthilfen-von-bund-und-land-4741000.

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Erstellt:
5. Januar 2022, 06:00 Uhr

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