Geimpfte überrennen Apotheken für Impfzertifikate

Seit vergangener Woche sind nur noch Dokumente als Impfnachweis gültig, die den offiziellen QR-Code des Robert-Koch-Instituts tragen. Die altbekannten gelben Impfheftchen reichen nicht mehr aus, um eine 2-G-Veranstaltung zu besuchen. Die Apotheken müssen daher derzeit massenweise Zertifikate ausstellen.

Ines Charlotte Schweizer, Filialleiterin der Raphael-Apotheke in Backnang, stellt ein Impfzertifikat aus. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Ines Charlotte Schweizer, Filialleiterin der Raphael-Apotheke in Backnang, stellt ein Impfzertifikat aus. Foto: A. Becher

Von Anja La Roche

Backnang. „...fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Der bekannte Hinweis aus dem Fernsehen trifft mittlerweile auch zu, wenn man einen digitalen Nachweis für seine Coronaimpfung benötigt. Und da der gelbe Impfausweis in Baden-Württemberg seit dem 1. Dezember nicht mehr als 2-G-Nachweis ausreicht, drängen die Geimpften nun in die Apotheken, um ein gültiges Impfzertifikat zu erhalten. Die Apotheker und Apothekerinnen prüfen die gelben Impfheftchen auf ihre Echtheit und stellen die Impfzertifikate mit EU-weit gültigem QR-Code aus. Dadurch sollen gefälschte Impfpässe ausgesiebt werden und die Fälscher gerichtlich geahndet werden können. Mit der Prüfung der Impfheftchen und Ausstellung der Impfzertifikate müssen die Apotheker eine weitere pandemische Aufgabe stemmen – zusätzlich zum normalen Betrieb. In Backnang herrscht wie auch andernorts großer Andrang auf die Apotheken. Obendrein ist die Software zur Ausstellung der QR-Codes immer wieder überlastet – ein zusätzlicher Stressfaktor für alle Beteiligten.

In der Raphael-Apotheke in Backnang stehen die Leute teilweise Schlange, um an ein Impfzertifikat zu gelangen, insbesondere wenn das System hängt. Dann reagieren einige sogar unverschämt gegenüber den Apothekern, so die Filialleiterin Ines Charlotte Schweizer. Die Stimmung sei gereizt. Schweizer berichtet ein Beispiel: Am Montag kam eine Frau vorbei, die im Bettenhaus „Windmüller“ einkaufen wollte. Dort wurde ihr aufgrund der neuen Regeln der Zutritt mit gelbem Impfpass verwehrt. In der Apotheke funktionierte die Ausstellung des digitalen Impfpasses nicht, da das System überlastet war – wofür die Apotheke nichts kann. „Also wenn Sie zu blöd sind, das zu machen“, beschimpfte die Frau daraufhin die Apothekerin. Ines Schweizer ärgert sich: „Manche Leute verhalten sich wie kleine Kinder.“

Auch weitere Apothekerinnen bestätigen den großen Andrang. „Es ist extrem viel“, so Jasmin Marti, Angestellte in der Apotheke im Gesundheitszentrum Backnang. „Wir haben keine separate Schlangen für normale Kunden und diejenigen, die einen digitalen Impfnachweis brauchen“, so Marti. Als Kunde müsse man daher mit vier Minuten Wartezeit rechnen, manchmal gehe es aber auch schneller.

Sophia Mouratidis arbeitet in der Easy-Apotheke in Backnang. „Es ist eine Katastrophe“, bestätigt sie den Andrang. „Gefühlt stellen wir gerade nur Impfzertifikate aus. Wenn das Portal überlastet ist, müssen wir die Leute wieder wegschicken.“ Der überwiegende Teil seien ältere Menschen, die eine Immunkarte wollen. Die Immunkarte ist eine Alternative zum Impfnachweis auf dem Smartphone (siehe Infokasten).

Zu dem großen Andrang führte auch die kurzfristige Umsetzung der neuen Regelung durch die Landesregierung: Am 25. November gab das Landesgesundheitsministerium bekannt, dass der gelbe Impfpass als Nachweis nicht mehr ausreicht, und schon sechs Tage später trat die neue Regel in Kraft. Der große Bedarf nach Zertifikaten war daher zu erwarten, verstärkt durch die Boosterimpfungen, welche derzeit großflächig umgesetzt werden. Eine weitere Schwierigkeit neben dem Andrang stellt das sachgemäße Überprüfen der Impfpässe auf ihre Echtheit für die Apotheker dar. „Die Leute werden immer origineller“, so Ines Schweizer. „Wenn wir kritisch sind, schicken wir sie weg.“ Auch ausländische Impfpässe könne sie nicht prüfen, weil sie dazu nicht genug Zeit habe, erzählt Schweizer. „Es kommen viele mit türkischen Impfnachweisen.“

Immunkarte

Was ist das Es handelt sich um eine Scheckkarte, die mit dem QR-Code bedruckt ist, welcher die Coronaimpfung nachweist. Sie ist genauso gültig wie die Impfzertifikate. Wenn der Akku des Smartphones leer ist oder man kein Smartphone hat, bietet die Immunkarte eine analoge Alternative, seine Impfung nachzuweisen, und eine robustere Alternative zu den Papierzertifikaten.

Kosten Die Kosten von 9,90 Euro müssen selbst getragen werden, da es sich um ein nicht steuerlich finanziertes Zusatzangebot von der Firma „Apo Pharma Immun“ handelt. Das Impfzertifikat bleibt kostenlos.

Wo und wie erhältlich Die Karte ist bei teilnehmenden Apotheken oder im Online-Shop unter www.immunkarte.de erhältlich. In Backnang stellen bereits vier Apotheken die Immunkarten aus, darunter beispielsweise die Johannes-Apotheke. Auch in Weissach im Tal, Kirchberg an der Murr, Murrhardt und Althütte gibt es bereits kooperierende Apotheken. Vorher sollte man allerdings in der jeweiligen Filiale anrufen. Um eine Immunkarte zu erhalten, benötigt man das digitale Impfzertifikat und seinen Personalausweis.

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Erstellt:
8. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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