Hoffen auf Registrierung im Vorbeigehen

Die Luca-App verspricht Gästen, Gastgebern und dem Gesundheitsamt einen schnelleren, einfacheren Austausch von Kontaktdaten. Hiesige Veranstalter wollen erreichen, dass sich möglichst viele Bürger und Betreiber beteiligen.

An der Tür des Kabirinett in Großhöchberg hängt bereits ein QR-Code für die Luca-App. Betreiber Thomas Weber will so die Zettelwirtschaft bei der Kontakterfassung beenden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

An der Tür des Kabirinett in Großhöchberg hängt bereits ein QR-Code für die Luca-App. Betreiber Thomas Weber will so die Zettelwirtschaft bei der Kontakterfassung beenden. Foto: A. Becher

Von Nicola Scharpf

BACKNANG/SPIEGELBERG. Die Funktionsweise der Luca-App, an deren Entwicklung Smudo von den Fantastischen Vier maßgeblich beteiligt ist, klingt verlockend: Einfach beim Restaurantbesuch mit dem Smartphone den QR-Code des Lokals scannen und schon ist man registriert; oder an der Kinokasse im Vorbeigehen den QR-Code auf dem eigenen Handy vom Betreiber erfassen lassen und schon sind die Kontaktdaten auf digitalem Wege ausgetauscht. Die Luca-App will einen unkomplizierten, direkten und sicheren Kontaktdatenaustausch zwischen Bürgern, Einrichtungsbetreibern beziehungsweise Veranstaltern und Gesundheitsämtern ermöglichen. Die Nutzer tragen ihre Kontaktdaten in die App ein, die daraufhin wechselnde QR-Codes erzeugt. Diese werden entweder vom Veranstalter gescannt oder die App-Nutzer scannen ihrerseits beim Besuch einer Veranstaltung einen QR-Code. Tritt ein Infektionsfall ein, werden alle Gäste dieser Veranstaltung informiert, die sich zur betreffenden Uhrzeit dort aufgehalten haben. Parallel wird das Gesundheitsamt informiert, das dann automatisch Zugriff auf die Daten der übrigen Gäste hat.

Angesichts des immensen Zeit- und Personalaufwands, den die Erfassung der Kontaktdaten in Papierform mit sich brachte und bringt, erstaunt es nicht, dass hiesige Veranstalter sich sehr dafür aussprechen, auf dass sich die Luca-App im Rems-Murr-Kreis bald etablieren möge. Einer, der für ihren Einsatz trommelt, ist Thomas Weber. Der Betreiber des Kabirinetts in Großhöchberg, der auf dem Gelände bei der Probierbühne im vergangenen Jahr auch einen Biergarten eröffnet hat, erinnert an die „unglaubliche Zettelwirtschaft“, die die Dokumentationspflicht in der zurückliegenden Biergartensaison verursachte. „Die Luca-App soll eine Vereinfachung für uns alle sein. Ich finde, es ist ein überzeugendes Konzept.“ Weber spricht nicht nur aus der Sicht eines Veranstalters und Bürgers, sondern auch aus der eines temporären Mitarbeiters im Landratsamt. Er hat sich der Behörde als Hilfe bei der Nachverfolgung von Kontakten zur Verfügung gestellt und ist dafür an drei Tagen pro Woche in Weinstadt im Einsatz.

Thomas Weber will möglichst viele Mitstreiter gewinnen.

„Alle sind froh, dass es etwas gibt, was die Gesundheitsämter entlastet“, sagt er mit Blick auf den Aufwand der Kontaktnachverfolgung. Weber, der die Luca-App auf seinem Handy bereits installiert hat, sieht sie als Vereinfachung und Unterstützung in allen Bereichen, wo Kontaktdaten hinterlassen werden müssen: Gastronomie, körpernahe Dienstleistungen, kommunale Verwaltung, Einzelhandel, Kinos, Veranstalter, Kirchen, Bestattungen, Vereine. „Es tut sich was. Man könnte es zu einer erfolgreichen Entwicklung bringen.“ Weber charakterisiert sich als einen Menschen, der macht. Daher ist er in Kontakt mit dem Gesundheitsamt, mit den Entwicklern der App, mit anderen Veranstalterkollegen. Es bedürfe weniger Überzeugungsarbeit als vielmehr Aufklärung und Information. „Wenn an jeder Ladentür so ein QR-Code hängt, sind wir einen Schritt weiter“, benennt er das Ziel. Mit einer Kampagne plant er, möglichst viele Bürger und Betreiber zum Mitmachen zu bewegen.

„Da bin ich sofort dabei“, signalisiert Charley Graf von der Gruschtelkammer seine Unterstützung für das Etablieren der Luca-App im Rems-Murr-Kreis. „Wenn irgendein Kulturschaffender sagen würde: So ein Quatsch, das interessiert mich nicht, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Wenn mit der Luca-App ein sicheres, schnelles und einfaches Mittel der Kontaktdatenerfassung gefunden wäre, „das wäre für alle fantastisch“.

Annegret Eppler vom Backnanger Kino Universum, ebenfalls erfahren in der Erfassung und Verwaltung von bergeweise Zetteln mit Kontaktdaten von Kinobesuchern, hält das System der Luca-App für deutlich benutzerfreundlicher und erhofft sich eine gewisse Einheitlichkeit des Kontaktdatenaustauschs. „Je mehr Betreiber sich beteiligen, desto einfacher wird es für die Kunden.“

Sigrid Göttlich, Vorsitzende des Backnanger Stadtmarketingvereins, in dem viele Einzelhändler Mitglied sind, hat mit Vereinsmitgliedern zwar noch keine intensiven Gespräche über die Luca-App geführt, aber sie beschäftigt sich mit dem Thema. Der App, die sie als durchdachte Entwicklung einstuft, schaue sie positiv und freudvoll entgegen. „Das ist ein Segen.“ Göttlich ist glücklich, dass daran gearbeitet wird, die Voraussetzungen für die Nutzung der App zu schaffen. Weniger glücklich ist sie ob der Länge der bürokratischen Prozesse zwischen Bund, Land und Landkreis, an denen es momentan hänge.

Das Gesundheitsamt steht in den Startlöchern.

Derzeit testen mehrere Pilotlandkreise die App. Selbst wenn jeder Einzelhändler in Backnang bereits heute einen QRCode an seinem Laden hätte, das System würde noch nicht funktionieren, weil die Schnittstelle zum Gesundheitsamt noch nicht existiert. Der Rems-Murr-Kreis steht aber in den Startlöchern, informiert das Landratsamt: Das Ministerium für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg prüfe kurzfristig, ob ein Rahmenvertrag für die Gesundheitsämter zur flächenhaften Nutzung der Luca-App in Baden-Württemberg abgeschlossen werden könne. Das Gesundheitsamt des Rems-Murr-Kreises halte die App für eine gute Sache und stehe bereit, wenn die Luca-App landesweit ausgerollt werden sollte. Der Landesbeauftragte für Datenschutz habe der App bereits Mitte Februar bescheinigt, einen hohen Datenschutzstandard zu erfüllen, und damit grünes Licht gegeben.

Unumstritten ist die Luca-App allerdings nicht. Kritiker sehen die Gefahr, dass persönliche Daten nicht ausreichend geschützt werden, dass es Probleme im Zusammenhang mit der Verschlüsselung gibt und dass die Daten zentralisiert werden – sprich, dass die Gesundheitsämter darauf Zugriff bekommen. „Zweifel zu haben, ist absolut berechtigt“, findet Thomas Weber. Zweifel seien sogar wichtig, um die App weiterzuentwickeln. Am Einsatz der Meeting-Plattform Zoom habe es vor einem Jahr auch Zweifel gegeben. „Spricht da noch jemand darüber?“, fragt Weber. Er vertraue darauf, dass kritische Dinge aus der App beseitigt würden.

Kinobetreiberin Annegret Eppler verweist darauf, dass die Luca-App ein Angebot ist. Sie zu nutzen, das bleibe jedem selbst überlassen. „Diese Grundfrage liegt bei jedem Einzelnen.“ Es werde auch weiterhin andere Möglichkeiten geben, sich für Veranstaltungen oder Besuche zu registrieren. „Zettel auszufüllen, das gibt es nach wie vor.“

Zum Artikel

Erstellt:
23. März 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen