Hygiene ist jetzt Hauptfach

Nach neunwöchiger Pause hat gestern auch an den Grundschulen der Unterricht begonnen, zunächst aber nur für die Viertklässler.

Die Grundschulen, darunter die in Kirchberg an der Murr, haben gestern den Betrieb wieder aufgenommen. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Becher

Die Grundschulen, darunter die in Kirchberg an der Murr, haben gestern den Betrieb wieder aufgenommen. Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Am Anfang hat sich mancher Schüler noch über die unverhofften „Ferien“ gefreut, doch nach mehr als zwei Monaten zu Hause waren die meisten Viertklässler froh, als sie gestern wieder in die Schule durften. „Die Kinder haben sich sehr gefreut“, erzählt Alfred Stephan, Rektor an der Grundschule in Kirchberg an der Murr.

Zwei Wochen nach den weiterführenden Schulen haben nun auch die Grundschulen ihren Betrieb wieder aufgenommen, allerdings stark eingeschränkt. Zum Start durften nur die Viertklässler kommen. Und auch die hatten keinen Unterricht nach Stundenplan. „In der Regel finden etwa zehn Stunden Präsenzunterricht pro Woche statt“, erklärt Sabine Hagenmüller-Gehring, Leiterin des Staatlichen Schulamts in Backnang. Der Fokus liegt dabei auf den Hauptfächern Deutsch und Mathematik.

Selbst dieses reduzierte Programm zu organisieren, war nicht überall einfach. Denn viele Lehrer sind für den Präsenzunterricht momentan gar nicht einsetzbar, weil sie aufgrund ihres Alters, wegen einer Vorerkrankung oder Schwangerschaft zu einer Risikogruppe gehören. Insgesamt fallen laut Hagenmüller-Gehring im Rems-Murr-Kreis etwa 30 Prozent der Lehrkräfte an den Grundschulen aus, an einzelnen Schulen können es aber auch deutlich mehr sein. Zum Beispiel an der Grundschule Maubach. „Bei uns sind von zwölf Lehrkräften aktuell nur zwei einsatzfähig“, berichtet Schulleiterin Christine Röder. Damit der Unterricht gestern trotzdem starten konnte, hat das Schulamt eine Lehrerin von der Plaisirschule nach Maubach abgeordnet. Außerdem erklärte sich eine Halbtagskraft bereit, vorübergehend in Vollzeit zu arbeiten. „Das ist wirklich ein Puzzlespiel“, sagt die Schulamtsleiterin. Zumal es wegen Corona momentan auch untersagt ist, dass ein Lehrer an mehreren Schulen unterrichtet.

„So stelle ich mir Schule eigentlich nicht vor.“

Der Schulalltag wird nun auch an den Grundschulen von Hygiene- und Abstandsregeln bestimmt. „Bevor der Unterricht beginnt, müssen alle erst einmal ihre Hände waschen“, berichtet Alfred Stephan. An der Kirchberger Grundschule gilt auf den Fluren auch eine Maskenpflicht, nur am eigenen Platz dürfen die Kinder den Mundschutz abnehmen. Am ersten Tag hätten sich alle an die neuen Regeln gehalten, lobt der Rektor: „Die Schüler waren sehr diszipliniert.“ Ob das bei den jüngeren Schülern ebenso gut klappt wie bei den Viertklässlern, muss sich noch zeigen.

Um auch im Unterricht den nötigen Abstand einhalten zu können, sind die Klassen an den meisten Schulen geteilt worden. In Kirchberg kommt jetzt die Hälfte der Klasse von 8 bis 10 Uhr und die andere von 10.30 bis 12.30 Uhr. An der Backnanger Plaisirschule wurden die drei 4. Klassen in sechs Lerngruppen aufgeteilt, die morgens mit einem Abstand von einer Viertelstunde in die Schule kommen. Auch Begegnungen auf dem Schulhof sollen vermieden werden. „Die Pausen finden deshalb in der Regel im Klassenzimmer statt“, berichtet Schulleiterin Annedore Bauer-Lachenmaier. Nach Unterrichtsende müssen die Kinder dann sofort nach Hause gehen.

Die Erfahrungen des ersten Tages bezeichnet die Rektorin als „positiv, aber befremdlich“. Wenn sie ihre Schüler in Kleingruppen und mit Sicherheitsabstand im Schulhaus sieht, blutet der Pädagogin das Herz: „So stelle ich mir Schule eigentlich nicht vor.“

An der kleinen Grundschule in Althütte-Sechselberg ist die Umsetzung der Abstandsregeln laut Schulleiter Andreas Mücke kein Problem: „Wir haben nur 13 Viertklässler und ein großes Schulgelände.“ Normalerweise werden die Klassen 1 und 2 sowie die Klassen 3 und 4 in Sechselberg gemeinsam unterrichtet, dieser jahrgangsübergreifende Unterricht fällt jetzt erst einmal weg.

Sabine Hagenmüller-Gehring zeigte sich gestern erleichtert darüber, dass der Neustart an den Grundschulen geglückt ist, doch die nächste Herausforderung wartet schon: Denn nach den Pfingstferien sollen Mitte Juni auch alle anderen Kinder wieder in die Schulen zurückkehren, wenn auch nur zeitweise. An den Grundschulen ist angedacht, dass die Klassen 1 und 3 sowie 2 und 4 in wöchentlichem Wechsel an den Schulen unterrichtet werden. Wobei die Schulleiter auch andere Modelle umsetzen dürfen. So favorisiert etwa Andreas Mücke in Sechselberg ein „Schichtmodell“, bei dem alle Kinder täglich für ein paar Stunden in die Schule kommen.

Noch weiß keiner, was nach den Sommerferien passiert.

In jedem Fall werden nach Pfingsten wieder mehr Lehrkräfte vor Ort gebraucht, was an manchen Schulen schwierig werden dürfte. Sabine Hagenmüller-Gehring lobt die Solidarität unter den Schulen: Etliche, die personell gut aufgestellt seien, hätten sich schon bereit erklärt, Lehrer „auszuleihen“.

Was im nächsten Schuljahr passieren wird, steht noch in den Sternen. „Normalerweise planen wir um diese Zeit die Lehrerversorgung für das nächste Schuljahr, doch dazu können wir im Moment noch überhaupt nichts sagen“, erklärt Hagenmüller-Gehring. Dass im September wieder alles so sein wird wie vor dem 13. März, kann sich die Schulamtsleiterin aber nicht vorstellen. Deshalb bereitet sie die Eltern schon mal darauf vor, dass etwa Einschulungsfeiern, wie man sie bisher kannte, in diesem Jahr wohl nicht möglich sein werden.

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Erstellt:
19. Mai 2020, 06:00 Uhr

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