Jeder erlebt die Quarantäne anders

Von einer bis vier Wochen, von unspektakulär bis schrecklich: Die Zeit in der häuslichen Isolation wegen einer Coronaerkrankung oder einer vermuteten Infektion ist so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Vier Beispiele aus dem Raum Backnang.

Niklas Kalafatis, Oberliga-Fußballer bei der TSG Backnang, nutzte seine Fitnessgeräte, um in der vierwöchigen Quarantäne zumindest etwas Bewegung zu bekommen. Foto: T. Saitis

Niklas Kalafatis, Oberliga-Fußballer bei der TSG Backnang, nutzte seine Fitnessgeräte, um in der vierwöchigen Quarantäne zumindest etwas Bewegung zu bekommen. Foto: T. Saitis

Von Anja La Roche

Backnang. Inzwischen ist man als geimpfte Person nicht mehr von den Regeln der Absonderung betroffen, wenn man bloß Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Mit der Omikronvariante sind allerdings so viele Personen infiziert, dass Quarantäne dennoch alltäglich zu sein scheint. Im Rems-Murr-Kreis sind derzeit laut Statistik des Landratsamts rund 6000 Menschen in Quarantäne. Sie dürfen sich nicht frei bewegen, solange sie potenziell das Coronavirus an andere Menschen weitergeben können. In den eigenen vier Wänden gefangen zu sein, kann sehr schwer sein. Doch auch Vorteile können an dieser Zeit entdeckt werden: Das sonst schnelle und laute Leben wird für eine kurze Zeit ausgebremst.

Wie die Quarantäne erlebt wird, hängt dabei von vielen Faktoren ab, unter anderem der Wohnsituation, den Mitbewohnern, dem Beruf und dem Krankheitsverlauf. Vier Menschen aus der Region haben ihre eigene Isolation Revue passieren lassen.

Junge Familie Mit Kind und Partner in der häuslichen Quarantäne zu sein, das hat Nicole aus Rietenau erlebt (Nachname bleibt auf Wunsch unerwähnt). Ihr inzwischen sechsjähriger Sohn Ben war sogar schon dreimal in Quarantäne, da es im Kindergarten immer wieder zu Infektionen kam. Die Mutter konnte ihre beruflichen Termine glücklicherweise so legen, dass sie auf ihren Sohn aufpassen konnte. Und im Notfall wären die Schwiegereltern zur Stelle gewesen. „Ich stelle es mir schwierig vor, wenn das Kind nirgends hinkann“, gibt Nicole zu bedenken.

Dass die Einschränkungen für einen Sechsjährigen nicht einfach sind, der normalerweise viel Zeit draußen an der frischen Luft verbringt, ist zu erwarten. „Nach der dritten Quarantäne hatte er zuerst Angst vor dem Kindergarten“, erzählt Nicole. Er habe befürchtet, wieder in Quarantäne zu müssen. Schlimmer sei für ihren Sohn allerdings die Reaktion der anderen Kinder gewesen, so Nicole. Diese würden teilweise Kinder, die aus der Isolation zurückkommen, ausgrenzen oder als „Quarantänemonster“ beschimpfen.

Bei der zweiten Quarantäne ihres Sohns mussten auch Nicole und ihr Mann Alexander daheimbleiben: Alle drei hatten sich infiziert. Die Zeit in Isolation habe in der kleinen Familie gut funktioniert. „Wir hatten in unserer Vierzimmerwohnung genug Platz und immer etwas zu tun“, erzählt die junge Mutter. Besonders ihr Mann und ihr Sohn hätten viel Zeit gehabt, miteinander zu spielen. „Das war so schön anzuschauen“, schwärmt Nicole. Die Symptome zeigten sich bei ihr und ihrem Mann zeitversetzt, sodass immer jemand fit genug war, um die Familie zu versorgen.

Nicole ist dankbar dafür, dass es mit ihrem Mann und Sohn so gut harmonierte. „Ich glaube, da gibt es andere Familien, bei denen das keine gute Zeit ist, bei denen es Streit gibt“, sagt sie. Als Ratschlag sagt sie Folgendes: „Nutzt die Zeit, die man hat, sinnvoll. Zum Beispiel, indem man dem Kind etwas beim Kochen beibringt.“ Sie habe Ben beispielsweise das Gemüse schnippeln lassen, wozu im normalen Alltag die Zeit fehle. Nach zehn Tagen Quarantäne haben die drei zudem ihre Wohnung ausgemistet. Allerdings: Genauso wichtig sei es, sich gegenseitig Freiräume zu lassen. „Jeder braucht auch mal einen Moment für sich“, sagt Nicole.

Leistungssportler Bei Niklas Kalafatis, Fußballer beim Oberligisten TSG Backnang, sah die Quarantäne schon deswegen anders aus, weil das Virus seinen Körper stärker belastete. Fast zwei Wochen lang habe er hohes Fieber gehabt, insgesamt musste er ganze vier Wochen zu Hause bleiben. Ist man bettlägerig, geht es zunächst um eine möglichst schnelle Gesundung. Vier Kilogramm hat der Sportler verloren, inzwischen hat er sich aber gut erholt.

Der Quarantäne konnte er verständlicherweise nichts Gutes abgewinnen. „Es hat sich so lange rausgezögert, ich hatte die Schnauze voll“, sagt er. Zudem traf ihn die Krankheit in einer sportlichen Hochphase. Als er wieder fit genug war, konnte er sich immerhin im Garten bewegen und schließlich auch leichte Sportübungen in seiner Garage durchführen. Zudem konnte er neben seinem Zimmer auch das Wohnzimmer nutzen, denn sein mit ihm wohnender Bruder war unter der Woche berufsbedingt nicht daheim. Um sich zu beschäftigen, hat Niklas Kalafatis dann gemeinsam mit Freunden gezockt. „Und ich habe ausgemistet und die Wohnung aufgeräumt“, sagt er. Dazu sei normalerweise neben Beruf und Sport nur wenig Zeit.

Nach vier Wochen Quarantäne kann Kalafatis anderen Menschen den Rat geben: „Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben, sich irgendwie bei Laune halten. Und man sollte mit den Freunden und der Familie in Kontakt bleiben, das ist wichtig.“ Er findet zudem, dass die Quarantäne bestens geeignet ist, um Neues auszuprobieren, zum Beispiel beim Kochen. „Hätte ich was geschmeckt, hätte ich das auch gemacht.“

Bürgermeisterin Im Spätsommer 2020 musste sich Sabine Welte-Hauff für zwei Wochen isolieren. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Aspach war zwar nicht selbst infiziert, doch sie gelangte auf einem beruflichen Termin im Rathaus in Kontakt mit einer infizierten Person. „Die Quarantäne von mir gibt es jetzt gar nicht mehr“, sagt sie. Denn inzwischen müssen sich nur noch positiv getestete Personen isolieren. Welte-Hauff betont daher, dass eine Quarantäne mit Symptomen nicht vergleichbar mit ihrer sei. Wer an dem Coronavirus erkrankt ist, solle sich erst einmal „die Zeit nehmen, um gesund zu werden“.

Als gesunder Mensch habe sie sich in ihrer Quarantäne einerseits sehr glücklich geschätzt, denn in ihrem Haus stand ihr ein eigenes Bad, ein Büro sowie ein Garten mit Terrasse zur Verfügung. Andererseits nahm sie die soziale Isolation als durchaus schmerzlich wahr: „Wenn ich in die Küche wollte, mussten alle weg, das war schrecklich. Sonst sitzt die ganze Familie hier immer gemeinsam“, so Welte-Hauff. Der persönliche Austausch habe ihr besonders gefehlt in dieser Zeit. Ansonsten verlief ihre Quarantäne gut – den fast schon luxuriösen Umständen entsprechend, wie sie selbst sagt. Täglich habe sie Unterlagen zum Arbeiten bekommen, und viele Kollegen und Bekannte hätten bei ihr angerufen, um sich zu erkundigen oder ihr Pralinen oder Obst zugeschickt. „Das war ganz toll“, so Welte-Hauff. Positiv an der Quarantäne fand die Bürgermeisterin, dass sie endlich einmal Zeit hatte, um zu lesen. „Ich habe immer viele Dinge im Rückstau, die ich tun möchte“, erklärt sie. Dazu zählen auch längere Telefonate mit Freunden, für die sie sich in den zwei Wochen Isolation Zeit nehmen konnte. „Als ich dann endlich raus durfte, war das aber wie ein Befreiungsschlag“, so Welte-Hauff.

Singlehaushalt „Das Einzige, das erwähnenswert ist: Es gibt nichts Erwähnenswertes.“ So fasst Joachim Abele aus Großaspach seine Quarantäne zusammen. Erst kürzlich verbrachte er sie für eine Woche in seiner Wohnung. Die Isolation sei insbesondere deshalb unspektakulär gewesen, weil er sowieso 90 Prozent seiner Arbeitszeit im Homeoffice verbringt, und gearbeitet hat er auch während seiner Quarantäne, ob des milden Verlaufs.

Es sind wesentlich zwei Punkte, die Abele in der Woche daheim störten. Zum einen der Bewegungsmangel. Und zum anderen das Gefühl, dass man als ansteckende Person hat. „Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn die Leute Abstand halten und Maske tragen müssen“, sagt er. Besonders gefreut hätten ihn die vielen Hilfsangebote von Bekannten und Freunden, für ihn einkaufen zu gehen. Scherzhaft sagt Abele: „Hätte ich alle Angebote angenommen, hätte ich das ganze Jahr überleben können.“

Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff musste gesund in Quarantäne.Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff musste gesund in Quarantäne.Archivfoto: A. Becher

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Erstellt:
26. Februar 2022, 06:00 Uhr

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