Kaum Stimmen pro Impfpflicht

Ein verhaltenes Echo kommt derzeit auf die Frage, wie sinnvoll eine Impfpflicht mit Blick auf bestimmte Berufsgruppen sein könnte. Besonders in den Einrichtungen der Medizin und Pflege herrscht auffallende Zurückhaltung. Kreispolitiker Armin Mößner bezieht indessen klar Stellung.

Eine Impfpflicht gegen Corona für bestimmte Berufsgruppen wird derzeit deutschlandweit heiß diskutiert. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Eine Impfpflicht gegen Corona für bestimmte Berufsgruppen wird derzeit deutschlandweit heiß diskutiert. Foto: J. Fiedler

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz hat Winfried Kretschmann als Landesvater Baden-Württembergs am Donnerstagabend abermals eine Maßnahme angekündigt, die im europäischen Ausland schon umgesetzt, in Deutschland derzeit aber noch sehr kontrovers diskutiert wird: „Wir fordern als Länder den Bund auf, eine Impfpflicht für Angehörige von Heil- und Pflegeberufen und alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen einzuführen“, so Kretschmann. Zuvor waren bei der Konferenz härtere Regeln für Ungeimpfte beschlossen worden – darunter auch mögliche Ausgangsbeschränkungen in Corona-Hotspots.

Angesichts der aktuellen Situation in der Coronapandemie sei die Impfpflicht ein probates Mittel, aus der Pandemie auszusteigen, gibt Armin Mößner auf unsere Nachfrage zu verstehen. Der Murrhardter Bürgermeister ist auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rems-Murr-Kreistag und ließ in der jüngsten Sitzung mit einer Bemerkung aufhorchen. Mößner erwähnte in seiner Rede zum Kreishaushalt 2022 die Möglichkeit einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Das Thema war zuvor in der CDU-Fraktion besprochen worden. Die Mehrheit der Fraktionsmitglieder sei durchaus offen dafür, über eine Impfpflicht nachzudenken, so Mößners Einschätzung auf Nachfrage unserer Zeitung.

Andere Pflichten werden weniger hinterfragt

Freilich sei es ein heikles Thema, mit dem sich viele schwertun. Insbesondere für Berufe, die mit vulnerablen Gruppen zu tun haben, also beispielsweise im Pflegebereich, sei diese Maßnahme aber angeraten. Schließlich gebe es bereits zig Pflichten, die nicht weiter diskutiert und hinterfragt werden und denen man sich heutzutage nicht entziehen könne – etwa die 2020 eingeführte Masernimpfpflicht oder die Pflicht, einen Helm auf dem Rad zu tragen, so der Bürgermeister. Wenn jemand, der ohnehin schon gesundheitlich belastet sei, sich vor möglichen Folgeerkrankungen durch eine Impfung fürchtet und die Mediziner das womöglich in manchen Fällen auch nicht im Vorfeld zu hundert Prozent ausschließen könnten, sei die Zurückhaltung der Anti-Coronaspritze gegenüber verständlich, räumt Mößner ein. Doch mit Blick auf die mitunter aberwitzigen Theorien, die von einigen Impfgegnern propagiert werden, verlässt den Murrhardter Schultes schnell das Verständnis. Nachdem nun seit Kurzem die 2-G-Regel gilt, sehe man ganze Schlangen von Leuten in Stuttgart für eine Impfung anstehen. Das hätten die Leute im Sommer einfacher haben können, als solche Impfangebote für die Bürger unkompliziert und niederschwellig unter anderem auch in Backnang gemacht wurden, so die Meinung des Rathauschefs.

Eine Impfpflicht wäre eine Entlastung für die Schulen, so die Einschätzung von Sabine Hagenmüller-Gehring, die das Staatliche Schulamt Backnang leitet. Wobei ohnehin die meisten Lehrer längst geimpft seien, wie sie sagt. Die Impfangebote für Lehrer seien auf großen Zuspruch gestoßen und wurden schon frühzeitig gemacht, so Hagenmüller-Gehring. Eine große Anzahl an Impfverweigerern sei also unter den Lehrern nicht gegeben. Es gebe einige mit klar nachvollziehbaren Gründen, die nicht geimpft seien.

Massive Anfeindungen gegen Schulen

Anders sieht es im Schülerbereich aus. Bei den Jugendlichen, die sich ja mittlerweile auch impfen lassen können, sei eher eine Zurückhaltung zu verzeichnen. Die Schulamtsleiterin berichtet, es habe von Impfgegnern massive Anfeindungen und Drohungen gegen Schulen und ihre Lehrer gegeben, wenn eine schulinterne Impfaktion auch nur erwägt worden sei. Impfangebote für Sechs- bis Zwölfjährige zu machen, sei dementsprechend ein noch schwierigeres Thema. Hier dürfte eine Impfpflicht aber auch kaum zu erwarten sein, so Hagenmüller-Gehring. Mit Blick auf den Anspruch, dass die Schüler gerne in die Schule kommen sollen, seien konfliktträchtige Angelegenheiten von den Schulen fernzuhalten. Hagenmüller-Gehring: „Nicht um keine Stellung zu beziehen oder sich aus allem rauszuhalten, sondern weil wir das den Schulen nicht auch noch aufbürden können. Wir müssen die Konflikte aus den Schulen raushalten.“ Demnach sollten die Impfaktionen weiterhin außerhalb der schulischen Einrichtungen stattfinden. „Zudem beträfe die derzeit diskutierte Impfpflicht ja auch erst einmal nur die Lehrer. Von daher haben wir da jetzt nicht so das Problem.“

Bei den Rems-Murr-Kliniken mit Sitz in Schorndorf und Winnenden gibt man sich zum Thema Impfpflicht verschlossen. „Zu diesen politischen Fragen äußern wir uns grundsätzlich nicht“, teilt Unternehmenssprecher Christoph Schmale schriftlich mit. Aus Sicht der medizinischen Versorgung sei es wichtig, dass die sozialen Kontakte reduziert werden, damit die Ausbreitung des Virus gebremst wird, so Schmales allgemein gehaltene Einlassung. Außerdem sollten sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen. Schmale: „90 Prozent der Covid-Patienten auf unserer Intensivstation sind ungeimpft. Eine Impfung ist demnach immer noch der beste Schutz, keinen schweren Krankheitsverlauf mit dem Covid-Virus zu bekommen.“

Bei der Diakonie Stetten, die zahlreiche Pflegeheime auch im Rems-Murr-Kreis betreibt, ist das Interesse an den Auffrischungsimpfungen sehr hoch, wie der Pressesprecher Steffen Wilhelm berichtet. „Bei den Bewohnern noch etwas höher als bei den Mitarbeitenden. Und wir werben auch aktiv dafür, die Impfangebote wahrzunehmen.“ Bei den Pflegekräften geht die Geschäftsleitung des Kernener Unternehmens derzeit von einer Impfquote von rund 80 Prozent aus. Wilhelm: „Die Diskussion um eine Impfpflicht für bestimmte Berufe wird natürlich auch bei unseren Mitarbeitenden mit Interesse verfolgt und mitdiskutiert. Wie überall gibt es auch bei uns unterschiedliche Meinungen dazu.“

Christoph Schmale (Rems-Murr-Kliniken),
zur Coronasituation in den Einrichtungen „90 Prozent der Covid-Patienten auf unserer Intensivstation sind ungeimpft.“
Land sendet 155 mobile Impfteams aus

Impfstützpunkte Die Alarmstufe wurde ausgerufen, die Zahl der Booster-Impfungen steigt, das Interesse an den Impfungen in den Arztpraxen wie auch an den Stationen der mobilen Impfteams in Baden-Württemberg ist also da, teilt das zuständige Landesministerium mit. Die Landesregierung hat am Donnerstag beschlossen, die niedergelassene Ärzteschaft mit 155 mobilen Impfteams zu unterstützen. Darüber hinaus sind die Landkreise und kreisfreien Städte aufgefordert , weiteren Bedarf bis kommenden Mittwoch inklusive Kostenschätzung dem Sozialministerium mitzuteilen.

Standortwahl „Die Partner können vor Ort bestimmen, ob mehrere Standorte ausgewählt werden, die dann an bestimmten Tagen angefahren werden, oder ob sie sich für weniger Stützpunkte entscheiden, die dauerhaft angefahren werden sollen“, so Gesundheitsminister Manne Lucha. Im Dezember und Januar müsse man für die zu erwartende hohe Zahl an Booster-Impfungen gerüstet sein. Lucha: „Die großen zentralen Impfzentren könnten frühestens im Januar wieder ihren Betrieb aufnehmen, was viel zu spät wäre. Auch sind die Hallen vielerorts längst wieder anderweitig in Betrieb.“

Bedarfsanmeldung Bei der Errichtung der Impfstützpunkte ist das Land auf die Mitwirkung der Landkreise, der Städte und Gemeinden angewiesen, vor allem bei der Bereitstellung von Räumen und Infrastruktur, so der Minister. Demnach können die Behörden vor Ort frühzeitig und unmittelbar auf besondere Situationen reagieren und Bedarf anmelden.

Kostenerstattung Im Umkehrschluss versichert die Landesregierung: Wenn den Kommunen bei der Einrichtung solcher Impfstützpunkte Kosten (etwa Miete von Räumen, Ehrenamtspauschale, Strom) entstehen, dann bekommen sie diese Kosten nach Abstimmung mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration vom Land erstattet.

Planzahlen Mit den derzeitig geplanten 155 Impfteams im ganzwöchigen Einsatz sollen je Team oder Stützpunkt pro Tag rund 130 Impfungen durchgeführt werden. Das gilt für Erstimpfungen genauso wie für die Auffrischimpfungen (Booster). Im Dezember werden die mobilen Impfteams insgesamt 600000 Menschen impfen können, kündigt Lucha an. Bei der niedergelassenen Ärzteschaft geht das Land von 400000 Impfungen im Dezember aus. Hinzu kommt noch die Möglichkeit der Impfung durch die Betriebsärzteschaft. Unter anderem unter www.dranbleiben-bw.de findet man im Internet zahlreiche Impfaktionen mit ihren jeweiligen Terminen.

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Erstellt:
20. November 2021, 06:00 Uhr

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