Kontakt an der Kasse stark reduziert

Geschäfte und Märkte in Backnang und Umgebung reagieren auf die Coronakrise – Unterschiede bei Sicherheitsvorkehrungen

Lebensmittelhändler und Supermärkte versuchen, ihre Beschäftigten und zugleich auch die Kundschaft vor Coronarisiken zu schützen. Es gilt, den geforderten Mindestabstand einzuhalten und Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren. Aber nicht überall herrscht der gleiche hohe Sicherheitsstandard, vielfach muss improvisiert werden.

Hinter Glas komplett geschützt: Die Landmetzgerei Rupp-Holzwarth hat sich für die Sicherheit gewaltig ins Zeug gelegt.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Hinter Glas komplett geschützt: Die Landmetzgerei Rupp-Holzwarth hat sich für die Sicherheit gewaltig ins Zeug gelegt. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. In Fellbach wird eine Supermarktkassiererin von einer aufgebrachten Kundin angespuckt. Der Vorfall, der sich am Freitagabend ereignete, hat kreisweit Empörung hervorgerufen. Folgendes war laut Polizei passiert: Die Kundin und ihr Begleiter hielten im Kassenbereich den gebotenen Abstand nicht ein, deshalb wies die Angestellte das Paar darauf hin – worüber sich die beiden dann mächtig aufregten. Das Duo wurde daher angewiesen, die Örtlichkeit zu verlassen, doch die Frau kehrte wenig später zurück und spuckte der Kassiererin auf den Hinterkopf.

Übergriffe wie dieser werfen die Frage auf: Wie gut sind die Beschäftigten in Coronazeiten geschützt? Gleichzeitig richtet sich der Blick in Richtung Kundschaft: Wie ist es um deren Schutz bestellt? Welche Regeln müssen die Einkäufer einhalten? Und reicht es aus, was die Geschäfte dazu vorgeben?

Die Landmetzgerei Rupp-Holzwarth mit Sitz in Sulzbach an der Murr und insgesamt drei Fachgeschäften in Sulzbach, Aspach und Backnang hat sich besonders stark für den Schutz ihres Verkaufspersonals – und damit auch ihrer Kundschaft – ins Zeug gelegt: An allen Standorten wurde ein Komplettschutz angebracht. Die Geschäftsleitung hat eine Glasscheibe von der Theke bis zur Decke einziehen lassen. Das bietet deutlich mehr Sicherheit als ein kleiner Spuckschutz an der Kasse, Kunden und Mitarbeiter sind damit über den gesamten Einkaufsvorgang hinweg geschützt. „Es gibt keinen Kontakt“, unterstreicht Chefin Elke Rupp.

Selbst beim Tauschen von Ware gegen Geld – bezahlen können die Kunden auch mit Karte – kommen sich beide Seiten nicht nahe: Es gibt dazu nur ein kleines Loch in der großen Glasfront. Kunden, die darüber hinaus noch mehr zu ihrer persönlichen Sicherheit tun wollen, können sich gleich im Laden die Hände desinfizieren. Dazu hat die Firma einen vollautomatischen Spender installiert, sprich: Der Kunde muss nichts berühren, er braucht auf keinen Knopf oder Hebel zu drücken, das Desinfektionsmittel tropft ihm direkt in die Hände.

„Es wird sehr gut angenommen“, berichtet Elke Rupp. Nur einen kleinen Nachteil hat der Glasschutz: „Wir müssen ein bisschen lauter schwätzen.“ Und manchmal müsse man nachfragen. Aber für diese Hürde habe der Kunde volles Verständnis. In diesem Zusammenhang unterstreicht Elke Rupp, dass auch in den anderen Betriebszweigen Hygienestandards gesetzt wurden: In der Produktion wird ein Zweischichtbetrieb gefahren, um die Kontakte zu reduzieren, und die Mitarbeiter dort tragen ebenso wie die Fahrer, die die Fleisch- und Wurstwaren an die einzelnen Geschäfte ausliefern, einen Mundschutz.

Einen Komplettschutz wie in den Geschäften der Landmetzgerei gibt es andernorts nicht. Aber im Kaufland, das in Backnang zweimal vertreten ist, wurde entlang der Förderbänder an den Kassen bereits eine hohe Glasfront aufgebaut. Die Kunden werden aufgefordert, vorzugsweise mit Karte zu bezahlen, auch bei geringeren Beträgen. Dafür gibt es dann in der Glasscheibe eine kleine Aussparung, die gerade groß genug für das Lesegerät ist. Ein Kontakt wird auf diese Weise vermieden. Darüber hinaus werden die Kunden im Markt gebeten, zwei Meter Abstand zu anderen Kunden einzuhalten; vor der Bedientheke ist am Boden eine Grenzlinie markiert.

Bei Edeka Schmidt in Backnang fallen schon vor der Kasse die Bodenmarkierungen auf, die den richtigen Abstand in der Warteschlange anzeigen. Das Kassenpersonal trägt Handschuhe. Eine erhöhte Schutzeinrichtung gegenüber den Kunden gibt es allerdings nicht, die vorhandene Scheibe reicht nicht bis auf Kopfhöhe. An der Bedientheke jedoch ist der gebotene Abstand nicht nur mit Klebestreifen markiert, es sind vielmehr auch Kisten aufgestellt, die Distanz schaffen sollen. Darüber hinaus werden die Kunden aufgefordert, die Regeln einzuhalten, einschließlich der Niesetikette.

„Unsere selbstständigen Edeka-Kaufleute und wir versuchen immer, mit Blick auf die Situation vor Ort individuelle und pragmatische Lösungen zu finden“, erklärt dazu Florian Heitzmann, Referent Presse und Öffentlichkeitsarbeit – Unternehmenskommunikation bei Edeka Südwest in Offenburg. In den einzelnen Märkten würden „unterschiedliche Vorkehrungen getroffen und kontinuierlich angepasst, um Kunden und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und gleichzeitig die Nahversorgung aufrechtzuerhalten“. Als Beispiele nennt er Schilder und Markierungen auf dem Boden, einen Mindestabstand einzuhalten und vornehmlich bargeldlos mit Karte zu bezahlen. Zu den erhöhten Hygienemaßnahmen gehören für das Personal an den Kassen auch Flächen- und Handdesinfektionsmittel, Plexiglaswände und zusätzliche Pausen.

Netto, im Backnanger Raum in Auenwald und Allmersbach im Tal vertreten, teilt auf Anfrage an die Zentrale in Maxhütte mit, dass man die aktuellen Entwicklungen rund ums Coronavirus sehr genau beobachte. Der Schutz von Kollegen und Kunden sei dem Unternehmen sehr wichtig. Im Einzelnen führt Christina Stylianou, Leiterin Unternehmenskommunikation von Netto Marken-Discount, folgende Maßnahmen an: „Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der Kasse stehen Einweghandschuhe zur Verfügung. Zudem haben wir flächendeckend Desinfektionsmittel für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung gestellt.“ Im Kassenbereich habe man Fußbodenmarkierungen im Abstand von zwei Metern angebracht, ferner sei ein Hygieneschutz gebaut worden. Den Kunden werde per Kassenaushang empfohlen, nach Möglichkeit bargeldlos zu bezahlen. In über 100 Netto-Filialen gibt es sogar Selbstbedienungskassen. Stylianou fügt an, das Unternehmen stehe in engem Austausch mit den zuständigen Behörden und Gesundheitsämtern: „Sollten Sofortmaßnahmen in Deutschland notwendig werden, sind wir jederzeit in der Lage, entsprechend kurzfristig zu reagieren.“

Auch der Baywa Bau- und Gartenmarkt in Backnang hat auf die Coronakrise reagiert. Wie Marktleiter Lars Decker erklärt, wurden an den Kassen und an der Informationstheke Abstandsklebebänder angebracht, zudem wurden an den Kassen zusätzliche Plexiglasscheiben aufgebaut, um für die räumliche Trennung zwischen Kassenpersonal und Kundschaft zu sorgen. Das Unternehmen verfügt auch noch über gewisse Bestände an Schutzausrüstung, insbesondere Handschuhe, die auch Kunden angeboten werden. Etliche FFP-1-Masken hat Baywa dem Krankenhaus in Winnenden zukommen lassen. Überdies wurde am Eingang eine Einlasskontrolle eingerichtet, damit nicht zu viele Kunden auf einmal in die Verkaufsräume strömen.

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Erstellt:
31. März 2020, 06:00 Uhr

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