Luca-App hat nichts gebracht

Noch ist es Pflicht, seine Kontaktdaten bei einem Restaurantbesuch anzugeben. Schon bald könnte sich das ändern. Den Vertrag mit den Anbietern der Luca-App hat die Landesregierung bereits gekündigt. Die Bilanz der Kontaktnachverfolgung ist ernüchternd.

Bei Sportveranstaltungen, wie hier vom Fußballverein SV Allmersbach, sind die Zuschauer verpflichtet, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen – in Papierform oder mit einer App. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Bei Sportveranstaltungen, wie hier vom Fußballverein SV Allmersbach, sind die Zuschauer verpflichtet, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen – in Papierform oder mit einer App. Archivfoto: A. Becher

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Es ist schon zur Gewohnheit geworden: Man zeigt seinen Impfnachweis, scannt den QR-Code für die Luca-App oder füllt einen Zettel aus und danach kann man sich endlich sein Wunschgetränk bestellen. Sinn der Sache: Die Behörden können sich im Nachgang melden, falls zeitgleich eine infizierte Person im selben Lokal war. Diese sogenannte Kontaktpersonennachverfolgung sollte von den Gesundheitsämtern und Kommunen mittels der gesammelten Kontaktdaten durchgeführt werden. Nach einem Jahr Luca-App fällt die Bilanz allerdings ernüchternd aus: „Über die gesamte Zeit haben wir in vier Fällen erfolgreich Kontakte mithilfe der Luca-App nachverfolgen können“, teilt Martina Keck, die Pressesprecherin des Landratsamts, mit.

Dass die Landesregierung den Lizenzvertrag mit den App-Anbietern nun fristgerecht gekündigt hat, stößt daher auf keinerlei Widerspruch. Bis Ende März kann die Luca-App nun noch kostenlos verwendet werden. Die individuelle Kontakterfassung findet auch weiterhin statt, bis die Landesregierung Gegenteiliges beschließt. Ob mit der Luca-App, mit Zetteln oder mit eigens entwickelten Systemen – die Gastronomen, Hoteliers, Veranstalter und Co. müssen weiterhin die Kontaktdaten ihrer Gäste sammeln. Und dies wird auch weiterhin vom Rechts- und Ordnungsamt Backnang kontrolliert.

Allerdings wird die Landesregierung – wie den vagen Aussagen einer Pressemitteilung vom 26. Januar zu entnehmen ist – mit der Kündigung der Luca-App-Lizenz vermutlich auch die individuelle Kontaktnachverfolgung insgesamt stoppen. Die Veranstalter tappen dahingehend noch im Dunkeln. Während der eine sich kopfschüttelnd auf eine Rückkehr zur chaotischen Zettelwirtschaft einstellt, kümmern sich andere bereits um QR-Codes für die Corona-Warn-App der Bundesregierung.

Bislang stellte die Landesregierung nur klar, dass es bald eine sinnvollere Strategie zur Unterbrechung von Infektionsketten geben wird. „Die Landesregierung wird nun darüber beraten, ob und in welcher Form die individuelle Kontaktpersonennachverfolgung dem jeweiligen Pandemiegeschehen angepasst werden kann und welche Hilfsmittel dafür in Frage kommen“, so die Regierung in der Pressemitteilung vom 26. Januar. Zum Beispiel ist eine „bevölkerungsbezogene Kontaktnachverfolgung“ im Gespräch, bei der jeder Infizierte selbst seine Kontakte informiert. Dafür könnte die Corona-Warn-App eingesetzt werden.

Stimmen verschiedener Branchen wünschen Stopp der Datenerfassung

Der Geschäftsleiter des Fußballvereins TSG Backnang, Martin Scholz, würde eine vollständige Beendigung der individuellen Kontaktnachverfolgung begrüßen, da es den Einlass bei Wettkämpfen erleichtern würde. Der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Rems-Murr würde einen Wegfall der individuellen Kontaktnachverfolgung ebenfalls begrüßen. „Wir sind froh, wenn die Kollegen diese Aufgabe nicht mehr ausführen müssen“, sagt Michael Matzke. Sie sei mit einem unnötigen Aufwand verbunden und führe oft zu Diskussionen mit Gästen, die ihre Daten nicht hergeben wollen. „Es kann nicht die Aufgabe von uns sein, als Kontrollorgan zu agieren“, so Matzke. Wenn ein Gast seine Kontakte nicht dokumentieren will, sind die Gastronomen dazu aufgefordert ihn wegzuschicken. Für Matzke eine Aufgabe, die bei staatlichen Behörden liegen müsste.

Die Landesregierung beendete die reguläre Nachverfolgung im November

Doch der Dehoga-Vorsitzende ist in seiner Meinung zwiegespalten. „Andererseits möchten wir natürlich auch gesunde Gäste“, sagt er und fragt sich, inwieweit das Infektionsgeschehen bekämpft werden soll, wenn die individuelle Kontaktnachverfolgung wegfällt. Doch betrachtet man die Zahlen der im Rems-Murr-Kreis nachverfolgten Kontakte, würde der Kampf gegen das Infektionsgeschehen ohne die Kontaktnachverfolgung nicht mit weniger Waffen geführt werden, vielmehr würde eine unwirksame Waffe aussortiert.

Die individuelle Kontaktnachverfolgung wurde auch daher zunehmend obsolet, weil die Behörden viel zu viele Kontakte hätten informieren müssen. „Ein Nachteil der Luca-App ist eben auch, dass sie die Personen räumlich nicht eingrenzt“, sagt Martina Keck. Bei einer großen Veranstaltung müssten 1000 Personen kontaktiert werden, wenn eine Person infektiös war. Auch diejenigen, die der infizierten Person nicht näher als 50 Meter gekommen waren. Weil die Behörden die Kontaktnachverfolgung nicht mehr leisten konnten, veranlasste die Landesregierung bereits Anfang November, dass die Behörden damit aufhören; mit Ausnahme von Ausbrüchen in vulnerablen Personenkreisen, wie beispielsweise in Pflegeheimen. Zu der Entdeckung eines solchen Ausbruchs habe die Luca-App allerdings nicht beigetragen, so Martina Keck vom Landratsamt. Faktisch wurden daher seit November generell keine Kontakte mehr nachverfolgt.

Und auch, als die Nachverfolgung noch umgesetzt wurde, sei die Zusammenarbeit mit den Kommunen viel effektiver gewesen als die Arbeit mit den Daten der Luca-App, sagt Keck: „Wir haben sehr eng mit den Kommunen zusammengearbeitet.“ Laut der Pressesprecherin konnten so viel schneller und effektiver entsprechende Kontakte von infizierten Personen informiert werden. Insgesamt hätten allerdings auch die händisch ausgefüllten Zettel nur sehr gering zur erfolgreichen Kontaktnachverfolgung geführt. Genaue Zahlen liegen dem Landratsamt hierfür allerdings nicht vor.

Die Gastronomen, Kinobetreiber, Museumsleiter, Veranstalter und Hoteliers müssen nun auf die weiteren Regelungen des Landes warten. Die meisten zeigen sich gelassen. „Ich bin es eigentlich schon gewohnt, dass man blitzartig reagieren muss“, sagt etwa Bernhard Eppler vom Universum Kino in Backnang. „Es bedeutet keinen großen Aufwand für uns, das umzustellen“, sagt David Weller vom Café Weller in Backnang. Ärgerlich findet Weller eher, dass die bisherige Dokumentation der Kontakte umsonst war. „Es stört mich, dass es gemacht werden muss, wenn es eh nicht nachverfolgt wird“, sagt er.

Kommentar
Überflüssiger Aufwand

Von Anja La Roche

Die Luca-App hat die individuelle Kontakterfassung wesentlich erleichtert, zumindest für die Leute mit ausreichend Smartphonekompetenz. Das schnelle QR-Code-Scannen ersetzt das umständlichere Zettelausfüllen. Aber vier im Rems-Murr-Kreis erfolgreiche Kontaktnachverfolgungen innerhalb eines Jahres zeigen, dass die Luca-App nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist – immerhin verzeichnet das Landratsamt mehr als 52000 gemeldete Infektionen seit dem Beginn der Pandemie.

Der gescheiterte Versuch mit der individuellen Kontaktnachverfolgung ist nicht weiter tragisch. Das mutierende Virus zwingt uns alle zu einem ständigen Lernprozess. Allerdings: Gastronomen und Veranstalter, die sowieso schon tagtäglich durch den Sumpf von Regelungen waten müssen, hätte man früher von diesem unnötigen Aufwand befreien können. Immerhin ist der Frust über die Coronaregelungen erträglicher, wenn diese zumindest einen bemerkbaren Effekt haben. Zumal die Kontaktpersonennachverfolgung bereits vor Monaten gestoppt wurde.

a.laroche@bkz.de

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Erstellt:
1. Februar 2022, 06:00 Uhr

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