Maskenpflicht? Da scheiden sich die Geister

Keine Masken an Schulen mehr. Sabine Hagenmüller-Gehring kann diesen Schritt angesichts der relativ niedrigen Inzidenzwerte und der Sommerhitze verstehen. Allerdings kommen die Lockerungen für die Leiterin des Staatlichen Schulamts Backnang zu früh.

Die Pflicht, eine Maske im Schulunterricht tragen zu müssen, soll in der kommenden Woche unter Bedingungen aufgehoben werden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Pflicht, eine Maske im Schulunterricht tragen zu müssen, soll in der kommenden Woche unter Bedingungen aufgehoben werden. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

BACKNANG. „Das ganze Thema Maskenpflicht an Schulen ist ein bisschen zwiegespalten“, sagt Sabine Hagenmüller-Gehring. „Auf der einen Seite erleben wir gerade ganz viele Lockerungen, auf der anderen Seite weiß niemand so genau, was diese dann wirklich bewirken“, präzisiert die Leiterin des Staatlichen Schulamts Backnang. Oberste Priorität müsse sein, dass es an der Schule ruhig bleibt und dass man Sicherheit habe. „Die Sicherheit haben wir momentan, durch das Masketragen und das Testen und auch durch das Lüften“, sagt die leitende Schulamtsdirektorin. Diese Faktoren seien aus ihrer Sicht mit der Grund dafür, dass es gerade sehr ruhig sei und von den Schulen nur vereinzelt Infektionen gemeldet würden.

„Meine Befürchtung ist schon immer die: Je mehr wir lockern, desto eher gehen wir wieder einen Schritt, der auch schwierig sein kann“, sagt Hagenmüller-Gehring. Als Pädagogin wünsche sie sich, dass die Mädchen und Jungen wieder regelmäßig in die Schule kommen können. Und das dürfe durch so einen Schritt wie den angekündigten Wegfall der Maskenpflicht nicht gefährdet werden.

„Es schlagen da wirklich zwei Herzen in meiner Brust.“

Die Amtsleiterin hat allerdings auch Verständnis für die Befürworter der Lockerungen, denn das Masketragen im Sommer bei Hitze sei belastend. „Das verstehe ich schon, dass man jetzt langsam einen Schritt machen musste, der so eine Öffnung mal zumindest versucht.“ Selbstkritisch gesteht Hagenmüller-Gehring ein: „Vielleicht bin ich auch zu ängstlich, vielleicht sehen das Ärzte und Virologen wirklich anders und sagen: Wann, wenn nicht jetzt. Die Inzidenzwerte sind relativ niedrig.“ Insofern könne man diesen Schritt jetzt vielleicht schon verantworten. Aber, und sie kommt wieder zu ihrer eingangs gemachten Aussage zurück: „Es schlagen da wirklich zwei Herzen in meiner Brust.“

Die leitende Schulamtsdirektorin blickt zurück: „Schon lange, bevor es die Maskenpflicht überhaupt gab, gab es Schulen, zuerst in der Sekundarstufe, dann auch Grundschulen, da sind ganze Klassen mit Maske gekommen, ohne dass irgendeine Pflicht dahinter war.“ Für die Pädagogin war und ist dies ein Zeichen dafür, dass die große Mehrheit der Eltern das Tragen einer Maske als Sicherheit gesehen und erlebt hat. Nach der Einführung der Maskenpflicht habe es einen nur verschwindend kleinen Teil der Eltern gegeben, der sich immens gegen diese Vorgaben aufgelehnt und mit allen Mitteln wie ärztlichen Attests versucht habe, dagegen vorzugehen. Dieser Widerstand hat ihr große Sorgen bereitet, weil es zu Konflikten vor Ort gekommen sei, auch innerhalb der Elternschaft. „Das war im Sekundarbereich schon schwierig, das war in der Grundschule noch viel schwieriger“, erinnert sie sich. Aber die Sorgen um die Kinder hätten sich gelegt. „Mit der Zeit hat man gar nichts mehr gehört, weil die Leute sich daran gewöhnt haben.“ Nach einigen Wochen sei es völlig selbstverständlich für die meisten Kinder gewesen, Maske zu tragen. Viele Grundschüler seien sogar stolz gewesen, diesen Schutz tragen zu dürfen. Hagenmüller-Gehring berichtet von einer Beobachtung in ihrem privaten Umfeld: „Zufällig wohne ich direkt neben einer Schule und habe ein paarmal Homeoffice machen müssen beziehungsweise dürfen und habe ganz interessiert beobachtet, wie die Kinder in der großen Pause damit umgehen: Das ist wirklich so, die sind da unbefangener, als wir denken.“ Und genau das hätten ihr auch die Schulleitungen bestätigt. Die Masken seien nicht das Problem.

Noch hat sie keine Mitteilung vom Kultusministerium erhalten, wie die Umsetzung tatsächlich aussehen wird, sagt Hagenmüller-Gehring. Bis gestern Nachmittag ist diese auch noch nicht im Staatlichen Schulamt eingegangen. Wie der stellvertretende Amtsleiter Roland Jeck gestern auf Anfrage sagte, würden dem Amt derzeit nur vereinzelt Coronainfektionen mitgeteilt werden. Von den über 140 Schulen im Rems-Murr-Kreis, für die das Staatliche Schulamt Backnang zuständig ist, außer Gymnasien und Berufsschulen, hätte es in dieser Woche bis gestern, 16 Uhr Meldungen im nur niedrigen einstelligen Bereich von Schülern gegeben, die im Schnelltest ein positives Ergebnis erhalten hätten.

„Wir sind schon überrascht über diesen Schritt“, sagt Heinz Harter über die Ankündigung aus dem Stuttgarter Kultusministerium. „So schnell hätten wir jetzt mit dem Ende der Maskenpflicht dann doch nicht gerechnet“, so der Rektor der Max-Eyth-Realschule. Als geschäftsführender Schulleiter der Backnanger Schulen spricht er üblicherweise auch für die anderen Schulen. Allerdings habe er wegen der kurzfristigen Ankündigung noch keine Gelegenheit gehabt, sich über dieses Thema mit anderen Rektoren auszutauschen. So spreche er nur für das Kollegium seiner Schule.

Harter und seine Kollegen hätten sich zuletzt über die Schulöffnungen und den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen sehr gefreut. „Trotzdem hatten und haben wir schon an den Schulen auch Respekt vor dieser Situation“, sagt der Rektor der MER. Er könne sich gut vorstellen, dass die stark sinkenden Inzidenzwerte in der aktuellen Entwicklung politischen Druck erzeugt hätten. Aber rückblickend sagt Harter, dass sich das Masketragen nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Schulen gut etabliert, sowohl in der Schülerschaft wie bei den Lehrern. Wichtig ist dem Rektor, Folgendes zu sagen: „Den Schülerinnen und Schülern gebührt ein besonderer Dank, auch für das Mitmachen und für die Akzeptanz.“ Das Masketragen wurde offensichtlich weitestgehend als Schutz wahrgenommen, als Beitrag für mehr Sicherheit an der Schule und somit als Grundlage dafür, dass die Schulen überhaupt wieder geöffnet werden können.

Keine Frage, mit dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes seien auch gewisse Beeinträchtigungen verbunden. „Aber die Einschränkung war doch geringer, als wenn ich durch eine Infektion in einer Quarantäne sitze“, sagt Harter.

Das soll in Kürze gelten:

Sofern die 7-Tage-Inzidenz in einer Region unter 35 liegt und es zwei Wochen an der Schule keinen Coronaausbruch gab, soll die Maskenpflicht im Unterricht in allen Schulformen komplett wegfallen.

Bereits bei einer 7-Tage-Inzidenz von unter 50 soll die Maskenpflicht auf den Pausenhöfen wegfallen.

Sobald es einen Coronaausbruch an einer Schule gibt, wird dort sofort wieder die Maskenpflicht angeordnet.

An aktuellen Testregelung an den Schulen – also zwei Tests die Woche – will man bis zur Sommerpause festhalten.

Zum Artikel

Erstellt:
17. Juni 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen