Nothilfe für die Busunternehmen im Kreis

Die Coronapandemie, ein neuer Tarifabschluss und auch durch den Ukrainekrieg gestiegene Spritkosten machen den Verkehrsunternehmen in den VVS-angehörigen Landkreisen das Leben schwer. So schwer, dass es für einige existenzbedrohend wird.

Um die Versorgung mit Busverkehr im Kreisgebiet sicherzustellen, nimmt der Rems-Murr-Kreis erneut viel Geld in die Hand. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Um die Versorgung mit Busverkehr im Kreisgebiet sicherzustellen, nimmt der Rems-Murr-Kreis erneut viel Geld in die Hand. Foto: Alexander Becher

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Die Unternehmen im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) stehen vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen – und damit auch die Firmen im Rems-Murr-Kreis. Deren Situation war zuletzt im März 2022 im Umwelt- und Verkehrsausschuss Thema und stand in der jüngsten Sitzung des Gremiums erneut zur Debatte (wir berichteten). Dort sprachen sich die Fraktionen für einige Anpassungen der Verträge mit den Unternehmen aus, um die Versorgung der Bevölkerung mit den ÖPNV-Leistungen sicherzustellen.

Eine große Rolle bei der Verschlechterung der Bedingungen für die Verkehrsunternehmen spielt zum einen die Coronapandemie, die sich auch im laufenden Jahr durch weniger Fahrgeldeinnahmen bemerkbar macht und weiter machen wird, wie im Ausschuss zu hören war. Zum anderen gab es bereits 2021 einen spürbaren Anstieg der Treibstoffkosten. Die Treibstoffkosten machen einen Anteil von bis zu 20 Prozent an den Gesamtkosten der Verkehrsunternehmen aus. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind die Treibstoffkosten aber nun regelrecht explodiert – hier ist von einer Steigerung von rund 70 Prozent die Rede. In Baden-Württemberg kommt laut Rems-Murr-Kreisverwaltung erschwerend noch der Tarifabschluss des Jahres 2021 hinzu, der vor allem durch die Änderung des Tarifmantels teilweise zu deutlichen Kostenerhöhungen durch gestiegene Löhne führe.

Der VVS und die Verbundlandkreise sehen deshalb eine zunehmende Gefahr von Entbindungsanträgen durch Unternehmen, die ihre Leistungen zu den gegebenen Konditionen nicht mehr aufrecht erhalten können, oder gar weiteren Insolvenzen im Verbundraum. „Dies verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern kann im schlimmsten Fall sogar die ÖPNV-Versorgung gefährden. Unter anderem die Erfahrung mit der Insolvenz der Firma Knauss hat gezeigt, dass bei Notvergaben häufig der Bestandsunternehmer als einziger in der Lage ist, ein Angebot abzugeben, das dann aber weit über dem bisherigen Preis liegt“, so die Kreisverwaltung. Bestehen Forderungen gegen ein insolventes Unternehmen, werden diese sich in der Regel nur noch in Höhe der geringen Insolvenzquote realisieren lassen, wie der Erste Landesbeamte Peter Zaar erläuterte. Auch bei den anschließenden regulären Vergaben fallen demzufolge in der Regel deutliche Mehrkosten an.

Als Sofortmaßnahme benötigen die Verkehrsunternehmen Liquiditätshilfen

Zaar: „Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der ÖPNV lokal völlig zusammenbrechen könnte. Während einzelne Marktaustritte von den übrigen Unternehmen in aller Regel noch aufgefangen werden könnten, ist dies ab einem gewissen Ausmaß nicht mehr möglich.“ Dies drohe nicht nur bei Insolvenzen der konzessionierten Busunternehmen, sondern auch bei Insolvenzen der zahlreichen Subunternehmer, die vielfach im Verbundraum im Einsatz sind und deren wirtschaftliche Situation teilweise noch kritischer ist als die des Hauptunternehmens.

Rechtlich zwingend sind Stützungsmaßnahmen für den ÖPNV nicht, erklärte Zaar. Der ÖPNV sei in Baden-Württemberg nach aktueller Rechtslage eine Freiwilligkeitsleistung. Dem Landkreis stehe es deshalb frei, ob und welche Busverkehre er einrichtet. Er kann die Busunternehmen in der aktuellen Situation auch dem freien Markt zu überlassen. Doch mit den drohenden Konsequenzen eines ÖPNV-Kollapses im Busbereich will freilich niemand diese Option wählen. Deshalb wurde ein Lösungskonzept in Abstimmung mit den anderen Landkreisen im Verbund erstellt.

Als Sofortmaßnahme benötigen die Verkehrsunternehmen Liquiditätshilfen. Dazu wurden und werden die Abschlagszahlungen aus Landesmitteln in Teilen vorgezogen. Die Verträge werden an die veränderte Kostenstruktur angepasst, um strukturelle finanzielle Schwierigkeiten der Busunternehmen abzumildern. In den laufenden Verträgen soll nun der Baden-Württemberg-Index zum Tragen kommen. Dieser BW-Index wurde vom Verkehrsministerium des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Verkehrsverbänden im Jahr 2020 entwickelt und soll – so die Empfehlung der Beteiligten – für alle Verkehre in Baden-Württemberg zur Anwendung kommen. „Neben der Anwendung landesspezifischer Kostensätze sieht der BW-Index abweichend von unseren Verträgen eine Fortschreibung von 100 Prozent der Kosten und eine Dynamisierung auch des letzten Vertragsjahres vor“, schreibt die Landkreisverwaltung dazu. Die Busunternehmen müssen also nicht mehr in Vorleistung gehen für etwaige Kostensteigerungen wie etwa der Dieselpreis. Zu guter Letzt sind auch noch Übergangsverträge für strukturell unterfinanzierte Verkehre, also solche mit geringer Auslastung an Fahrgästen, angedacht. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass es trotz der bereits vorgestellten Maßnahmen doch noch Unternehmen gibt, die sich finanziell nicht in der Lage sehen, ihre Verkehre bis zum Ende der Vertrags- oder Konzessionslaufzeit zu erbringen.

Die Kosten für die Busfirmenhilfe lassen sich noch nicht in Gänze beziffern. Auf rund 2,5 Millionen Euro für dieses Jahr und rund 280000 Euro in den kommenden Jahren allein für die vorgezogenen Liquiditätshilfen kann sich die Kreispolitik aber schon einstellen. Ein Teil kann aus Landesmitteln gedeckt werden. Alles weitere muss wohl über die Kreisumlage gestemmt werden.

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Erstellt:
21. Mai 2022, 06:00 Uhr

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