Omikron belastet Schulen und Kitas

Mehr als ein Drittel der aktuell im Kreis Infizierten ist unter 20 Jahre alt. Vereinzelt sind wieder ganze Klassen und Gruppen zu Hause, das pädagogische Personal wird teilweise knapp. Und schon wieder gibt es neue Quarantäneregeln.

Immer häufiger blieben Klassenzimmer in den vergangenen Wochen leer. Vermehrt mussten ganze Schulklassen oder Kindergartengruppen zu Hause bleiben. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Immer häufiger blieben Klassenzimmer in den vergangenen Wochen leer. Vermehrt mussten ganze Schulklassen oder Kindergartengruppen zu Hause bleiben. Archivfoto: A. Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Die Omikron-Welle ist in den Schulen und Kindergärten der Region voll angekommen. Das zeigt sich besonders an den aktuellen Coronazahlen des Kreises. Von den aktuell 7956 infizierten Personen in Quarantäne (Stand gestern) sind 2919 Infizierte unter 20 Jahre alt – also mehr als ein Drittel. „Bei uns ist deutlich spürbar, dass sich Omikron stärker und schneller verbreitet als vorherige Varianten“, sagt Karin Moll, geschäftsführende Schulleiterin der Backnanger Schulen. Sie wisse von kaum einer Schule, an der nicht mindestens eine Klasse wegen zu vieler Infektionsfälle aktuell im Fernunterricht sein muss.

Das bestätigen auch Zahlen des Schulamts. Ende vergangener Woche waren 98 Schulen im Rems-Murr-Kreis von Infektionsfällen betroffen, mindestens 45 Klassen waren im Fernunterricht. Mindestens 914 Schülerinnen und Schüler wurden in der Schule positiv getestet und 1245 waren in Quarantäne. „Über das Wochenende und zu Beginn der Woche sind die Zahlen aber nochmals stark angestiegen“, weiß Sabine Hagenmüller-Gehring vom staatlichen Schulamt Backnang. Valide Zahlen gebe es noch nicht, „weil die Schulen gar nicht mehr hinterhergekommen sind, die Eintragungen im System vorzunehmen“. Der Unterschied der ansteckenderen Omikron-Variante sei deutlich wahrnehmbar. Zum Vergleich: Eine Woche zuvor waren laut Schulamt gerade einmal drei Klassen geschlossen und 431 Schülerinnen und Schüler wurden positiv getestet.

Ganze Klassen müssen seit

gestern nicht mehr in Quarantäne

„Die Schulen sind derzeit hoch belastet – mehr als je zuvor. Das gesamte Management der Infektionsfälle ist außerordentlich aufwendig“, sagt die Schulamtsleiterin. Denn die Schulen seien sehr bemüht, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Das bedeute Mehrarbeit von Lehrkräften, Abänderungen von Stundenplänen, Hinzunahme von kurzfristig einsetzbarem Vertretungspersonal und vieles mehr. „Alles in allem bedeutet es vor allem auch Unruhe, weil die ursprünglichen Strukturen verändert werden müssen. Und für jeden Einzelnen an Verlässlichkeit verlieren – für Kinder, für Eltern, für Lehrkräfte und natürlich für die Schulleitungen selbst“, sagt Hagenmüller-Gehring. „Wir machen eigentlich nichts anderes mehr als Corona“, bestätigt auch Karin Moll. Täglich ändere es sich, welche Klasse in Präsenz da sein kann und wie die Stundenpläne angepasst werden müssen. Ihre Backnanger Schulleiterkollegen bestätigen sie in einer Umfrage, mehrmals sei das aktuelle Coronamanagement mit „katastrophal“ beschrieben worden. Da hilft es nicht, dass am Dienstag eine erneute Änderung der Quarantäneregeln für Schulen und Kindergärten vom Gesundheitsministerium des Landes herausgegeben wurde (siehe Infokasten). „Und die gilt natürlich ab sofort. Da herrscht jetzt wieder große Verwirrung und das Telefon läuft heiß“, sagt Moll.

Noch dazu sind es nicht nur Schülerinnen und Schüler, die sich mit Corona infizieren. Auch immer mehr Lehrkräfte werden positiv getestet. An der Mörikeschule fehlen zum Beispiel aktuell acht Lehrkräfte trotz Boosterimpfung aufgrund von Coronainfektionen, drei weitere wegen anderer Erkrankungen. „Von meinen 42 Lehrkräften fehlt also ein Viertel. So können wir den Schulbetrieb kaum aufrechterhalten“, sagt Moll. Selbst wenn durch die neue Regelung nun keine ganzen Klassen mehr in den Fernunterricht müssen, werde es trotzdem – zumindest tageweise – dazu kommen, da aktuell schlicht die Lehrkräfte fehlen, um die Kinder in Präsenz zu unterrichten.

„Der Markt an Vertretungslehrern ist komplett abgegrast“, sagt auch Udo Weisshaar, Schulleiter des Tausgymnasiums. Es dauere zum Teil Wochen, bis Vertretungen gefunden werden. Innerhalb der Schule könne das kaum noch gestemmt werden. „Die Kollegen leisten dann die Mehrarbeit, aber eigentlich sind alle überlastet“, sagt Weisshaar. Noch dazu komme das ständige Springen zwischen Präsenz- und Fernunterricht. Auch wenn es für das Homeschooling mittlerweile gute pädagogische Konzepte und eine gute Ausstattung gibt, bedeute es für die Lehrkräfte immer die doppelte Arbeit. „Wir versuchen seit zwei Jahren, dass wir den Unterricht gut hinbekommen. Aber seit Weihnachten werden die Listen mit Infizierten immer länger und der Verwaltungsaufwand wird immer größer“, sagt er. Das koste unglaublich viel Zeit. Rückblickend hätte man den Schulen lieber Personal schicken sollen, das sich um das ganze Coronamanagement kümmert, statt viel Geld in das Rückenwind-Programm zu stecken. „Dann könnten wir uns endlich wieder auf unseren pädagogischen Auftrag konzentrieren“, meint Weisshaar.

Immer mehr Kindergartengruppen müssen geschlossen werden

Die Coronawelle macht auch vor den Kleinsten nicht halt, in den Kindergärten und Horten der Region sind die Infektionszahlen stark angestiegen. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu Schließungen von einzelnen Gruppen. Wie viele genau betroffen sind, kann das Landratsamt kaum sagen, die Lage ändere sich stündlich. In der vergangenen Woche war das aber zumindest in Kirchberg an der Murr der Fall. „Sobald es ein relevantes Ausbruchsgeschehen gibt, muss eine Gruppe zwangsläufig geschlossen werden“, erklärt Hauptamtsleiterin Hanna Selig. Ab welcher Zahl von Infektionen das der Fall ist, hat letztlich das Gesundheitsamt entschieden; die Zahl lag vor der neuen Regelung bei 20 Prozent.

Auch in vielen anderen Gemeinden hat die Omikron-Welle in den vergangenen Wochen für solche Schließungen gesorgt. Zum Beispiel waren in Unterbrüden gleich mehrere Einrichtungen betroffen. Zuerst musste der Hort komplett schließen, dann auch Gruppen im Kindergarten Stockrain und in dieser Woche waren nun auch im Kindergarten Brückenweg beide Gruppen betroffen. „Über die Kinder verbreitet sich das schon sehr schnell“, meint Hauptamtsleiterin Yvonne Bader. Nun soll es mit der neuen Quarantäneregelung ganze Gruppenschließungen aufgrund von Infektionen auch in Kindertagesstätten nicht mehr geben. Doch hier ist der Personalmangel ebenfalls ein Problem. Denn auch die Erzieher sind von Coronainfektionen betroffen. Und während die Kinder oft symptomlos sind, seien Erzieher auch mal länger krank. „Die Personaldecke ist also sehr dünn, es kommt immer wieder zu eingeschränkten Betreuungszeiten“, sagt Bader.

In den städtischen Kitas in Backnang ist das Infektionsgeschehen bisher noch recht durchschnittlich. In der vergangenen Woche wurden von etwa 1000 Kindern nur 14 Kinder positiv getestet, lediglich eine Gruppe von 56 Gruppen musste aufgrund eines relevanten Ausbruchsgeschehens komplett geschlossen werden. Trotzdem gibt es an drei städtischen Kitas Teilschließungen. „Aufgrund von krankheitsbedingtem Personalausfall sind sechs Kitagruppen von Teilschließungen betroffen“, sagt Pressesprecher Christian Nathan. Neun Mitarbeiter seien positiv getestet, weitere sieben Mitarbeiter befinden sich in Quarantäne.

Omikron belastet Schulen und Kitas
Neue Quarantäneregeln

Ausbruch Die Absonderung der gesamten Klasse oder Gruppe bei Vorliegen eines relevanten Ausbruchsgeschehens (entweder mehr als fünf Fälle oder 20 Prozent der Gruppe) findet seit Dienstag nicht mehr statt. Ausschließlich positiv getestete Kinder und Jugendliche müssen sich in häusliche Absonderung begeben.

Nachverfolgung Eine Kontaktpersonennachverfolgung und Absonderung ganzer Klassen oder Gruppen in den Einrichtungen sowie die Ermittlungen der Gesundheitsämter entfallen damit.

Begründung Für nicht positiv getestete Kinder und Jugendliche solle so eine durchgängige Beschulung beziehungsweise Betreuung aufrechterhalten werden. Zudem werde eine wiederholte Absonderung einer Klasse durch nachfolgend positiv getestete Schüler vermieden, schreibt das Landesgesundheitsamt.

Kritik „Die neuen Regelungen sehe ich mit Sorge“, kritisiert Landrat Richard Sigel. Zwar seien die Mitarbeiter im Gesundheitsamt angesichts der hohen Inzidenzen froh über jede Entlastung und viele Eltern seien auf eine funktionierende Betreuung angewiesen, „aber die praktische Umsetzung in Schulen und Kitas wird uns vor Probleme stellen“, so Sigel. Schließlich bedeutet eine Klassenschließung in der Regel nicht, dass alle Schüler in Quarantäne sind, sondern dass in den Fernunterricht gewechselt wird.

Ausnahmen Ob ein Hybridunterricht wirklich Sinn macht, wenn die Hälfte der Klasse mit Infektion zu Hause ist, bezweifelt auch Karin Moll. „In so besonders gelagerten Fällen werden in Absprache mit dem Schulamt wohl trotzdem ganze Klassen in den Fernunterricht gehen müssen.“ Sofern der Präsenzunterricht aus schulorganisatorischen Gründen nicht sichergestellt werden kann, sei das auch bei den neuen Regeln möglich.

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Erstellt:
3. Februar 2022, 06:00 Uhr

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