Tageseltern können Soforthilfe beantragen

Holger Gläss, Leiter des Kreisjugendamts, zur Bezahlung von Tageseltern in der Coronakrise

Tagesmütter und -väter dürfen zurzeit keine Kinder betreuen. Sie sind, wie alle anderen Kindertageseinrichtungen auch, durch die Coronaverordnung aus dem Arbeitsalltag genommen. Aber bekommen Tageseltern trotzdem noch ihr Geld? Holger Gläss, Leiter des Kreisjugendamts, gibt Antworten.

Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss ist auf der Suche nach Möglichkeiten, die Tageseltern in der Coronakrise helfen. Archivfoto: Landratsamt Rems-Murr

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Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss ist auf der Suche nach Möglichkeiten, die Tageseltern in der Coronakrise helfen. Archivfoto: Landratsamt Rems-Murr

Von Pia Eckstein

Herr Gläss, der Landesverband Kinderpflege Baden-Württemberg und die Tagesmüttervereine im Kreis haben Missstände angeprangert: Tageseltern bekämen zum Teil keine Lohnfortzahlung und stünden vor dem Existenzverlust. Sie dagegen sagten, die Tageseltern erhielten weiterhin Geld, obwohl sie im Moment keine Kinder betreuen. Könnten Sie diesen Widerspruch auflösen?

Alle Tagespflegepersonen, denen die Geldleistungen als Pauschalbetrag bewilligt wurden, bevor der Tagespflegevertrag geschlossen wurde, bekamen die kompletten Leistungen für März und April ausbezahlt. Und zwar in voller Höhe. Allerdings vorbehaltlich einer Rückforderung. Denn es kann sein, dass Tagespflegepersonen doch noch gegen Bund und Land Ansprüche geltend machen können. Die wären dann vorrangig. Aber: Alle, die die Form der Stundenabrechnung gewählt haben – das sind deutlich weniger als fünf Prozent aller Tageseltern –, haben bis jetzt noch keine Zahlungen erhalten. Bei dieser Form der Auszahlung werden am Monatsanfang die geleisteten Betreuungsstunden des Vormonats quasi als Rechnung beim Kreisjugendamt eingereicht und im Nachhinein ausbezahlt. Da keine Stunden angefallen sind, gab es keine Rechnungen. In dieser Weise betroffene Tageseltern könnten einen Vorschuss auf kommende Arbeitsstunden vom Kreisjugendamt erbitten. Das hat aber bislang niemand getan.

Wie viele Tageseltern stehen auf der Gehaltsliste des Jugendamts?

Derzeit betreuen im Rems-Murr-Kreis rund 360 Tagespflegepersonen etwa 1200 Kinder. Dafür wendet der Kreis etwas mehr als 600000 Euro an laufenden Geldleistungen für die Tagespflegepersonen im Monat auf.

Wie viele dieser Tageseltern sind von den genannten Gehaltskürzungen betroffen?

Das lässt sich pauschal leider nicht beantworten, weil sich alles noch ändern kann. Es kommen ja ständig neue Beschlüsse und Regelungen. Ich mache einen Versuch, es grob zu beantworten. Zunächst sind betroffen: die kleine Anzahl der Tageseltern, die sich für die Stundenabrechnung entschieden haben. Außerdem die Tagespflegepersonen, die zusätzlich zu den öffentlich geförderten Betreuungsverhältnissen noch private Betreuungsverträge mit Eltern haben. Bei privaten Betreuungsverträgen erfolgt keine öffentliche Förderung und somit auch keine Zahlung für die Schließzeit. Bei allen anderen sind, auf die Zukunft hin gesehen, verschiedene Szenarien denkbar: der Hinweis auf verschiedene Rettungsschirme, Kurzarbeitergeld, die Übernahme der Differenz zwischen staatlichen Hilfen und dem üblichen Pauschalbetrag durch den Kreis und vermutlich noch einiges mehr. Hierzu gibt es aber noch keine Entscheidung im Kreis.

Können Sie als Arbeitgeber für Tageseltern Kurzarbeit anmelden?

Nein. Das Landratsamt ist nicht der Arbeitgeber der Tageseltern. Der Großteil der Tagespflegepersonen ist selbstständig. Sie entscheiden im Gegensatz zu angestellten Erzieherinnen selbst darüber, welche Kinder sie betreuen, über den Umfang, die Art und den Ort der Betreuung. Dazu kommt ein kleiner Teil an Tagespflegepersonen, die bei den Eltern als Kinderfrau arbeiten, das heißt, die im Zuhause des Kindes betreuen. Es gibt auch Tagespflegepersonen – das Modell gibt’s bei den Tageselternvereinen Backnang und Welzheim –, die beim Verein angestellt sind. Hier nehmen die Eltern beziehungsweise die Vereine die Stellung des Arbeitgebers ein, mit allen Rechten und Pflichten. Die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist grundsätzlich nur Arbeitgebern möglich. Das heißt: Hier müssten die Familien oder die Vereine aktiv werden. Darüber hat der zuständige Fachbereich Ende März alle betroffenen Eltern per E-Mail informiert.

Könnten die Tageseltern sich um Zuschüsse für Selbstständige in Coronabedrängnis bewerben?

Ja, der Großteil der selbstständigen Tagespflegepersonen hat als Soloselbstständige Anspruch auf die Coronasoforthilfe des Landes Baden-Württemberg, wenn ein Liquiditätsengpass eingetreten ist. Der Landkreis prüft derzeit genau, welche der vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten von Bund, Land und Bundesagentur für Arbeit den Tageseltern zustehen. Diese helfen nicht nur die Landkreisfinanzen zu entlasten, sondern sind auch vorrangig in Anspruch zu nehmen. Aber die Regelungen müssen praktikabel für alle Seiten sein.

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Erstellt:
20. April 2020, 06:00 Uhr

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