Trotz Verbots wird weiter „spaziert“

Obwohl die Stadt unangemeldete Versammlungen bereits am 21. Dezember verboten hat, trafen sich gestern Abend rund tausend Menschen am Obstmarkt in Backnang zu einem „Spaziergang“, um gegen die Coronamaßnahmen zu protestieren. Die Polizei nahm Personalien auf.

Per Lautsprecher wiesen die Polizisten die „Spaziergänger“ darauf hin, dass es sich um eine illegale Versammlung handelte. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Per Lautsprecher wiesen die Polizisten die „Spaziergänger“ darauf hin, dass es sich um eine illegale Versammlung handelte. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Zunächst sah es nicht so aus, als ob der nunmehr vierte Corona-Protest-„Spaziergang“ in Backnang viel Zulauf bekommen würde. Gegen 18.15 Uhr standen erst wenige, vereinzelte Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Regenschirmen am Obstmarkt. Dafür waren ein halbes Dutzend Polizeibeamte vor Ort, drei Polizeiwagen parkten nahe der Volksbank. Weitere Beamte hatten sich in der Innenstadt verteilt – bereit, um einzugreifen, falls etwas passieren sollte.

Doch der Zug vom Obstmarkt durch die Uhlandstraße, die Grabenstraße, die Talstraße, über die Aspacher Brücke bis zum Annonaygarten und zurück verlief friedlich – und hatte am Ende noch deutlich größere Ausmaße als der vor einer Woche, an dem rund 500 Personen teilgenommen hatten. Die Polizei schätzte die Zahl der gestrigen „Spaziergänger“ auf rund tausend, wie Sprecher Holger Bienert mitteilte.

Unter den Demonstrierenden waren Menschen allen Alters; einige hatten Kinder und sogar Babys mitgenommen, andere führten Hunde mit, manche filmten den Zug mit ihrem Handy. So gut wie niemand trug eine Maske. Das war auch einer der Gründe, weshalb die Stadt am 21. Dezember unangemeldete Versammlungen verboten hatte: Denn auch bei dem „Spaziergang“ am 20. Dezember waren die Hygieneregeln nicht eingehalten worden. Die Teilnehmer hatten keine Masken getragen und keinen Abstand eingehalten – weder zueinander noch zu Passanten. Doch die Aufgabe der Stadt ist es, die Allgemeinheit vor einer möglichen Covid-19-Infektion zu schützen.

Dass sich trotz des Verbots wieder zahlreiche Menschen in Backnang zu einem „Spaziergang“ treffen würden, darauf waren das Rechts- und Ordnungsamt der Stadt Backnang und die Polizei gestern bereits vorbereitet. „Es hat sich abgezeichnet, dass eine Versammlung stattfinden würde“, so die Amtsleiterin Gisela Blumer. Die Polizei habe die sozialen Medien auch während der Feiertage ausgewertet und stehe in engem Kontakt mit der Stadtverwaltung. Zudem habe die Stadt nach der Aussprache des Verbots unangemeldeter Versammlungen bereits einige Anfragen von potenziellen „Spaziergangs“-Teilnehmern bekommen, „deshalb war bekannt, dass daran Interesse besteht“, sagte Blumer.

Ob man sich nicht mehr versammeln dürfe, war ihr zufolge die Frage, die am häufigsten gestellt wurde. Darauf hat die Amtsleiterin eine klare Antwort: Doch, darf man. Die Versammlungsfreiheit bestehe weiterhin, bestätigte sie: „Sie ist weder in der Coronaverordnung noch an anderer Stelle verboten.“ Allerdings muss eine Versammlung vorab bei der Ortspolizeibehörde – in dem Fall der Stadt Backnang – angezeigt werden. Da er nicht angemeldet war, war der gestrige „Spaziergang“ illegal. „Das wäre nicht der Fall, wenn sich rechtzeitig ein Verantwortlicher oder eine Verantwortliche bei der Stadt gemeldet und die Versammlung angezeigt hätte“, sagte Blumer.

Da die Teilnehmer des „Spaziergangs“ auch nach wiederholter Aufforderung der Polizei nicht von dem Rundgang durch die Innenstadt absahen, dokumentierten die Beamten das Geschehen mit Fotos und Filmaufnahmen. Damit werde später versucht, möglichst viele zu identifizieren, erklärte Polizeisprecher Holger Bienert. Auch kontrollierten die Polizisten zahlreiche Teilnehmer und nahmen Personalien auf. Die Anwesenden dürfen mit einer Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit rechnen.

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Erstellt:
28. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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