Verbotene Glühweinparty und andere Coronaverstöße

Einsprüche gegen Bußgeldbescheide landen beim Amtsgericht. Während andere Gerichte damit reichlich zu tun haben, hält sich der Aufwand in Backnang bislang in Grenzen.

Coronaverstöße landen oft vor Gericht. Symbolfoto: O. Akdeniz/Stock-Adobe

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Coronaverstöße landen oft vor Gericht. Symbolfoto: O. Akdeniz/Stock-Adobe

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Also wenn man schon zusammen mit seinen Freunden Glühwein trinken wolle, dann müsse man sich zuvor über die aktuellen Coronabestimmungen des Landes informieren, sagt die Richterin. Und was da gelte, das sei doch „bis zum Erbrechen durch alle Medien hindurch“ zu lesen. Aber da gibt es alle paar Tage etwas Neues. Was die Personenzahl derer, die zusammen sein dürfen, angeht, komme man ganz durcheinander. Sagt der Rechtsanwalt. Die Richterin bleibt dabei: Man müsse sich zuvor informieren, was denn aktuell gelte.

Letzteres ist offensichtlich nicht geschehen. Und ein Handwerker lädt im Januar dieses Jahres Kollegen und Freunde zu einem Umtrunk ein. Irgendwie wird die Party in einem Schrebergarten am Rande der Stadt ruchbar. Die Polizei schaut vorbei und macht der Sache ein Ende. Der Handwerker erhält einen Bußgeldbescheid der Stadt. Er nimmt sich einen Rechtsanwalt und legt Einspruch ein. So sieht man sich vor dem Amtsgericht wieder. Das heißt genau gesagt in äußerst dürftiger Besetzung. Der Empfänger des Bußgeldbescheids ist vom Erscheinen, so die Richterin, entbunden. Der Zeuge in der Angelegenheit, ein Polizist, ist erkrankt. Aber nicht genug damit. Als die Polizei die Glühweinparty aufmischte, nahmen die Beamten einen ihnen wohlbekannten Geruch war. Tatsächlich fand sich etwas Marihuana. Neben dem Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz drohte deshalb auch noch ein Verfahren wegen des Drogenbesitzes. Haarproben, durch die man den Konsum nachweisen kann, nicht zu wenige, so der Rechtsanwalt, habe sein Mandant abgeliefert. Alle negativ. Im Übrigen sei seinem Mandanten das Cannabis medizinisch verordnet worden.

Das zu entrichtende Bußgeld wird auf 75 Euro festgelegt

Man hatte ein Einsehen mit dem Beschuldigten und stellte das Verfahren zu dem Cannabisfund ein. Aber so lange das Verfahren in der Schwebe war, hatte die Führerscheinstelle Wind von der Sache bekommen und entzog dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis. Ein dramatischer Einschnitt, sagt der Rechtsanwalt, könne doch sein Schützling somit nicht mehr selbstständig seine Baustellen anfahren. Noch immer kämpft er, der Rechtsanwalt, darum, dass die Fahrerlaubnis wieder erteilt wird. Leider bisher vergeblich. Ende der sogenannten Beweisaufnahme. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger haben das Wort. Erstere signalisiert Verständnis für die Situation des Beschuldigten. Der Rechtsanwalt führt aus, dass angesichts der Sache mit dem Führerschein das Bußgeld wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetzes eine Kleinigkeit sei. Er bittet darum, „doch die Kirche im Dorf“ zu lassen. Sein Schützling sei durch die Führerscheinsache gestraft genug. Und auch das will er noch hinzufügen: Sein Mandant gehöre nicht zu den „Querdenkern“. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid werde hiermit, so der Verteidiger, auf die Rechtsfolgen beschränkt. Was das Bußgeld angeht: Allerhöchstens die Hälfte sei seinem Mandanten aufzubürden. Die Richterin hört’s geflissentlich, zieht sich kurz zur Urteilsfindung zurück. Kurz darauf das Urteil. Das zu entrichtende Bußgeld wird auf 75 Euro festgelegt. Zudem müsse der Beschuldigte die Kosten des Verfahrens tragen.

Fälle wie diese beschäftigen die Gerichte im Land immer wieder, seit es Coronaverordnungen gibt. Am Waiblinger Amtsgericht sind in diesem Jahr insgesamt 120 Bußgeldverfahren zusammengekommen. In Backnang hält sich die Sache in Grenzen. Genaue Zahlen sind nicht erhältlich. Und wenn ein Verfahren ansteht, das zeigt der wöchentliche Aushang der Gerichtsverfahren, hält sich der Zeitaufwand in Grenzen. Eine Stunde Verhandlungszeit wird im Allgemeinen pro Verfahren veranschlagt.

Wer Lust am Streiten hat, legt Einspruch ein

Meist geht es schneller. Oben geschildertes Verfahren dauerte ganze 18 Minuten. Die Waiblinger Richterkollegen müssen oft nervige Grundsatzdebatten führen. In Backnang unterbleiben solche Versuche bis jetzt. Und auch dies bringt Corona mit sich, dass es immer wieder Personen gibt, die meinen, das Gerichtsgebäude dürfe man ohne Masken betreten. Dubiose Atteste werden dann gerne vorgezeigt.

In Waiblingen behilft man sich damit, dass man Maskenverweigerer in einem gesondert gelegenen Zimmer „abfertigt“. In Backnang hat man bei Maskenverweigerung auch damit schon reagiert, den Einspruch gegen das Bußgeldverfahren schlicht und einfach zu verwerfen. Das heißt: Das Bußgeld ist vom Beschuldigten in der ursprünglich festgesetzten Höhe zu bezahlen. Was nicht heißen muss, dass damit die Verfahren erledigt sind. Wer Lust am Streiten hat, legt Einspruch ein und es geht in der nächsthöheren Instanz weiter.

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Erstellt:
10. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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