Verunsicherung beim Einkaufen mit Termin
„Darf ich überhaupt rein?“ Das fragen gerade viele Kunden, die bei Händlern einkaufen wollen. Seit gestern geht das nur noch mit Termin. Doch die Kunden sind verunsichert, was eigentlich gilt – nur sehr wenige vereinbaren einen fixen Termin. Bei vielen Läden ist aber auch die spontane Terminvergabe an der Tür möglich.

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Bei Markus Sammet vom Schwarzmarkt können Kunden sich direkt an der Tür für einen Termin eintragen und losshoppen. Foto: A. Becher
Von Kristin Doberer
BACKNANG. Seit Beginn der Coronapandemie prägen verschiedenste Schilder die Schaufenster von Geschäften in der Innenstadt: „Wir haben geschlossen“, „Wir haben wieder offen“, „Click and Collect“ und natürlich „Bitte Abstand halten“. Seit gestern hängen wieder ganz neue Schilder in den Schaufenstern. „Click and Meet“ (also klicken und treffen) ist das neue Konzept, das überall zu lesen ist. Denn seit der Rems-Murr-Kreis über der Inzidenz von 50 liegt, ist das Shoppen nur noch mit Termin möglich (siehe Infokasten). Aber zumindest am ersten Tag haben die wenigsten Kunden vor dem Einkaufen einen fixen Termin vereinbart. „Die Terminbuchung ist verhalten. Vielmehr schauen die Leute an der Tür vorbei und registrieren sich dann einfach spontan“, sagt Markus Sammet vom Bekleidungsgeschäft Schwarzmarkt. Dafür hat er die benötigten Formulare auch direkt an einem improvisierten Tisch am Eingang bereitliegen. Bis zu zehn Personen dürfen bei seiner Verkaufsfläche im Laden sein. Doch bei seiner Kundschaft seien die wieder neuen Regeln mit viel Unsicherheit verbunden. „Die Leute blicken da ja auch nicht durch. Viele stehen dann an der Tür und fragen: ‚Darf man überhaupt rein?‘“
Sehr gut war dafür das Geschäft am vergangenen Wochenende. Gerade weil so viel Unklarheit herrscht, seien noch viele Menschen einkaufen gewesen, erzählt Sammet. Die Stimmung sei sehr gut gewesen und es waren nicht nur Stammkunden da, sondern auch Menschen aus dem Umland. Zum Teil wohl auch solche aus Landkreisen, in denen die Geschäfte schon vorher auf Click and Meet oder sogar auf Click and Collect umgestellt hatten.
Termine gibt es telefonisch, per E-Mail, per Social Media oder online.
„Die Leute haben es einfach genossen, wieder richtig rauszukommen. Die vergangenen zwei Wochen, in denen wieder ganz normal geöffnet war, haben sehr gutgetan.“ Gerade für die Händler sei die Lage aktuell schwierig, da sie sich zwar an alle Hygienevorschriften sehr vorbildlich halten, bei steigenden Inzidenzen aber trotzdem immer von neuen und verschärften Maßnahmen getroffen werden. „Da geht es ja nicht nur ums Geld. Die Situation kostet auch Kraft und Energie.“
Bei großen Ketten wie H&M oder New Yorker läuft die Terminbuchung online, das Mutterunternehmen ermöglicht die Online-Buchung einfach direkt für Hunderte Filialen in ganz Deutschland über ein und dieselbe Buchungsseite. Bei den kleineren Händlern um die Ecke ist die Organisation der Termine aber ein weiterer Aufwand. Richtet man die Terminbuchung auf der Website ein, nimmt man die Termine schriftlich per E-Mail oder per Nachricht auf Social Media an oder doch über das Telefon? Die Backnanger Händler haben das ganz unterschiedlich gelöst. „Bei jeder neuen Maßnahme müssen wir immer wieder unsere Ankündigungen ändern, ob in Social Media oder in unserer Werbung“, sagt Sammet.
In seinem Laden kann man auf verschiedenen Wegen einen Shopping-Termin vereinbaren: Social Media, Telefon oder eben spontan und persönlich. Bei dem Backnanger Geschäft Etti Taschen wurde „Click and Meet“ recht spontan noch um ein „Ring and Meet“ ergänzt, die Kunden können direkt zum Geschäft kommen, an einer extra angebrachten Klingel klingeln und dann wird spontan geschaut, ob gerade noch Platz im Laden ist und ob jemand Zeit für die Beratung hat. Aber auch hier können alternativ Termine per E-Mail, Telefon oder über die Website vereinbart werden. Online können die Kunden sogar direkt angeben, welche Art von Beratung sie brauchen. So wird zum Beispiel für die Schulranzenberatung mehr Zeit eingeplant als für das gewöhnliche Taschen-Shoppen.
Marion Zens vom Wollgeschäft Wollin hat für die Regelung mit Terminen angesichts der Situation in großen Geschäften wie Drogerien oder dem Supermarkt nur wenig Verständnis. Gerade dort sei unglaublich viel los. Geschäfte, in denen es auch Wolle zu kaufen gibt. „Das ist eine Unverschämtheit. Ist das Virus in Wollgeschäften oder kleinen Parfümerien denn aggressiver?“, fragt die Inhaberin des Wollin. Dass sie nun Termine vereinbaren muss, während diese Geschäfte ganz normal aufhaben, sorgt bei ihr für Frust. Denn: Viele ihrer Kunden wüssten gar nicht genau, welche Regeln gerade gelten und ob man auch im Laden kaufen kann. „Der normale Shopper recherchiert ja nicht eine halbe Stunde, bevor er einkaufen geht, was gerade gilt. Die Regeln sollten bundesweit viel einheitlicher sein.“
Auch beim Bekleidungsgeschäft Brothers sind die Kunden gestern vor allem spontan gekommen. Nur sehr vereinzelt haben welche einen fixen Termin für die nächsten Tage vereinbart. „Im Moment geht das noch problemlos“, sagt Filialleiterin Daniela Fuchslocher. In dem Laden in der Uhlandstraße können zwei bis drei Kunden gleichzeitig shoppen, am ersten Tag musste sie noch keine Kunden wegschicken. „Schwierig wäre es dann, wenn Kunden einen Termin vereinbart haben und dann noch drei weitere vor der Türe stehen würden.“ Zumindest am Montag seien die Kunden aber noch sehr zurückhaltend gewesen. Trotzdem ist sie froh, dass überhaupt weiterhin Kunden in den Laden kommen können. „Lieber so als wieder Click and Collect.“ Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz im Rems-Murr-Kreis bei 71 Neuinfektionen pro 100000 Einwohnern. Sollte die Inzidenz über 100 Neuinfektionen steigen, wird die sogenannte Notbremse gezogen und selbst das Shoppen im Laden wäre wieder nicht erlaubt. „Das hat man natürlich ständig im Hinterkopf“, sagt Fuchslocher.
Markus Sammet will sich nicht unterkriegen lassen. Er hofft, dass es bald mehr Klarheit gibt und mit der Zeit auch alle Kunden wissen, dass sie sich auch bei Click and Meet im Laden umschauen, Kleidung anprobieren und einkaufen können.
Click and Collect: Bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 Neuinfektionen pro 100000 Einwohnern in einer Region treten ab dem zweiten darauf folgenden Werktag die Lockdown-Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft. Das bedeutet, die Geschäfte müssen wieder komplett schließen und dürfen nur vorbestellte Ware zum Abholen anbieten.
Click and Meet: Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 heißt es shoppen mit Termin. Hier ist es möglich, sich selbst im Geschäft umzusehen und zum Beispiel Kleidung anzuprobieren. Dabei müssen aber einige Regeln eingehalten werden: Es darf ein Kunde pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche bedient werden. Große Geschäfte dürfen also auch Termine an mehrere Personen gleichzeitig vergeben. Die Geschäfte sind verpflichtet, Kontaktdaten der Kunden aufzunehmen, damit im Fall einer Coronainfektion die Nachverfolgung möglich ist. Personen aus einem Haushalt dürfen gemeinsam zu einem Termin erscheinen. Maskenpflicht, Abstand und Hygieneregeln sind einzuhalten.