Vorbereiten auf die Impfpflicht

Ab dem 16. März gilt bundesweit die einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeberufen. Dadurch könnte es zu Betätigungsverboten für Mitarbeiter kommen. Die ohnehin schon angespannte Personalsituation wird dadurch noch stärker belastet.

Die Impfquote bei den Pflegenden liegt bei zirka 90 Prozent. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Impfquote bei den Pflegenden liegt bei zirka 90 Prozent. Archivfoto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Ab dem 16. März soll die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft treten. Das bedeutet, dass Beschäftigte in Kliniken oder der Pflege dann nachweisen müssen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Diese Teilimpfpflicht wurde bereits im Dezember beschlossen, man wollte ungeimpften Pflegenden aber noch etwas Zeit geben, um sich doch für eine Impfung zu entscheiden. Unter anderem hatten die Verantwortlichen auch gehofft, dass der Impfstoff von Novavax die Impflücke beim Pflegepersonal schließt. Bei der Diakonie Stetten zum Beispiel, die in der Region die Alexander-Stift-Einrichtungen betreibt, hat es deshalb in der vergangenen Woche einen zentralen Impftermin gegeben, bei dem erstmals auch Novavax angeboten wurde. Mittlerweile liegt in den Alexander-Stiften die Impfquote bei zirka 90 Prozent. „Die Quote der noch nicht geimpften Mitarbeiter schwankt derzeit je nach Bereich noch zwischen zwei Prozent und knapp 20 Prozent. Nach unseren letzten Erhebungen sind insgesamt rund 85 Prozent unserer Mitarbeiter in der Diakonie Stetten bereits geimpft beziehungsweise können den erforderlichen Nachweis vorlegen“, sagt Pressesprecher Steffen Wilhelm.

Impfquote bei Pflegenden deutlich über bundesdeutschem Schnitt

Damit liegt die Impfquote im Alexander-Stift im allgemeinen Schnitt bei den Pflegekräften. Auch in den Rems-Murr-Kliniken habe man eine ähnlich hohe Impfquote. „Aktuell liegen uns von 88 Prozent unserer Mitarbeiter die Nachweise vor, dass sie vollständig geimpft sind. Wir erwarten aber auch in diesen letzten Tagen vor Ablauf der Frist noch Vorlagen von Nachweisen“, sagt Anja Krehahn, Leitung Personal und Recht der Rems-Murr-Kliniken. Mit dieser Quote der Immunisierungsnachweise liege man schon deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt (75 Prozent). Mitarbeiter, die ihren Nachweis über eine Impfung, eine Genesung oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können, nicht bis zum 15. März vorlegen, müssen von ihrer Einrichtung an das Gesundheitsamt gemeldet werden (siehe Infobox). Die Gesundheitsämter übernehmen dann das weitere Verfahren und werden in jedem Einzelfall nach eingehender Prüfung über mögliche Tätigkeits- oder Betretungsverbote entscheiden.

„Das Thema belastet die betroffenen Mitarbeiter natürlich schon und wird bei uns auch diskutiert“, erzählt Steffen Wilhelm. Aber im Vordergrund stehe derzeit die Bewältigung des Alltags angesichts des starken Infektionsgeschehens auch in den Einrichtungen. „Hier erleben wir derzeit trotz aller Belastungen viel Solidarität und Zusammenhalt in der Mitarbeiterschaft, auch über die Bereichsgrenzen hinweg. Die Mitarbeiter machen einen super Job gerade und geben alles, um die Angebote für die Klienten und Bewohner trotz allem aufrechtzuerhalten.“

Ähnliches berichtet auch Heinz Franke, Vorstand der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis. In den vergangenen Wochen haben sich hier doch noch einige Mitarbeiter für eine Erstimpfung entschlossen. „Das passiert aber nicht aus Überzeugung, sondern zum Teil einfach, um den Arbeitsplatz zu behalten“, sagt Franke. Außerdem sei es den Mitarbeitern auch unglaublich wichtig, ihre Arbeit im Hospiz fortsetzen zu können und die Bewohner weiter gut zu versorgen, erzählt er. Auch im Hospiz gebe es mittlerweile eine Impfquote von rund 90 Prozent. Und die Mitarbeiter, die sich auch jetzt noch nicht für eine Impfung entschieden haben, seien vor Kurzem mit Corona infiziert gewesen und haben nun den Genesenennachweis. Vorerst sieht er die Versorgung der Bewohner also nicht gefährdet. „Aber damit ist die Sache ja nur um drei Monate verschoben“, meint Franke. Als Problem sehe er aktuell vielmehr, dass die allgemeine Überzeugung zum Thema Impfung angesichts der Omikron-Welle sinke. Immer wieder sei es nun vorgekommen, dass auch Geboosterte positiv getestet wurden. „Durch Omikron wird die Impfpflicht zunehmend hinterfragt.“

Ausfälle würden die angespannte Personalsituation verschärfen

Die Teilimpfpflicht hat schon einiges an Kritik hervorgerufen. Unter anderem warnt der Deutsche Pflegerat vor Betreuungsproblemen wegen Personalausfalls. Das befürchtet man auch im Alexander-Stift. „Wenn es zu einem impfpflichtbedingten Ausfall von Mitarbeitern kommt, würde uns das vor große Probleme stellen. Denn das wäre ein zusätzlicher Faktor, der unsere ohnehin schon angespannte Personalsituation noch weiter verschärfen würde“, sagt Steffen Wilhelm. Den Fachkräftemangel habe man auch hier schon vor Corona deutlich gespürt. Nach mittlerweile zwei Jahren Pandemiezeit und vier Coronawellen seien die Mitarbeiter sehr erschöpft – zusätzlich treffe die Omikron-Welle die Pflegeeinrichtungen derzeit wieder sehr hart. „Wir haben aktuell wieder mit vielen krankheits- und quarantänebedingten Ausfällen zu kämpfen und dadurch an einigen Stellen auch jetzt schon große Mühe, die Angebote aufrechtzuerhalten.“

Auch Kritik gibt es vom Allgemeinmediziner und Pandemiebeauftragten des Kreises, Jens Steinat: „Ich halte es für eine ethische Verpflichtung, wenn man einen Gesundheitsberuf gewählt hat, sich impfen zu lassen.“ Die sektorenbezogene Impfpflicht sieht der Mediziner jedoch skeptisch: „Ich halte es für fragwürdig, medizinisches Personal zur Impfung zu verpflichten, aber die Patienten oder zu Pflegenden nicht. Ehrlicher wäre eine allgemeine Impfpflicht oder alternativ eine altersbezogene Impfpflicht“, sagt Steinat. Nicht zuletzt sieht er Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung, dies sei eine „schier nicht leistbare Aufgabe für das öffentliche Gesundheitswesen“.

Kontrolle der Impfpflicht

Leitfaden Um die Kontrolle der einrichtungsbezogenen Impflicht einheitlicher zu gestalten, hat das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg einen Handlungsleitfaden für Einrichtungen und Gesundheitsämter herausgegeben.

Einrichtungen Demnach müssen Mitarbeiter ihren Nachweis oder die Befreiung bis zum 15. März bei der Einrichtungsleitung vorlegen. Legt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter keinen Nachweis vor oder gibt es Zweifel an der Richtigkeit des Nachweises, werden dessen Daten von der Einrichtungsleitung an das zuständige Gesundheitsamt weitergegeben. Werden die Daten nicht weitergegeben, muss die Einrichtung ein Bußgeld zahlen.

Gesundheitsamt Die Gesundheitsämter arbeiten die Fälle dann ab. Betroffene werden zunächst aufgefordert, die geforderten Nachweise innerhalb einer angemessenen Frist – etwa zwei Wochen – zu erbringen. Wird innerhalb dieser Frist mitgeteilt, dass mit einer Impfserie bereits begonnen worden ist, oder wird Impfbereitschaft signalisiert, so wird von den Gesundheitsämtern innerhalb einer weiteren Frist Gelegenheit gegeben, die Impfung zu vervollständigen und entsprechende Nachweise vorzulegen.

Strafen Wird kein Nachweis vorgelegt, können Betätigungs- oder Betretungsverbote ausgesprochen werden. Die Gesundheitsämter haben hier aber einen Ermessensspielraum, es können einzelfallbezogene Entscheidung getroffen werden. Außerdem kann auch ein Bußgeld verhängt werden.

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Erstellt:
10. März 2022, 06:00 Uhr

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