Vorkehrungen für eine zweite Welle

Für den Fall, dass die Zahl der Coronainfektionen von Neuem stark ansteigt, bereitet der Rems-Murr-Kreis die erforderlichen Strukturen vor. Insbesondere soll die enge Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden fortgesetzt werden.

Zwar sind die aktuellen Coronainfektionszahlen denkbar niedrig, dennoch sei eine zweite Welle nicht auszuschließen, heißt es vom Landratsamt. Archivfoto: B. Büttner

© Benjamin Büttner

Zwar sind die aktuellen Coronainfektionszahlen denkbar niedrig, dennoch sei eine zweite Welle nicht auszuschließen, heißt es vom Landratsamt. Archivfoto: B. Büttner

WAIBLINGEN (pm). Aktuell sind die Zahlen niedrig: In den letzten sieben Tagen gab es lediglich 25 Neuinfizierte im Rems-Murr-Kreis, erstmals seit Wochen gab es Tage ohne neue Infektionen. Doch noch ist nicht klar, wie sich die weitreichenden Lockerungen der Coronaverordnung auswirken und inwieweit sich die Menschen zukünftig noch an Kontaktbeschränkungen halten. Die Zahlen könnten wieder steigen, eine zweite oder gar dritte Welle ist nicht auszuschließen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat daher mit Vertretern der Landkreise, der Oberbürgermeister der kreisfreien Städte und Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände das weitere Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung besprochen. Er betonte dabei ebenso wie Sozialminister Manfred Lucha und Innenminister Thomas Strobl, dass die Lockerungen ein umfassendes Monitoring auf lokaler Ebene erfordern. Wenn dort Infektionsereignisse auftreten, müssten diese schnell eingedämmt werden. Es seien insbesondere die Gesundheitsämter in den Landkreisen gefragt, sagte er.

Das Land sieht in den Landratsämtern und Bürgermeisterämtern leistungsfähige Behörden für diese Aufgaben, die jeden neuen Infektionsherd schnell erkennen, eingrenzen und bekämpfen. Zudem müsse man vor Ort ein Nachverfolgen der Infektionswege schnell und lückenlos sicherstellen und sofort entsprechende Maßnahmen einleiten können. Das Land hat ein dreistufiges Ampelkonzept vorgegeben, nach dem bei 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner lokale beziehungsweise regionale Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen werden sollen.

Auf dieses Szenario bereitet sich der Rems-Murr-Kreis gemeinsam mit den Städten und Gemeinden vor. Bereits vor der Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten haben sich das Landratsamt und die 31 Bürgermeisterämter auf Eckpunkte geeinigt, um die Nachverfolgung von Kontaktpersonen auch nach neuen Vorgaben bei einer möglichen erneuten Zunahme der Coronafälle sicherzustellen.

„Das Virus lässt sich nur im Verbund bekämpfen.“

Zur Vorbereitung auf eine mögliche zweite Welle werden – wie von Bund und Land gefordert – neue Teams zur Kontaktpersonenermittlung geschaffen. Im Rems-Murr-Kreis werden 20 Teams mit jeweils fünf Personen eingerichtet, die für je rund 20000 Einwohner zuständig sind. Die Teams sind mit Personal des Gesundheitsamts sowie der Ortspolizeibehörden gemischt besetzt. Ein weiteres Team soll sich speziell um besondere Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und Kliniken kümmern. Sollte es örtlich zu besonders vielen Infektionen kommen, können sich benachbarte Teams gegenseitig unterstützen. Sollten die Fallzahlen wieder deutlich ansteigen und die Ampel gelb werden, wird zudem ein gemeinsamer Krisenstab aus Kommunen und Landkreis gebildet, der über das weitere Vorgehen entscheidet.

„Wir müssen die aktuell ruhige Phase nutzen, um uns zu wappnen. Die großen Kreisstädte sind zwar personell und strukturell sehr leistungsfähig, aber die Bekämpfung einer Pandemie ist auch für uns eine neue, nie da gewesene Herausforderung, die nur im Schulterschluss und in enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden gelingt. Wir haben bei der Kontaktverfolgung, der Kommunikation mit den Infizierten und deren Betreuung bereits vielfältig unterstützt und zahlreiche Aufgaben übernommen, die auch unsere Mitarbeiter zeitlich stark in Anspruch nehmen. Das Virus lässt sich aber nur im Verbund bekämpfen, daher setzen wir die enge Zusammenarbeit und Vernetzung in bewährter Weise jetzt fort“, betont Oberbürgermeisterin Gabriele Zull, Sprecherin der Oberbürgermeister im Rems-Murr-Kreis.

„Die Ermittlung von Kontaktpersonen zur Eindämmung des Virus hat bisher sehr gut funktioniert. Dies wäre ohne die Unterstützung der Städte und Gemeinden nicht leistbar gewesen. Die Gesundheitsämter leiden seit Jahren an einem personellen Mangel, der auch kurzfristig und entgegen allen Ankündigungen und Versprechungen nicht ausgeglichen werden kann. Es wäre zudem auch unwirtschaftlich, dauerhaft das für eine Krisenbewältigung und Kontaktnachverfolgung notwendige Personal vorzuhalten. Die enge und unbürokratische Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden war daher einer der Erfolgsfaktoren bei der Bekämpfung des Coronavirus und soll fortgesetzt werden“, sagt Landrat Richard Sigel. Er hofft zudem, dass die angekündigten technischen Unterstützungen wie etwa eine Corona-App oder eine bessere Softwarelösung in der Gesundheitsverwaltung endlich kommen.

„Wir bereiten uns auf einen möglichen Wiederanstieg der Zahlen vor und schaffen jetzt gemeinsam mit dem Landkreis die notwendigen Strukturen. Insbesondere die Kontaktnachverfolgung ist vor Ort schneller und schlagkräftiger, weil für diese organisatorische Aufgabe die Kenntnis der örtlichen Strukturen und Netzwerke im Dorf oder in der Stadt zentrale Voraussetzung sind. Hier greift die Arbeit des Gesundheitsamts und der Städte und Gemeinden zukünftig noch enger ineinander. In der Krisenbewältigung gilt noch mehr als im Normalzustand: Die Anwendung von Regelungen und die Umsetzung von Maßnahmen ist kommunal am besten aufgehoben. Es ist ein starkes Signal, dass nun alle 31 Städte und Gemeinden diese zusätzliche Last der Amtshilfe für das Gesundheitsamt einmütig und freiwillig übernehmen – im Notfallmechanismus sogar noch verstärkt“, so Thomas Bernlöhr, Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung.

Eine gemeinsame Forderung und Reaktion des Landkreises und der Städte und Gemeinden auf die jüngste Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten besteht darin, dass das Land auch die notwendige Unterstützung gewähren soll. Die kommunale Familie sei weiterhin gerne bereit, ihren Beitrag zur Eindämmung von Neuinfektionen zu gewährleisten und die Rückkehr zur Normalität abzusichern, aber nicht auf eigene Kosten. Es reiche nicht aus, wenn das Land Dank und damit verbunden hohe Erwartungen an die kommunale Familie formuliert. Man werde weiterhin das Krisenmanagement ganz praktisch umsetzen, erwarte aber vom Land umgekehrt auch die notwendige Unterstützung. Eine schnelle Stärkung der Gesundheitsämter und auch weitere finanzielle Hilfen für die Städte und Gemeinden seien wichtig.

Die bisherigen Soforthilfen über 200 Millionen Euro und die jüngst angekündigten Liquiditätshilfen in Höhe von 500 Millionen Euro seien letztlich kein Beitrag, die hohen Steuer- und Gebührenausfälle der Städte und Gemeinden zu kompensieren, und trügen auch nicht dazu bei, die Kosten, die durch die Pandemie bei der kommunalen Familie entstehen und entstanden sind, zu decken.

Die Coronaampel

Bund und Land haben beschlossen, dass in den Landkreisen die Zahl der Neuinfizierten im Zeitraum von sieben Tagen entscheidend ist für eine mögliche Rücknahme der Lockerungen. Der Grenzwert (rote Ampel) liegt bei 50 Neuinfizierten je 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Bereits ab 35 Neuinfizierten springt die Ampel auf Gelb. Für den Rems-Murr-Kreis mit seinen 426635 Einwohnern bedeutet dies: Bis 150 Neuinfizierte in sieben Tagen ist die Ampel grün, zwischen 151 und 212 gelb, ab 213 rot.

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Erstellt:
2. Juni 2020, 06:00 Uhr

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