Wieder kein Schwimmunterricht

Etwa 25 Prozent der Schüler im Kreis können am Ende ihrer Grundschulzeit nicht richtig schwimmen. Bereits vor Corona waren Lehrermangel und enge Zeitfenster ein Problem. Durch die Pandemie gibt es nun kaum Nachholmöglichkeiten für die Kinder.

Obwohl Schwimmunterricht trotz Lockdown light für die Schulen erlaubt wäre, findet im Moment keiner statt. Symbolfoto: unsplash

© sydney Rae

Obwohl Schwimmunterricht trotz Lockdown light für die Schulen erlaubt wäre, findet im Moment keiner statt. Symbolfoto: unsplash

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Seit Anfang November sind die Schwimmbäder nach der neuen Coronaverordnung wieder geschlossen. Trotzdem erlaubt wäre zwar der Schwimmunterricht für Schulen, doch der kann im Moment zumindest in Backnang gar nicht stattfinden. „Wir haben uns mit der Stadt darauf verständigt, dass das Schulschwimmen generell nicht stattfindet“, sagt Betriebsleiter Ricardo Haas. Durch die fehlenden Einnahmen im Lockdown sei es wirtschaftlich nicht sinnvoll, die Becken extra für den Schwimmunterricht auf eine Temperatur zu bringen, in der die Schüler gut schwimmen können. „Außerdem war auch die Meinung bei den Schulen geteilt. Die Hälfte wollte Schwimmunterricht stattfinden lassen, die andere aber ohnehin nicht.“

Genau die Überlegung gab es auch an der Schillerschule, hier hatte man sich zunächst dafür entschieden, den Unterricht im Hallenbad auch unter Pandemiebedingungen durchzuführen, doch der Lockdown light hat diese Pläne noch mal verändert. „Bei der Entwicklung der Infektionszahlen können und wollen wir als Schule unsere Schüler nicht diesem extremen Risiko aussetzen“, sagt der an der Schule zuständige Schwimmlehrer Maximilian Fritz. Die Schule sehe eine potenzielle Gefahr der Ansteckung, da unter anderem zeitgleich Schwimmunterricht von Schülern einer anderen Schule stattfinden würde. Das ist unter den vorherrschenden Auflagen gar nicht erlaubt. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sowohl die Schulleitung als auch wir Schwimmlehrer sehen es als sehr wichtig an, dass die Kinder vor dem Verlassen der Grundschule das Schwimmen erlernen oder verbessern.“ Aber das oberste Ziel sei es, die Schüler zu schützen. Auch wolle man unbedingt eine erneute Schulschließung oder einzelne Klassen in Quarantäne vermeiden.

Kinder sind durch die Schließungen stark benachteiligt.

Der Schwimmlehrer ist davon überzeugt, dass zumindest die letztjährigen Viertklässler durch die Schließungen im Frühjahr definitiv stark benachteiligt waren. „Viele Kinder waren mitten im Lernprozess, als der Lockdown kam“, erklärt Fritz. Dabei war es schon vor Corona nicht mehr selbstverständlich, dass alle Kinder schwimmen lernen. Bundesweite Umfragen haben ergeben, dass nur etwa die Hälfte der Zehnjährigen richtig schwimmen kann. Dabei sollten Schüler nach Abschluss der Grundschule eigentlich etwa auf Basisstufe schwimmen können. Eine Umfrage an den Grundschulen im Rems-Murr-Kreis ergab etwas bessere Zahlen. 75 Prozent der Grundschüler würden laut den Befragten die Basisstufe erreichen. Von den 88 Schulen, die an der Erhebung teilgenommen haben, haben 68 Prozent angegeben, Schwimmunterricht in mindestens einer Klassenstufe zu geben. Die Schulen, in denen es keinen Schwimmunterricht gibt, erklären, dass es entweder an der großen Entfernung zu einem Schwimmbad liege oder an dem schwierigen Transfer dorthin. Einige wenige geben auch einen Mangel an geeigneten Lehrern als Grund an. Zusätzlich zu diesem Problemen kommt nun noch die Coronapandemie.

Können die Kinder das Verpasste überhaupt noch nachholen? „Das hängt von mehreren Faktoren ab“, sagt Thomas Frey, Vorsitzender der DLRG in Backnang. „Es kommt jetzt vor allem auf die Eltern an. Die müssen Interesse daran haben, dass ihre Kinder schwimmen lernen, und die Sinnhaftigkeit der Kurse verstehen.“ Das Problem dabei: Schon vor Corona gab es lange Wartezeiten bei den Schwimmkursen der DLRG, mittlerweile beträgt die Wartezeit etwa ein Jahr. Die Schwimmkurse, die im Frühjahr unterbrochen werden mussten, konnten zwar im Sommer beendet werden, allerdings mit etwa sechs Wochen Verspätung. Wann die nächsten Kurse überhaupt stattfinden können, ist im Moment noch unklar.

Haas hofft, dass im neuen Jahr wieder Kurse vom Wonnemar angeboten werden können – die im Frühjahr ausgefallenen Schwimmkurse konnten im Sommer gut nachgeholt werden. „Wir hoffen, dass das wieder so klappt. Wir haben geplant, die eigentliche Winterpause ausfallen zu lassen und da die fehlenden Stunden nachzuholen“, so der Betriebsleiter des Hallenbads. Das wäre aber nur möglich, wenn die Schwimmbäder im neuen Jahr wieder öffnen dürfen. Thomas Frey sieht in den fehlenden Kursen durchaus ein Problem: „Wir sind heute nicht mehr in der glücklichen Lage, dass viele Kinder schon schwimmen können.“ Mehr Schwimmkurse könne man auch nicht anbieten, sobald die Bäder wieder geöffnet sind, dafür fehlen sowohl die ehrenamtlichen Trainer als auch die Kapazität in den Schwimmbädern. Eine Zusammenarbeit mit den Schulen wäre natürlich wünschenswert, sei aber gar nicht machbar. „Wir sind alles Ehrenamtliche. In den Zeiten, in denen die Schulen Schwimmunterricht haben, sind unsere Mitglieder auf der Arbeit, in der Schule oder an der Uni.“

Annedore Bauer-Lachenmaier von der Plaisirschule glaubt nicht, dass die Schüler das entstandene Defizit bei der Schwimmfähigkeit wieder aufholen können. „Es gibt bestimmt zwei bis drei Jahrgänge, die nun schlechter schwimmen können.“ Denn auch für die Eltern gebe es durch die geschlossenen Schwimmbäder und die im Sommer überlaufenen Freibäder und Seen kaum eine Möglichkeit, ihren Kindern das Schwimmern selbst beizubringen. Zwar hat die Rektorin versucht, den Schwimmunterricht zu Beginn des Schuljahres aufrechtzuerhalten – mit kleineren Gruppen und mehr Personalaufwand – doch das sei durch den erneuten Lockdown hinfällig geworden. „Aber das ist gerade eines der kleineren Probleme“, so die Rektorin. Sie macht sich viel mehr Sorgen um die sozialen Folgen der Pandemie und inhaltliche Defizite durch das Fernlernen. „Manche Schüler waren seit März nicht mehr in der Schule, immer wieder müssen Klassen in Quarantäne.“ Dabei sei es bei einigen Schülern schwer, sie zu Hause zu erreichen.

Gernot Gruber will als sportpolitischer Beauftragter der SPD-Landtagsfraktion aber weiterhin an dem Thema dranbleiben: „Wichtig ist es, dass alle Kinder schwimmen lernen.“ In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnten rund 90 Prozent der zehnjährigen Kinder schwimmen, „das müssten wir doch wieder schaffen können“. Dass dieses Ziel nun durch die Pandemie noch weiter wegrückt, ist ihm bewusst. Auch deshalb will er sich für das Thema weiter starkmachen. „Die Pandemie hat den Schulsport und Schwimmunterricht natürlich vor große Herausforderungen gestellt, und so wird es im nächsten Jahr auch Nachholbedarf beim überlebenswichtigen Thema Schwimmenlernen geben“, so Gruber. Umso wichtiger sei es, dass die Schwimmbäder erhalten und das Engagement der Schulen und der Lehrer unterstützt werden sowie die Zusammenarbeit von Schulen und Schwimmvereinen gefördert wird.

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Erstellt:
24. November 2020, 06:00 Uhr

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