Zum Schutz der anderen

Mal selbst gemacht, mal eingekauft: Immer mehr Menschen tragen einen Mundschutz  –  Die Regel ist das allerdings noch nicht

Einen Mundschutz zu tragen, wird von vielen Stellen – darunter die Bundesregierung und das Robert-Koch-Institut – dringend empfohlen. Noch wird aber vielerorts davor zurückgescheut, dies vorzuschreiben. Wir haben uns in Backnang umgesehen und Maskenträger gefragt, wie es ihnen damit ergeht. Wer selbst eine Behelfsmarke herstellen möchte, findet hier ein Schnittmuster und in der Infobox eine Anleitung dazu.

Menschen mit Mundschutz – das ist derzeit kein ungewöhnlicher Anblick mehr. Schornsteinfegerin Jasmin Wieske (links) trägt eine P3-Profimaske, auch damit sich ihre Kunden sicher fühlen. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Menschen mit Mundschutz – das ist derzeit kein ungewöhnlicher Anblick mehr. Schornsteinfegerin Jasmin Wieske (links) trägt eine P3-Profimaske, auch damit sich ihre Kunden sicher fühlen. Fotos: A. Becher

Von Renate Schweizer

BACKNANG. Melissas Mundschutz ist altrosa mit himmelblauen Blümchen. Sie hat ihn selbst genäht. Die junge Frau ist in der Modebranche beschäftigt, man sieht’s. „Ich hab eine Menge davon hergestellt und im Freundeskreis verschenkt“, erklärt sie fröhlich, „aber inzwischen gibt’s auch kein Gummiband mehr zu kaufen. Ich wollte im Internet welches bestellen, Lieferung wieder ab Ende Mai und die kleinen Läden, die vielleicht noch welches hätten, haben ja zu.“ Tatsache, da ist Fantasie gefragt – wer nicht zu Schwarzmarktpreisen einen FFP-Mundschutz erwerben will oder kann, muss sich was einfallen lassen. „Ich habe einen Waschlappen zerschnitten und Gummibänder angenäht, das war ganz einfach“ erzählt eine Frau, „aber dann ist mir das Ding ausgerechnet an der Baumarktkasse vom Gesicht gefallen.“ Das kann dem Wochenmarktbesucher mit dem Schlauchschal über der unteren Gesichtshälfte nicht passieren: „Den trag ich sonst im Winter beim Fahrradfahren oder Langlaufen. Hier auf dem Markt im Freien und mit so viel Abstand halt ich ihn eigentlich nicht für nötig. Aber im Supermarkt schon.“ Er kauft für die Schwiegereltern mit ein und nicht alles, was die brauchen, ist auf dem Markt zu haben. Im Discounter am Samstagvormittag ist Mundschutz trotzdem die Ausnahme. Ansonsten sind die Spielregeln bekannt und inzwischen Alltag: Die Menschen halten Abstand, viele tragen Einmalhandschuhe, niemand ist ohne Einkaufswagen unterwegs. Mundschutz? Eher Fehlanzeige.

 Sophie Pröhl hat beim Einkaufen eine Stoffmaske auf.

© Alexander Becher

Sophie Pröhl hat beim Einkaufen eine Stoffmaske auf.

Am Nachmittag in einem anderen Supermarkt ist das Bild schon ein anderes: Geschätzt ein Drittel der Kundschaft trägt Mundschutz. „Zugegeben, ein bisschen unangenehm find ich’s schon“, sagt Sophie Pröhl. Sie ist mit dem Bollerwagen losgezogen und versorgt ihre Familie und die Schwiegereltern mit Waren aus dem Hofladen. „Beklemmend irgendwie“, beschreibt sie das Tragen des Mundschutzes. „Ich weiß, dass ich genügend Luft bekomme – aber dieses Durch-Stoff-Atmen fühlt sich doch irgendwie eng an.“ Ein Mann kämpft mit seiner sich beschlagenden Brille. „Immer wenn ich spreche, beschlägt die Brille und ich steh im Nebel“, lacht er. „Wäre ein Argument, jetzt öfter mal den Mund zu halten...“ Ein anderer hält von der neuen Praxis nicht viel: „Mir ist die ganze Bedrohung zu abstrakt. Ich kenne keinen einzigen Menschen persönlich, der die Krankheit hat. Wen schütz ich denn wovor, wenn ich Mundschutz tragen würde?“ Leichter tut sich, wer fest vom Sinn des Mundschutztragens überzeugt ist. „Ich wäre sofort für die Einführung einer Mundschutzpflicht“, erklärt ein dynamischer Jungrentner. „Risikogruppe hin oder her – man trägt es ja nicht, um sich selbst zu schützen, sondern für die anderen. Wenn alle Mundschutz tragen würden, wären alle vor Ansteckung geschützt – so einfach ist das. Da muss man sich nicht so anstellen.“ Muss man nicht, aber manche tun’s doch. Jasmin Wieske kann ein Lied davon singen. Sie ist Schornsteinfegerin und in diesen Tagen natürlich mit Mundschutz unterwegs beim Kaminkehren. „Da muss ich mir schon einiges an Witzen anhören“, erzählt sie ganz vergnügt, „aber viele freuen sich auch und wir wollen doch, dass sich unsere Kunden sicher fühlen. Die paar, die’s lächerlich finden, halt ich locker aus. Aber das mit der Brille stimmt, meine beschlägt auch immer, obwohl ich eine P3-Profimaske trage.“

Es ist eine Momentaufnahme – wie immer in diesen bewegten Zeiten. So war’s am Samstag. Am Montag, wenn’s in der Zeitung steht, ist vielleicht schon wieder alles ganz anders.

Zum Schutz der anderen
Info
Nähanleitung für eine Behelfsmaske

Material:

PUL-Stoff (Polyurethane Laminated), wasserdicht, atmungsaktiv und elastisch, zwei Stücke jeweils 15 mal 13 Zentimeter groß

Für die Maskeninnenseite bunten Baumwollstoff, zweimal 15 mal 13 Zentimeter

Als Innenfutter eigenen sich alte gewaschene Leintücher oder Ähnliches, ebenfalls zweimal 15 mal 13 Zentimeter

Gummiband 0,5 Zentimeter breit und zweimal 20 Zentimeter lang (oder alternativ elastischen T-Shirt-Stoff)

Nähgarn

Hannah Bachmann, eine Näherin aus Winterbach, rät, erst einmal bei lokalen Bastel- und Stoffläden nachzufragen, ob diese das Material beschaffen können.

Anleitung:

1.Bunten Baumwollstoff und Stoff fürs Innenfutter jeweils zweimal nach Schnittvorlage zuschneiden.

2.Stofflagen wie folgt aufeinanderlegen:

einmal Innenfutter

zweimal bunten Stoff (rechts auf rechts, das heißt, die bedruckte Seite nach innen aufeinander)

einmal Innenfutter

3.Zusammenstecken, von oben und unten zusammennähen/zusteppen und in der Mitte eine Öffnung lassen. Als Nahtzugabe einen Zentimeter Platz lassen. (In die Öffnung kann man später eine weitere Lage Material schieben, die Feuchtigkeit aufnimmt wie ein Tempo oder eine Damenbinde.)

4.Die PUL-Textilie nach Schnittvorlage zuschneiden. Rechts auf rechts legen (damit die bedruckten Seiten aufeinanderliegen) und an der Rundung im Abstand von einem Zentimeter zusteppen.

5.Die zwei genähten Teile so aufeinanderlegen, dass die jeweils bedruckten Seiten nach außen schauen (links auf links). Mit Zick-Zack-Stich (oder mit der Overlock-Maschine) zusammennähen.

6.Die Gummibänder von hinten annähen (Zick-Zack-Stich). Diese werden beim Träger über die Ohren gestülpt.

7.Links und rechts wie im Schnittmuster eingezeichnete Falte legen, stecken und feststeppen, damit die Maske über Mund und Nase passt.

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Erstellt:
20. April 2020, 06:00 Uhr

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