Zwischen Erleichterung und Vorsicht

Die strikten Besuchsverbote in Senioren- und Pflegeheimen wurden gelockert. Freunde und Verwandte können den Bewohnern nun wieder Besuche abstatten – dabei gelten ganz besondere Vorsichtsmaßnahmen.

Check-up vor dem Treffen mit den Bewohnern im Haus Elim in Erbstetten. Mitarbeiterin Monika Ulmer misst die Temperatur von Besucherin Christa Rosenberger, bevor sie in den Besuchsraum darf. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Check-up vor dem Treffen mit den Bewohnern im Haus Elim in Erbstetten. Mitarbeiterin Monika Ulmer misst die Temperatur von Besucherin Christa Rosenberger, bevor sie in den Besuchsraum darf. Foto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

BACKNANG/BURGSTETTEN. „Durch die Entscheidung ist bei uns einfach ein Knoten geplatzt“, sagt Heike Schneider vom Pflegeheimträger Dienste für Menschen, der auch das Backnanger Seniorenheim Haus am Berg betreibt. „Wir spüren vor allem eine große Erleichterung, bei Pflegern, Bewohnern und Angehörigen. Aber die Sorge ist trotzdem ständig da.“ Aufgrund des Alters und der Vorerkrankungen, die viele Heimbewohner haben, zählen sie zur absoluten Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf im Fall einer Coronavirusinfektion, weshalb in den vergangenen Monaten keine Besuche erlaubt waren.

Seit dem 18. Mai sind die Senioren- und Pflegeheime nun wieder für Besucher geöffnet. Das Land Baden-Württemberg hat für die Besuche einige Regeln aufgestellt (siehe Infokasten). Diese können von den Pflegeeinrichtungen aber noch weiter ausgebaut und so an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Sie sollen dadurch auf die Personalkapazität, die Räumlichkeiten vor Ort und den Zustand der jeweiligen Bewohner eingehen können. Deshalb unterscheiden sich die Konzepte der jeweiligen Einrichtungen auch ein wenig.

Im Haus Elim zum Beispiel, das unter anderem Einrichtungen in Auenwald und Burgstetten betreibt, dürfen Besucher nur dann das Heim betreten, wenn sie sich einem Check-up unterziehen, also einer Temperaturmessung zustimmen und einige Nachfragen zu möglichen Symptomen beantworten. Bereits seit Anfang März gibt es hier einen Krisenstab, der sich mindestens einmal die Woche trifft, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben und die Regelungen an die aktuelle Lage anzupassen.

Fiebermessung, Daten und Maske sind Voraussetzungen.

Insgesamt gehe das Haus Elim sehr vorsichtig mit den Lockerungen um. „Wir freuen uns natürlich, dass wieder Begegnungen stattfinden können, aber wir wollen das einen Schritt nach dem anderen angehen“, sagt Tim Böhringer, der Leiter des Heims. Auch deshalb beschränken sie – anders als vom Land vorgeschlagen – die Zahl der Besucher pro Bewohner auf eine Person. Insgesamt sind höchstens drei Besucher zur gleichen Zeit erlaubt. So wollen sie zunächst austesten, wie sich die Lage entwickelt. „Wir sammeln jetzt Erfahrungen. Und wer weiß, vielleicht können in einigen Wochen dann mehrere Besuchspersonen kommen.“

Bisher habe es im Haus Elim noch keinen Coronafall gegeben. Damit das auch in den nächsten Wochen nach Möglichkeit verhindert werden kann, legt die Heimleitung viel Wert auf eine Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen. Nur im Palliativfall sei eine Ausnahme machbar. „Wenn es um das würdevolle Abschiednehmen geht, sind wir das Risiko eingegangen. Aber hier galten trotzdem die jetzt üblichen Sicherheitsvorkehrungen.“

Die Bewohner und die Angehörigen freuen sich sehr darüber, sich wieder persönlich zu treffen. In der ersten Woche nach der Lockerung seien so viele Angehörige angemeldet gewesen, dass es täglich Besuchsmöglichkeiten gab. Mittlerweile wurden drei Besuchstage pro Woche festgelegt und die Besuchszeit wurde auf eine Stunde begrenzt. Die Check-ups würden die meisten Besucher sehr begrüßen, nur hin und wieder kämen kritische Fragen auf, die „sich aber bei einem offenen Gespräch immer klären lassen“. Und auch den Senioren würden die Besuche guttun. „Die Angehörigen sind zumindest wieder in der Nähe und nicht mehr nur auf dem Tablet zu sehen.“

Damit die Besucher und Bewohner sich auch während der Besuchszeit an die vorgegebenen Regeln halten, ist im Haus Elim immer ein Mitarbeiter mit im Besuchsraum, dieser ist es auch, der die Besucher auf direktem Weg dorthin bringt. Das Besuchszimmer war vor Corona ein Besprechungsraum. Aufgrund seiner Größe eignet er sich nun gut als Begegnungsort.

Ein Problem bilden bei dieser Art der Besuche zum Beispiel die Bewohner mit Demenz. „Da können wir nicht erwarten, dass sie einfach auf ihrem Platz sitzen bleiben“, sagt Böhringer. Für diese Situation habe das Personal alternative Begegnungsmöglichkeiten suchen müssen. Bewährt haben sich die Fensterbesuche, die schon während der Zeit der Kontaktverbote sehr gut angenommen wurden. Dabei können die Besucher durch ein Fenster mit ihren Angehörigen sprechen, die sich im Foyer des Hauses Elim aufhalten. „Demenzerkrankte können da auch problemlos herumlaufen, ohne den Besuchern zu nahe zu kommen.“

Doch nicht alle können sich die Bauweise ihres Heim zunutze machen. Das Seniorenheim Haus am Berg zum Beispiel ist ein eher kleines Haus. Hier darf deshalb immer nur ein Bewohner Besuch von höchstens zwei Personen bekommen. Um trotzdem dem Besucherstau nach den wochenlangen Verboten gerecht zu werden, haben sie die Besuchszeit hier auf 30 Minuten beschränkt, lassen aber Besuche von Montag bis Freitag zu – mit vorheriger Anmeldung beim Personal. „Manchen Angehörigen war das nicht bewusst. Sie standen vor der Tür und wir mussten sie dann wieder wegschicken“, sagt Heike Schneider. Denn für den geregelten Ablauf ist viel Organisation nötig: Angehörige informieren, Besuchstermine planen, Kontaktdaten aufnehmen und die Besucher und Bewohner ohne andere Kontakte an einen Tisch bekommen. „Wir waren besorgt, wie gut das funktioniert. Aber bisher können wir eine positive Bilanz ziehen und die Entscheidung auch voll unterstützen“, sagt Schneider. Trotzdem werden auch sie die Besuchsmöglichkeit über ein Fenster und die Kommunikation über Videoanrufe beibehalten, die in den vergangenen Monaten eingeführt wurden. „Die Digitalisierung war ohnehin für dieses Jahr geplant, jetzt ging der Aufbau schneller als gedacht.“

Diese allgemeinen Regeln gelten beim Besuch im Seniorenheim

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Erstellt:
2. Juni 2020, 06:00 Uhr

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