Iranischer Widerstand
1200 Hinrichtungen seit Amtsantritt des neuen iranischen Präsidenten
Das Mullah-Regime im Iran wird immer aggressiver, dennoch will der iranische Widerstand keine militärische Intervention von außen.

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Maryam Hassani, Tochter des von der Hinrichtung im Iran bedrohten Mehdi Hassani, appelliert an die Bundesregierung.
Von Norbert Wallet
Die iranische Exil-Opposition in Deutschland fordert von der neuen Bundesregierung „einen grundlegenden Wandel“ ihrer Politik gegenüber dem Teheraner Regime. Dies gelte gleichermaßen für die gesamte europäische Haltung gegenüber dem Iran. „Die Politik der vergangenen drei Jahrzehnte, die auf der Illusion beruhte, durch politische und wirtschaftliche Annäherung das Verhalten der Diktatur in Teheran ändern zu können, ist offenkundig gescheitert“, sagte Javad Dabiran, der stellvertretender Leiter der Vertretung des Nationalen Widerstandsrates Iran (NRWI) in Deutschland, unserer Zeitung. Tatsächlich stelle die Mullah-Diktatur heute eine Bedrohung für die weltweite Sicherheit dar.
Dabiran nennt vor allem vier Forderungen, die für die Opposition wichtig sind: die Listung der iranischen Revolutionsgarden als Terror-Organisation, die Anerkennung des Rechts des iranischen Volkes auf Widerstand gegen das Regime, die Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen gegen das Atomwaffenprogramm und die Nutzung internationaler Instrumente zur Beendigung der Straflosigkeit der Regimeführer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.
Zunehmende Verarmung der iranischen Mittelschicht
Der Widerstandsrat erhebt seine Forderung vor dem Hintergrund einer sehr labilen innenpolitischen Lage im Iran. Dabiran sieht das Regime „an seinem schwächsten Punkt seit seiner Entstehung“ angekommen und verweist zur Begründung auf eine Reihe von Faktoren: Der drastische Wertverfall des Rial, die außer Kontrolle geratene Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit, die alle zusammen zu einer zunehmenden Verarmung der Mittelschicht geführt hätten, würden die Situation im Land „explosiv“ machen. Gleichzeitig hätten die Schwächung der wichtigsten Stellvertretermilizen wie der Hisbollah sowie der Sturz des Assad-Regimes – der wichtigste regionale Verbündeten und tragende Säule der iranischen Regionalpolitik in den letzten vier Jahrzehnten – die geopolitische Strategie der Islamischen Republik erheblich geschwächt.
Allerdings hat diese Entwicklung eine gefährliche Kehrseite. Gerade diese offenkundigen Schwächen verstärken den aggressiven Charakter des Teheraner Regimes. Um der Situation Herr zu werden, greife das Regime „zu einer beispiellosen Welle von Hinrichtungen – und zwar in Rekordhöhen“, sagt Dabiran. Allein in den letzten neun Monaten seit dem Amtsantritt von Präsident Pezeshkian seien „mindestens 1200 Menschen hingerichtet“ worden. Dutzende politische Gefangene stünden auf der Liste für bevorstehende Hinrichtungen.
Der iranische Widerstand weist darauf hin, dass die Fälle der politischen Gefangenen Mehdi Hassani (48) und Behrouz Ehsani (69) besonders akut sind. Da der Oberste Gerichtshof kürzlich den Antrag auf Revision abgelehnt hat, seien sie nun unmittelbar von der Vollstreckung der Todesstrafe bedroht. Die in Deutschland lebende Maryam Hassani, die Tochter von Mehdi Hassani, bittet die deutsche Regierung eindringlich um Unterstützung. Auf einer Veranstaltung der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) wies sie in einem dringenden Appell zu Wochenbeginn auf die überaus ernste Lage für die beiden iranischen Oppositionellen hin. Auch zahlreiche Menschenrechtsgruppen, wie Amnesty International, setzen sich für die beiden Gefangenen ein.
Angesichts einer immer härteren werdenden Sprache der US-Regierung gegenüber der iranischen Staatsführung ist es interessant, dass der Widerstandsrat in seinen Bemühungen zum Sturz des Regimes gerade nicht auf eine militärische Einmischung von außen setzt. „Eine militärische Intervention irgendeiner ausländischen Macht ist nicht erforderlich“, sagt Javad Dabiran ganz klar. „Nach unserer Ansicht liegt die Lösung der iranischen Krise im Wandel durch das Volk und den organisierten Widerstand.“ Der NWRI verfüge über ein weit verzweigtes Netzwerk im Iran selbst, sei „unabhängig von ausländischer Finanzierung und fordere „ weder finanzielle noch militärische Unterstützung von außen“.