Südwesten kämpft gegen schnelle Ausbreitung des Coronavirus

dpa/lsw Stuttgart. Die Zahl der Ansteckungen mit dem neuartigen Coronavirus im Südwesten steigt. Die Landesregierung bereitet sich auf weitere Fälle vor. Sie hofft aber, dass die Behörden das Virus im Griff behalten.

Stationsleiterin in Schutzkleidung und mit einer Atemmaske. Foto: Marcel Kusch/dpa

Stationsleiterin in Schutzkleidung und mit einer Atemmaske. Foto: Marcel Kusch/dpa

Baden-Württemberg erwartet eine steigende Zahl von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, will aber eine schnelle Ausbreitung verhindern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart: „Je langsamer es sich verbreitet, desto besser können wir damit umgehen.“ Man nehme die Ängste der Menschen ernst. Er erinnerte aber auch daran, dass Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt habe.

Nach den Worten von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) werden landesweit rund 84 Notfallpraxen für den Umgang mit dem Coronavirus ausgerüstet, um rund um die Uhr als Anlaufstelle für erkrankte Menschen und Verdachtsfälle dienen zu können. Um die medizinische Betreuung zu gewährleisten, werden pensionierte Ärzte reaktiviert. Die Landesärztekammer gebe den Pool von theoretisch zusätzlich einsatzfähigen Ärzten mit rund 7000 an, sagte Lucha.

Unterdessen steht ein ganzes Altenheim in Bad Rappenau (Landkreis Heilbronn) unter Quarantäne. Dort leben 70 Senioren und arbeiten 50 Beschäftigte. Ein 84-Jähriger hatte sich bei einem 32 Jahre alten Pfleger angesteckt, der nach einem Aufenthalt in Mailand erkrankt war. Auch eine Arbeitskollegin des Pflegers wurde positiv getestet. Die drei Patienten werden in einer Lungenklinik in Löwenstein behandelt, wie eine Stadtsprecherin am Dienstag sagte. Die Bewohner dürfen das Heim nicht verlassen und keine Besucher empfangen.

Bis zum Dienstagnachmittag gab es in Baden-Württemberg 30 Menschen, die sich nachweislich mit dem Virus infiziert hatten. Nach Angaben von Minister Lucha zeigen sie bislang milde Krankheitsverläufe. Es sei in fast allen Fällen gelungen, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Nach dem bisherigen Kenntnisstand gelte weiterhin, dass für ältere Menschen und für Menschen mit Vorerkrankungen eine höhere Gefahr bestehe, schwerer zu erkranken. Minister Lucha hielt einen Anstieg der Fallzahlen für „denkbar und erwartbar“.

Bei den beiden zuletzt gemeldeten Fällen geht es um einen 44 Jahre alten Mann aus dem Rems-Murr-Kreis, bei dem der Hausarzt nach leichten Symptomen einen Abstrich genommen habe. Der Test fiel positiv aus - der Mann soll stationär behandelt werden. Zudem wurde die Infektion bei einem 45 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Ludwigsburg nachgewiesen. Er hatte sich zuvor in Südtirol aufgehalten und war mit einem leichten grippalen Infekt zum Hausarzt gegangen.

Baden-Württemberg stehen nach Kretschmanns Worten 7,5 Millionen Euro im Landeshaushalt für außergewöhnliche Vorkommnisse zur Verfügung. Das Land könne auf weitere Mittel im Haushalt zurückgreifen, falls es dramatische Auswirkungen des Coronavirus geben sollte.

Schulen sollen laut dem Kultusministerium Klassenfahrten und Schüleraustausche in Risikogebiete des neuartigen Coronavirus absagen. Dies gelte bis zum Ende des laufenden Schuljahres, teilte das Ministerium in Stuttgart mit. Reisen in ausländische Regionen, die nicht vom Robert Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt worden seien, sollten im Zweifel ebenfalls abgesagt werden. Die Stornierungskosten würden in diesen Fällen vom Land Baden-Württemberg übernommen. Zudem empfiehlt das Ministerium, dass Lehrer auch nicht privat in Risikogebiete fahren sollen. Für Reisen im Inland gibt es bislang keine Empfehlung zur Absage.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe rechnete wegen abgesagter Messen und Tagungen mit Umsatzeinbußen. „So sind die Auswirkungen vor allem im Messe-, Tagungs- und Geschäftsreisebereich massiv“, sagte ein Sprecher des Verbandes in Baden-Württemberg. Allerdings sei es derzeit noch nicht möglich, diese Rückgänge bezogen auf ganz Baden-Württemberg zu quantifizieren. „Die große Betroffenheit der Branche ergibt sich aus der hohen Bedeutung des Firmengeschäfts für den Tourismus in Baden-Württemberg.“ So sind etwa in Stuttgart rund 70 Prozent der Hotelübernachtungen geschäftlich bedingt.

Auch die Schule Schloss Salem im Bodenseekreis muss umplanen: Anfang April wollte das Internat eigentlich mit rund 1000 Gästen und einem großen Festakt sein 100-jähriges Bestehen feiern. Aufgrund der derzeitigen Situation werde die Veranstaltung aber auf das kommende Jahr verschoben, teilte die Schule am Dienstag mit. Die Gesundheit der Schüler, Mitarbeiter und Gäste habe Priorität. Zudem gehe es darum, die anstehenden Prüfungen nicht zu gefährden.

Unterdessen kursieren auch Falschmeldungen: So berichtete die „Heilbronner Stimme“ (Dienstag) über eine falsche Meldung, die mit dem Seitenkopf ihres Internetportals stimme.de verbreitet worden sei. Danach soll sich ein fünfjähriges Kind eines Kindergartens in Bad Wimpfen möglicherweise mit dem Coronavirus angesteckt haben - der Kindergarten sei angeblich geschlossen worden. Diesen Artikel gebe es aber nicht. Der Bürgermeister von Bad Wimpfen, Claus Brechter, sagte der Zeitung, es sei weder bekannt, dass sich ein Kind möglicherweise angesteckt habe, noch sei ein Kindergarten geschlossen worden.

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Erstellt:
3. März 2020, 16:19 Uhr

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