30er-Zone ganz oben auf der Wunschliste
Rietenauer Bürger erarbeiten in Workshop, wie der Dorfplatz und die gegenüberliegende Brachfläche gestaltet werden könnten
Wie soll die Zukunft des Dorfplatzes in Rietenau aussehen? Das möchte die Verwaltung der Gemeinde Aspach von denen wissen, die direkt betroffen sind: Am Donnerstagabend haben sich fast 100 Rietenauer zu einem Workshop getroffen, in dem sie ihre Wünsche, Anregungen und Ideen äußerten. Einig sind sie sich alle beim Thema Verkehr.

© Jörg Fiedler
Bevor es zum Workshop in die Grundschule geht, besichtigen Bürger, Verwaltung und Mitarbeiter des Planungsbüros noch einmal den Dorfplatz und die angrenzenden Flächen. Foto: J. Fiedler
Von Silke Latzel
ASPACH. Bereits im Vorfeld des Workshops bestand für die Rietenauer die Möglichkeit, sich bei einer Online-Befragung in den Dialog einzubringen. „So hatten auch Leuten, die heute Abend nicht teilnehmen können, die Möglichkeit, ihre Meinung trotzdem einzubringen“, sagt Hannes Munk vom Stadtplanungsbüro „die STEG Stadtentwicklung“ bei der Einführung ins Thema. 96 Fragebögen seien ausgefüllt worden, so Munk. „Das klingt zuerst nicht beeindruckend, entspricht aber fast 8,5 Prozent aller Rietenauer. Und das ist schon ein wirklich gutes Ergebnis.“
Munk und seine Kollegen sind von der Gemeinde beauftragt, den Bürgerdialog zu leiten. „Wir wollten uns als Verwaltung aus den Workshops heraushalten, damit die Bürger frei und ohne jede Einschränkung ihre Ideen zu Papier bringen können“, so Bürgermeister Hans-Jörg Weinbrenner. Er und seine Mitarbeiter aus dem Bauamt verlassen die Veranstaltung deshalb auch nach der Einführung und kommen erst am Ende zur Präsentation der Ergebnisse wieder.
Der Start des Dialogs ist selbstverständlich der Dorfplatz. Bewusst sollen die örtlichen Gegebenheiten noch einmal bei allen präsent gemacht werden: Brunnen, Pergola und Bushaltestelle auf der Seite des Dorfplatzes – historisches Weinfass, Sitzgelegenheiten, provisorische Parkmöglichkeiten auf einem Schotterplatz und eine große Brachfläche auf der gegenüberliegenden Seite.
Nach der Ortsbegehung geht es zur Gruppenarbeit ins Gebäude der Rietenauer Grundschule. Ob bewusst gewählt oder zufällig passend zum Thema des Abends: Für viele Bürger ist die Wahl der leer stehenden Schule als Veranstaltungsort des Workshops ein Symbol für den Wandel in der Gemeinde.
In neun Gruppen á zehn Teilnehmer verteilen sich die Rietenauer an Tischen in der Schule, um ihre Ideen zu diskutieren. Ganz bei null anfangen müssen sie dabei nicht, die Verwaltung hat schon Vorarbeit geleistet. Stadtplaner Munk stellt drei möglich Gestaltungsszenarien vor, die die Teilnehmer nach Belieben ergänzen oder verbessern dürfen.
Drei Varianten als Grundlage von der Verwaltung erarbeitet
Variante eins sieht vor, dass der Dorfplatz an der jetzigen Stelle bleibt, aber erneuert und aufgewertet wird. Auf der gegenüberliegenden Brachfläche sollen zwei Neubauten entstehen. Deren Nutzung sei allerdings nicht weiter festgelegt, so Munk. „Egal ob betreutes Wohnen, Einkaufsmöglichkeiten oder etwas anders – lassen Sie Ihren Ideen freien Lauf“, ermuntert er die Bürger.
In Variante zwei wären die Änderungen schon tief greifender: Der Dorfplatz soll auf das Brachstück verlegt werden, an seiner Stelle ein Gebäude entstehen. Der Vorteil: Der Dorfplatz wäre wesentlich größer als jetzt.
Eine Kombination aus der ersten und zweiten Variante wäre die dritte: Der Dorfplatz wird auf die Brachfläche verlegt, nimmt dort aber nur den vorderen Teil ein, im hinteren würde, ebenso wie auf der durch die Verlegung frei gewordenen Fläche, ein Gebäude entstehen.
45 Minuten haben die neun Gruppen Zeit, die drei Varianten zu bearbeiten. Die Diskussionen gestalten sich an manchen Tischen heiß und angeregt, an anderen eher lustig – konstruktiv sind sie alle. Die Teilnehmerstruktur ist bunt gemischt und repräsentiert einen Querschnitt der Bevölkerung Rietenaus: Männer, Frauen, Rentner, Familien, junge und ältere Menschen. Unter ihnen auch Sandra Fritz. Die 32-Jährige ist direkt betroffen vom Thema des Bürgerdialogs, sie wohnt an der Brachfläche. „Das Haus, das dort stand und abgerissen wurde, gehörte meiner Oma“, erzählt sie. Welche Wünsche sie für die Zukunft des Dorfplatzes hat, weiß sie genau: „Neue Geschäfte einzuplanen, geht einfach nicht. Klar wäre das schön für die älteren Leute, aber die Infrastruktur lässt sich hier eben nicht so leicht ändern.“ In ihrer Vorstellung soll der Dorfplatz ein offener Treffpunkt werden, mit vielen Sitzmöglichkeiten, „wo die Menschen einfach miteinander reden können“. Für junge Familien sieht sie den Bedarf an Möglichkeiten im Ort bereits gedeckt. „Wir haben hier so viele tolle Spielplätze und Vereine, es gibt wirklich genug. Man sollte lieber an die älteren Menschen denken.“
Nach einer kurzen Pause werden die Ideen und Vorschläge der Gruppen präsentiert, auch Weinbrenner und sein Team sind wieder im Raum und gespannt auf die Ergebnisse. Viele gute, mitunter kuriose, aber vor allem durchdachte und begründete Ideen sind dabei. Ein Atrium, ein kleiner Bach über den Platz, die Eröffnung eines kleines Cafés im alten Rathaus, eine Tiefgarage oder eine variable Möblierung sind nur einige der Vorschläge. Ob der Dorfplatz bleibt, wo er ist, oder verlegt werden soll – darin sind die Gruppen nicht einig. Konsens gibt es aber beim Thema Verkehr: Eine verkehrsberuhigte Zone und einen Zebrastreifen möchten alle gerne haben. Auch den Wunsch, die Bushaltestelle Richtung Allmersbach von der Kirche nach unten zu verlegen, hört man oft. Und das übrigens nicht nur an diesem Abend in der Grundschule: Auch die Online-Befragung deckt sich in etwa mit den Ergebnissen des Workshops.
Weinbrenner dankbar für Anregungen und rege Teilnahme
„Wir werden alles, was Sie heute Abend erarbeitet haben, protokollieren und vermutlich nach der Sommerpause dem Gemeinderat vorstellen“, verspricht Munk. Denn dieser werde letztendlich darüber entscheiden, wie es mit dem Dorfplatz weitergeht. „Wir wollten Sie als Bürger bewusst in den Prozess einbinden und werden mit Ihren Anregungen und Ideen im Hinterkopf ein oder zwei Varianten ausarbeiten“, sagt Bürgermeister Weinbrenner. Er lobt die qualitativ hochwertigen Ergebnisse des Workshops. „Auch dass hier tatsächlich bei einem Thema eine große Einigkeit herrscht, ist nicht selbstverständlich.“
Doch nicht nur bei manchen Ergebnissen, sondern auch in der Sache selbst sind sich die Rietenauer einig: Der Beteiligungsprozess kommt bei ihnen sehr gut an. Das bestätigt auch Sandra Fritz: „Es ist schön, dass wir mitreden dürfen. So haben wir nicht das Gefühl, dass alles über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.“ Sie und die anderen Workshopteilnehmer hoffen jetzt, dass der Gemeinderat die eine oder andere Idee aufnimmt.