40 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Murrhardt und Frome

Die Städtepartnerschaft zwischen Murrhardt und Frome in der Grafschaft Somerset feiert am Wochenende ihren 40. Geburtstag. Sie ermöglichte Völkerverständigung und Versöhnung sowie viele Begegnungen. Der Brexit hat manches schwieriger gemacht.

Bürgermeister Helmut Götz und Bob Gooding (in der Bildmitte von links) besiegelten die Partnerschaft in Frome 1983. Foto: Stadtarchiv Murrhardt

Bürgermeister Helmut Götz und Bob Gooding (in der Bildmitte von links) besiegelten die Partnerschaft in Frome 1983. Foto: Stadtarchiv Murrhardt

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Seit 1983 sind die heute 28500 Einwohner große Stadt Frome im Mendip-Distrikt der britischen Grafschaft Somerset, rund 200 Kilometer westlich von London, und Murrhardt städtepartnerschaftlich verbunden. Von Anfang trägt die Partnerschaft tatkräftiges Engagement der Bürgermeister, Stadtverwaltungen, Gemeinderäte, des Partnerschaftsausschusses und des Partnerschaftsvereins Frome Twinning Association. Hinzu kommen viele Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Institutionen und Organisationen, zwischen Kirchengemeinden, Vereinen sowie Privatpersonen auf beiden Seiten.

Die Initiative dazu ging von in der Partnerschaftsarbeit Aktiven der französischen Partnerstadt Château-Gontier aus, welche seit 1975 mit Frome eine Städtepartnerschaft hat. Sie schlugen Frome vor, ebenfalls eine Städtepartnerschaft mit Murrhardt einzugehen. Dieses Angebot unterbreitete die erste Delegation aus Frome der Walterichstadt im Frühjahr 1981. Zeitzeugen erzählen, wie alles begann: „Verschiedene Gruppen wirkten als Türöffner“, verdeutlicht Dorothee Mauser. An Ostern 1981 reiste sie mit Waltraud Schmalz erstmals nach Frome, um die Stadt zu besichtigen, mit Einwohnern zu sprechen und sich über das Leben dort zu informieren.

Das gemeinsame Musizieren ist die Keimzelle der Partnerschaft

„Waltraud, Leiterin der Flötengruppe ‚Waltrauds Flöter‘, fand heraus, dass es auch in Frome eine Flötengruppe gab, die Lillian Maggs leitete, und war sofort bereit für einen Austausch“, so Mauser. Im Herbst 1981 organisierte die Stadtverwaltung eine Reise nach Frome mit Stadträten, Mitgliedern des Bundes der Selbständigen und interessierten Bürgern. 1982 unternahmen „Waltrauds Flöter“ eine Konzertreise nach Frome, im Gegenzug kamen die Flötengruppe von Lillian Maggs und der Frome Youth Choir (Jugendchor) nach Murrhardt und gaben ein Konzert in der Stadthalle. Daraufhin gründete sich der Jugendchor, den Musiklehrer Johannes Janositz leitete und Detlef Neumann instrumental begleitete.

Jahrelang besuchten die Musikgruppen sich gegenseitig, zudem entwickelte sich daraus laut Werner Stingel die Beziehung der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Murrhardt zur Methodistengemeinde in Frome. Dorothee Mauser erinnert sich auch an die Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner auf persönlicher Ebene: „Im Herbst 1981 fuhr ein Murrhardter, der im Zweiten Weltkrieg ein Bein verloren hatte, nach Frome. Er hatte schon Freundschaft mit seinem Gastgeber geschlossen, der ebenfalls im Zweiten Weltkrieg Soldat war. Bei Gesprächen fanden beide heraus, dass sie zur selben Zeit in derselben Gegend in Frankreich waren, verstanden einander aber bestens.“

Die Völkerverständigung und Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner motivierten Klaus Lang, sich für die Partnerschaftsarbeit zu engagieren. „1982 reiste ich als Betreuer von ‚Waltrauds Flötern‘ erstmals nach Frome. Meine Eindrücke waren sehr positiv und es entstand eine seit rund 40 Jahren bestehende Freundschaft zu einer Familie mit etlichen gegenseitigen Besuchen.“ Ende der 1980er-Jahre machten die Flötengruppen und Jugendchöre beider Partnerstädte in Frome eine Single-Schallplattenaufnahme.

Andere Verwaltungs- und Wahlsysteme

Das britische Verwaltungs- und Wahlsystem bedeute für die Partnerschaftsarbeit jedoch gewisse Erschwernisse. „Der Bürgermeister von Frome ist nur ehrenamtlich tätig, er wird jedes Jahr neu aus der Mitte des Gemeinderats gewählt.“ Zudem weise die unserem Landkreis vergleichbare Distriktverwaltung der dortigen Stadtverwaltung nur geringe Finanzmittel zu, erklärt Lang.

„Von 1983 bis 1985 trafen sich die Partnerschaftsdelegationen von Château-Gontier und Frome sowie von Frome und Murrhardt getrennt“, darum regten Mitglieder der Partnerschaftsorganisationen die Dreierpartnerschaft und Dreiertreffen an, berichtet Michèle Hartmann. „Bis zum Brexit entwickelten sich die Beziehungen zwischen Murrhardt und Frome sehr positiv“ mit vielen Aktivitäten auf allen Ebenen, beteiligt waren auch einige Sulzbacher Institutionen.

„Von Anfang an herrschten beste Stimmung, Fröhlichkeit und freundschaftliche Beziehungen“, so Gudrun Gruber, die sich als Leiterin der Turnabteilung des TVM in Kooperation mit der Trampolinabteilung des TV Sulzbach engagierte: 1981 begannen Austausche mit britischen Sportlern. Horst Klein war Initiator von mehreren Schüleraustauschen ab 1983 zwischen dem Heinrich-von-Zügel-Gymnasium und dem Frome Community College, doch nur wenige britische Schüler lernen Deutsch.

Jugendbotschafter „Friends for Europe“ schlagen ein neues Kapitel auf

„Die Stadtverwaltung hat in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, einen Austausch zu aktivieren, leider ohne Erfolg“, auch habe die Stadt Frome wenig Einfluss auf die staatlichen Schulen, bedauert Bürgermeister Armin Mößner. „Doch nun hat eine Schule in Frome wieder Deutsch als Fremdsprache eingeführt, woraus sich eventuell neue Möglichkeiten ergeben“, hofft er. Wichtige Impulse für die Städtepartnerschaften gaben laut Thomas Zeeb die Jugendbotschafter „Friends for Europe“ und gemeinsame Projekte (siehe Infotext).

Nachteilig wirkten sich hingegen die Coronapandemie und der Brexit aus: „Persönliche Begegnungen sind nun wegen der Reisepass- und Visumpflicht schwieriger.“ Aber: „Wir hoffen auf einen Aufschwung der Beziehungen zu Frome durch Bürgermeister Philip Campagna, der ein überzeugter, sprachversierter Europäer mit italienischen Wurzeln ist“, so der Partnerschaftsexperte der Stadtverwaltung optimistisch.

Nun wird am Wochenende das 40-jährige Bestehen der Partnerschaft gefeiert. Am Freitag, 8. September, reisen die Gäste aus Frome an. Nach der Begrüßung im Rathaus am Spätnachmittag ist unter anderem ein Rundgang bei „Streetfood im Städtle“ auf dem Marktplatz vorgesehen. Am Samstagvormittag, 9. September, findet der Festakt „40 Jahre Städtepartnerschaft Frome–Murrhardt“ im Bofingersaal mit Ansprachen der Bürgermeister und Stehempfang statt, abends schließt sich ein Besuch des Abschlusskonzerts der Internationalen Klavierakademie an. Am Sonntag, 10. September, nehmen die Gäste an der Gedenkfeier zum Tag der Heimat beim Vertriebenenehrenmal im Stadtgarten teil.

Wichtige Etappen und Aktivitäten in der Städtepartnerschaft zwischen Murrhardt und Frome

1983 Nach mehrjähriger Vorarbeit durch die städtischen Institutionen und Partnerschaftsorganisationen unterzeichnen die Bürgermeister Bob Gooding (Frome) und Helmut Götz (Murrhardt) am 24. September vor der Kirche St. John’s in Frome den Partnerschaftsvertrag.

1984 Im Juli wird die Partnerschaftsurkunde beim Partnerschaftsfest in Murrhardt unterzeichnet.

1985 Am 21. September unterzeichnen die Bürgermeister Jean Arthuis, Peter Belham und Helmut Götz den Dreierpartnerschaftsvertrag zwischen Château-Gontier, Frome und Murrhardt in Frome. Es folgten Etablierung der Dreiertreffen, Feier des Jubiläums „1300 Jahre Frome“ und Verleihung der Europafahne an Murrhardt.

1987 Feier 20 Jahre Städtepartnerschaft mit Château-Gontier mit vielen Gästen aus Frome.

1990er-Jahre Vertiefung der Städtepartnerschaft durch viele Begegnungen, Aktivitäten und Veranstaltungen.

bis 2004 Regelmäßige Teilnahme von Gästen aus Murrhardt an Dreiertreffen mit Gedenkfeiern zum Remembrance Day (Volkstrauertag) am 11. November in Frome.

seit 2005 Dreiertreffen im Sommer, um mehr Begegnungen zu ermöglichen.

2006 Weltjugendfestival im Rahmen der Fußball-WM, Jugendfußballspieler aus Frome besuchen Murrhardt.

2008 Beim letzten Dreiertreffen wird das System der Jugendbotschafter „Friends for Europe“ auf Initiative Murrhardts hin etabliert.

2009 Abschluss der Städtepartnerschaft mit Rabka-Zdrój in Polen, erstes Vierertreffen.

2011 Bei der Messe Murrhardt startet das Programm „Work Experience“. Junge Leute leben und arbeiten 14 Tage in einer Partnerstadt; das Programm läuft rund vier Jahre.

2014 Gemeinsames Chorprojekt von Chormitgliedern der Partnerstädte zum Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs.

2015/16 Projekt „4 for Europe – europäisch denken, lokal handeln“.

2022 Erstes Vierertreffen nach Brexit und Coronapandemie in Murrhardt, Beschluss für ein gemeinsames Umwelt- und Klimaschutzprojekt mit Kindern und Jugendlichen.

2023 Vorstellung dieser Partnerschaftsprojekte per Videokonferenz im Kino Murrhardt. Weitere Infos: ww.murrhardt.de

(Unser Murrhardt/Stadtportrait/Städtepartnerschaften).

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Erstellt:
6. September 2023, 06:00 Uhr

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