40 Tage ohne Süßes, Fleisch und Alkohol

Mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt für Christen die Fastenzeit. Für viele Menschen – egal ob gläubig oder nicht – ein Anlass, bis Ostern auf bestimmte Nahrungsmittel oder Gewohnheiten zu verzichten. Der Start eines Selbstversuchs.

Berliner sind ab sofort tabu: Redakteurin Melanie Maier wird bis Ostern unter anderem auf Süßes verzichten. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Berliner sind ab sofort tabu: Redakteurin Melanie Maier wird bis Ostern unter anderem auf Süßes verzichten. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

BACKNANG. 40 Tage können lang sein. Sehr lang sogar, ohne das Stück Schokolade nach Feierabend oder das Glas Wein hin und wieder zum Abendessen. Mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt für Christen die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern. Eigentlich sind es sogar 46 Tage von Aschermittwoch bis Ostersamstag. Doch an den Sonntagen wird traditionell nicht gefastet, daher die 40 Fastentage.

Während der Zeit soll sich der Mensch neu besinnen, Buße tun und die Nähe zu Gott suchen, heißt es. Ursprünglich geht die christliche Fastenzeit auf die 40 Tage zurück, die Jesus betend und fastend durch die Wüste zog. Der Zeitraum vor Ostern soll an das Leiden und Sterben von Jesus erinnern. Daher wird diese Zeit auch Passionszeit genannt, abgeleitet von dem lateinischen Wort passio, Leiden. In der katholischen Kirche gelten der Aschermittwoch und der Karfreitag als wichtigste Fasttage.

Auch in anderen Weltreligionen wird regelmäßig gefastet. Im Islam zum Beispiel ist der Ramadan, der neunte Monat des islamischen Mondjahres, dem Fasten vorbehalten. 30 Tage dürfen Muslime in dieser Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nicht essen, trinken oder rauchen. Im Judentum ist das unter anderem an Jom Kippur untersagt, dem großen Versöhnungs- und Fastentag. Die orthodoxe Kirche hat gleich vier mehrwöchige Fastenperioden im Kirchenjahr. Dazu wird in der Regel mittwochs und freitags gefastet. Verboten sind dann Fleisch, Eier und Milchprodukte, an strengen Tagen auch Fisch, Wein und Öl.

In Deutschland ist das Fasten beliebt wie nie.

Heutzutage sind solche Vorgaben aber nicht mehr ganz so wichtig. Denn auch nicht gläubige Menschen nehmen die christliche Passionszeit mittlerweile zum Anlass, eine Zeit lang zu verzichten, und legen sich dabei jeweils eigene Regeln auf. Das kann der Verzicht auf Fleisch, Fisch oder Süßigkeiten sein, die vorübergehende Alkoholabstinenz, der Umstieg vom Auto auf das Fahrrad, das Digital Detox ohne Smartphone und Netflix, der Konsumverzicht oder alles zusammen.

In Deutschland ist das Fasten beliebt wie nie. Das belegt eine repräsentative Forsa-Umfrage, die die DAK-Krankenkasse bereits seit zehn Jahren jährlich in Auftrag gibt. Demnach haben 64 Prozent der Deutschen mindestens einmal bewusst für längere Zeit auf Genussmittel oder Konsumgüter verzichtet. Das sei der bislang höchste Wert der Erhebung und ein Anstieg um knapp 40 Prozent seit 2012, teilt die DAK mit. In Baden-Württemberg sind es sogar 73 Prozent.

Verzichten möchten die Fastenwilligen in diesem Jahr vor allem auf Alkohol. Das gaben 73 Prozent der Befragten, die fasten werden, an. Im vergangenen Jahr waren es noch 65 Prozent. Entsagen möchten sie außerdem unter anderem Süßigkeiten (68 Prozent), Fleisch (54 Prozent) und dem Rauchen (45 Prozent).

Mein persönlicher Selbstversuch soll so aussehen: 44 Tage lang werde ich auf Zucker, Kaffee, Alkohol, Fisch und Fleisch verzichten (wobei Letzteres als Pescetarierin zugegebenermaßen keine große Herausforderung ist) – von Aschermittwoch bis Gründonnerstag. Am Karfreitag werde ich das Fasten brechen. Dass ich einen Tag vor dem offiziellen Ende der Fastenzeit aufhöre, hat keinen tiefgreifenderen Grund. Das habe ich schon 2008 so gehandhabt, als ich zum ersten Mal gefastet habe, wahrscheinlich aus Mangel an besserem Wissen.

Dass ich vor 13 Jahren, als Studentin, mit dem Fasten angefangen habe, geht auf eine Reise zurück. Ein halbes Jahr nach einer fünfmonatigen Tour durch Lateinamerika, von Mexiko-Stadt nach Buenos Aires, war das Gefühl des Überflusses in Deutschland groß, genauso der Wille, sich diesen Luxus durch gezielten Verzicht wieder bewusst zu machen. Die Fastenzeit vor Ostern war dafür ein willkommener Anlass.

In diesem Jahr werde ich aber nicht nur 44 Tage lang auf einige Genussmittel wie Kaffee oder Süßigkeiten verzichten, sondern auch eine Woche heilfasten nach der Methode des Arzts Otto Buchinger (1878 bis 1966). Dabei ist der Verzehr von Gemüsebrühe und Säften erlaubt. So wird der Körper mit einigen Vitaminen und Mineralien versorgt. Den fünf bis sieben Fastentagen gehen zwei Entlastungstage mit Schonkost voran. Zum Abschluss sind zwei Aufbautage geplant, sodass der Körper sich wieder an das normale Essen gewöhnen kann.

Das Ziel des Heilfastens ist nicht der Gewichtsverlust.

Dem Heilfasten wird schon lange eine positive Wirkung zugeschrieben. Bereits Hippokrates soll seinen Patienten in der Antike Fastentage verschrieben haben. Seit rund 50 Jahren erforschen Wissenschaftler die Heilmethode. Inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, dass Verzichtphasen dem Menschen guttun – sowohl körperlich als auch psychisch. Nach neueren Studien scheint das Heilfasten etwa chronisch-entzündlichen, neurodegenerativen Krankheiten und Demenz vorzubeugen. Otto Buchinger selbst soll durch den vorübergehenden Verzicht auf feste Nahrung die Symptome seiner rheumatoiden Arthritis gelindert haben.

Auch Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin und Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin und so etwas wie eine deutsche Koryphäe des Heilfastens, betreut regelmäßig Rheumapatienten, Menschen mit Diabetes und Bluthochdruck bei Fastenkuren nach der Methode Buchinger. Er ist überzeugt von den positiven Effekten des Heilfastens. „Beim Rheuma kann man fast schon die Uhr danach stellen“, sagt er. „Am zweiten, dritten Fastentag nehmen die Schwellungen ab, die Schmerzen reduzieren sich etwa um die Hälfte – das spüren die Patienten relativ schnell, sie brauchen dann weniger schmerzstillende Mittel.“

Das Ziel des Heilfastens ist übrigens nicht der Gewichtsverlust, auch wenn der sich normalerweise automatisch einstellt. Wer abnehmen möchte, sollte sich lieber an eine langfristige Ernährungsumstellung denn an eine Fastenperiode machen. Vor dem ersten Heilfasten, bei gesundheitlichen Einschränkungen oder regelmäßiger Medikamenteneinnahme sollte man vorab zudem unbedingt Rücksprache mit dem Hausarzt halten.

Nicht heilfasten sollten Schwangere, Kinder und Jugendliche sowie Personen mit Untergewicht oder einer psychisch bedingten Essstörung wie Magersucht.

Wie es mir bei meinem Selbstversuch ergehen wird, das können Sie in den kommenden Wochen in unserer Zeitung nachlesen. Ein genaues Startdatum fürs Heilfasten steht noch nicht fest. Sicher ist: Die Berliner werde ich vermissen.

Fastenaktionen zum Mitmachen

Die Theaterwerkstatt der Matthäuskirche Backnang lädt am Samstag, 20. Februar, von 16 bis 17 Uhr zu einem „Brainstorming über die Fastenzeit“ ein. Dabei können sich die Teilnehmer über das Fasten austauschen. Auch Menschen, die nicht fasten, sind willkommen. Die Veranstaltung ist kostenlos und findet als Videokonferenz über Zoom statt. Dabei haben sollten die Teilnehmer eine Tasse mit einem Getränk. Information und Anmeldung per E-Mail an Nicole Huber, nh@creativitrain.com.

„7 Wochen neue Sicht“ lautet das Motto der bundesweiten Fastenaktion der katholischen Kirche. In der Diözese Rottenburg/ Stuttgart wird es von der Referentin Mechthild Alber vom Fachbereich Ehe und Familie gestaltet. Dabei handelt es sich um ein spezielles Angebot für Paare: Die Teilnehmer erhalten von Aschermittwoch bis Ostern Impulse, um ihre Beziehung neu in den Blick zu nehmen. Anmelden können sich Interessierte ab sofort online unter www.7wochen-neue-sicht.de.

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Erstellt:
17. Februar 2021, 06:00 Uhr

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