Prozess um 500 Kilo Kokain: Gericht bietet Deal an

dpa Memmingen. Fast eine halbe Tonne Kokain aus Ecuador sollen sechs Männer in Bananenkisten an einen Obsthandel in Neu-Ulm liefern haben lassen. Doch die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen. Zum Prozessauftakt will das Gericht dies mit einem Vorschlag ändern.

Knapp eine halbe Tonne sichergestelltes Kokain ist während einer Pressekonferenz zu sehen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Knapp eine halbe Tonne sichergestelltes Kokain ist während einer Pressekonferenz zu sehen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Ein vollumfängliches Geständnis: Dafür könnten sechs mutmaßliche Drogendealer, die wegen des Schmuggels von rund 500 Kilogramm Kokain in Memmingen vor Gericht stehen, mildere Strafen erhalten. Einen entsprechenden Vorschlag machte die Strafkammer des dortigen Landgerichts zum Prozessauftakt am Donnerstag. Die Verteidigung will bis Freitag (9.30 Uhr) über eine Annahme des Deals beraten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Männern vor, die Drogen im Wert von rund 50 Millionen Euro aus Ecuador in die Niederlande und von dort zu einem Obsthandel in Neu-Ulm liefern haben zu lassen. Bei einer Routinekontrolle entdeckte dort jedoch ein Mitarbeiter einige der Päckchen und alarmierte die Polizei. Als die Angeklagten die Kammer mit den Kisten Mitte Dezember aufbrachen und das vermeintliche Kokain mitnehmen wollten, wurden sie von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen die sechs Männer die Drogen als Bande gekauft und geschmuggelt haben, um sie anschließend weiter zu verkaufen. Das Landgericht machte zum Prozessauftakt jedoch klar, dass es derzeit nicht genügend Beweise für eine Verabredung als Bande sehe. In diesem Fall hätten den Männern Haftstrafen von bis zu 15 Jahren gedroht.

Andere Aspekte des Falls sind laut Anklageschrift ebenfalls noch unklar: Wann sich die Männer zum Drogenschmuggel verabredet haben sollen, von wem sie das Kokain gekauft haben könnten und an wen sie es verkaufen wollten. Vor Prozessbeginn hatten die Angeklagten nach Angaben des Gerichts entweder geschwiegen oder angegeben, „aus anderen Gründen“ bei dem Neu-Ulmer Obsthandel gewesen zu sein.

Der Vorsitzende Richter Christian Liebhart bot den Angeklagten letztlich einen Deal an. Legten die sechs Männer Geständnisse ab, erhielten fünf von ihnen bei einer Verurteilung Haftstrafen von höchstens sechseinhalb Jahren. Ein Angeklagter müsse wegen einer Vorstrafe mit bis zu sieben Jahren und drei Monaten Haft rechnen. Dafür müssten sie erklären, wann sie sich zur Tat entschlossen hätten, betonte Liebhart. Weitere Aufklärungshilfe sei nicht nötig.

Bei dem sichergestellten Kokain handelt es sich um einen der größten Drogenfunde der vergangenen Jahrzehnte im Freistaat. Eine ähnlich große Menge Kokain hatte die Polizei nach Angaben des Landeskriminalamts zuletzt im September 2017 in zehn Filialen einer Supermarktkette entdeckt: mehr als 180 Kilogramm - ebenfalls in Bananenkisten.

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Erstellt:
15. Oktober 2020, 00:25 Uhr

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