Albsteig-Challenge

6 x 60 Kilometer Laufen – mit einem guten Essen kein Problem

Zwei Frauen und drei Männer wollen den 360 Kilometer langen Albsteig entlang des Albtraufs in sechs Tagen bewältigen. Alle sind erfahrene Ultraläufer. Eine Herausforderung wird es aber.

Fünf Ultraläufer wollen den 360 Kilometer langen Albsteig meistern (v.l.n.r.): Karlheinz Dravec, Andrea Ellesser, Andreas Bulling, Manuel Schmied und Melanie Bernardino Rodrigo.

© Faltin

Fünf Ultraläufer wollen den 360 Kilometer langen Albsteig meistern (v.l.n.r.): Karlheinz Dravec, Andrea Ellesser, Andreas Bulling, Manuel Schmied und Melanie Bernardino Rodrigo.

Von Thomas Faltin

Keine Frage, der Albsteig ist, neben dem Westweg im Schwarzwald, der berühmteste und schönste Fernwanderweg Baden-Württembergs. Von Donauwörth führt diese auch HW 1 genannte Route abseits der Dörfer immer entlang des Albtraufs bis Tuttlingen, vorbei an Ruinen und Schlössern, durch dichte Buchenwälder und über unzählige Felsengipfel, von denen aus man grandiose Blicke hinaus in den wunderschönen Südwesten hat. So traumhaft ist dieser Weg und so tief hinein in die Seele des Landes führt er, dass eigentlich jeder Schwabe verpflichtet sein müsste, den Albsteig einmal im Leben zur Gänze durchstiegen zu haben.

Für fünf Läuferinnen und Läufer, die alle nah an oder auf der Schwäbischen Alb wohnen, wird dieser 360 Kilometer lange Albsteig mit seinen 8400 Höhenmetern trotzdem ein Novum sein, obwohl schon einige ältere Semester unter ihnen sind. Vom 30. September bis zum 5. Oktober wollen sie zusammen den Weg durchlaufen. Karlheinz Dravec aus Reichenbach an der Fils ist mit 61 Jahren der Senior im Quintett, er rennt an diesen Tagen sogar mitten hinein in seine Rente. Für den IT-Architekten bei Daimler beginnt direkt am 1. Oktober mitten in der Challenge die Passivphase seiner Altersteilzeit.

115 Kilometer an einem Tag – das geht auch

Wer nun aber glaubt, so ältere Herren und Damen wie Dravec, Andreas Bulling (56) oder Andrea Ellesser (58) sollten sich in ihren sportlichen Aktivitäten lieber nicht übernehmen, weiß nichts von deren Kondition, Zähigkeit und mentaler Stärke. Mancher Jüngere würde sich wünschen, nur halb so fit zu sein. Bulling hatte die Idee für diesen Albsteig-Lauf und fand im Tourismusverband Schwäbische Alb und im Albverein begeisterte Partner. Bulling ist stark vorbelastet, er ist nämlich auch der Erfinder des „Alb-Traum 100“-Runs, bei dem, wohlgemerkt an einem Tag, in 115 Kilometern einmal das Obere Filstal umrundet wird. Alle fünf Läufer, auch die jüngeren Manuel Schmied (38) und Melanie Bernardino Rodrigo (39), haben den Alb-Traum schon absolviert.

Zahlen können kaum vermitteln, was diese Läufer zu leisten imstande sind; man fragt sich, wie leidensfähig ein Körper eigentlich sein kann. Karlheinz Dravecs Rekord sind 245 Kilometer am Stück – es war 2021 der legendäre Spartathlon von Athen nach Sparta.

Er habe nur bei Kilometer 100 und 200 jeweils eine knappe halbe Stunde Pause gemacht, erzählt er, einmal, um sich Blasen aufstechen zu lassen, das andere Mal, um ein Bier zu trinken, morgens um 6 Uhr. „Da wusste ich, dass ich den Rest schaffe und habe mir das Bier gegönnt“, sagt Dravec. Diesen Sommer ist er in 19 Tagen von zuhause nach Kroatien gelaufen, rund 800 Kilometer. Er wollte seinem Vater, der dort lebt, zum 90. Geburtstag eine Freude machen.

Nach dieser Erkenntnis wäre man also versucht zu denken, der Albsteig werde für die fünf Läuferinnen und Läufer sowieso ein Spaziergang. Aber dem ist nicht so. Denn auch bei mehrtägigen Ultraläufen mache man selten mehr als 50 Kilometer am Tag, meint Melanie Bernardino Rodrigo, man gehe also beim Albsteig über die Schmerzgrenze.

Und auch jetzt müsse man sieben bis zehn Stunden am Tag hochkonzentriert bleiben, sagt Karlheinz Dravec. Er verrät: ihm würden sowieso immer schon nach 25 Kilometer die Beine wehtun. „Ich brauche dann zehn weitere Kilometer zum Akzeptieren, dann geht es wieder“, sagt er. Zudem könne niemand wissen, wie das Wetter wird oder ob man nicht doch auch schlechte Tage haben werde, sagt Manuel Schmied.

Ein schwer einzuschätzender Faktor ist auch, dass die fünf zusammenbleiben wollen. Es wird keinen Wettkampf um den Zieleinlauf geben. Wie gut sie in ihrem Laufrhythmus harmonieren, wissen sie aber noch gar nicht so richtig, obwohl sie sich alle schon länger aus der Laufszene kennen: „Erst einmal haben wir fünf jetzt zusammen trainiert“ gibt Rodrigo zu.

Das Tempo: rund zehn Kilometer in der Stunde

Sechs mal 60 Kilometer hintereinander, das birgt also auch für diese Routiniers zumindest eine kleine Herausforderung. Wobei Rodrigo zuletzt selbst einräumt: „Wir planen täglich zwei Stunden fürs Mittagessen ein – mit einer guten Mahlzeit und jeden Abend einem guten Bett dürfte die Strecke kein großes Thema sein.“ Und Andrea Ellesser fügt hinzu: „Ich kann mich quälen, das ist mir egal – Freud’ und Leid gehören beim Ultralauf einfach dazu.“

Tatsächlich sind die Quartiere fest vorgebucht, die Strecken sind also fix. Man wolle in eher gemütlichem Tempo laufen, rund zehn Kilometer in der Stunde, bei Steigungen noch viel langsamer, sagt Karlheinz Dravec. Ihm sei es extrem wichtig, die Natur genießen zu können. Er halte bei seinen Trails deshalb immer mal wieder an, um Fotos zu machen.

Und Karlheinz Dravec, den übrigens alle nur Kalle nennen, will sich auch sonst nicht näher vorbereiten auf die Strecke: „Ich bin ein Losläufer“, sagt er, er wolle sich überraschen lassen von dem, was kommt. Ob am Ende eines Tages also noch eine Mördersteigung zu bewältigen ist, bleibt ihm verborgen, bis der Weg sich plötzlich vor ihm aufschwingt.

Als Zuschauer weiß man letztlich nicht, ob man den Kopf schütteln soll über diese Verrückten oder ob man vor ihnen doch den Hut ziehen soll. Am besten beides. Den ersten langen Lauf, einen Marathon, hat Karlheinz Dravec übrigens erst 2011 absolviert, da war er schon 48 Jahre alt. Dann hat ihn das Fieber erfasst. Nach einem Sturz, bei dem er allein am Straßenrand liegenblieb, stellte ihn seine Frau vor die Wahl: aufhören oder im Verein trainieren. Dravec entschied sich für letzteres, und seine Frau begleitet ihn heute sogar bei nicht ganz so elend langen Strecken.

Nach der Alb kommen Tokio und Südamerika

Die meist gestellte Frage von Freunden sei derzeit, was er denn nun im Ruhestand noch an Rekorden aufstellen wolle. Gar keine, antwortet Karlheinz Dravec dann, die jetzigen reichten ihm vollkommen. Denn überhaupt laufe er nicht, um eine bestimmte Zeit zu schaffen: „Ich laufe wirklich nur aus purer Lebensfreude.“ Ziele hat er dennoch: Nächstes Jahr will er in Tokio den letzten der sechs World Marathon Majors laufen, und irgendwann soll es noch nach Südamerika gehen, dem letzten Lauf-Kontinent, der ihm noch fehlt.

Auf Instagram kann man verfolgen, wie sich die fünf Ultraläufer unterwegs fühlen und ob alle mit viel Lebensfreude in Tuttlingen ankommen. Man darf davon ausgehen, denn bei der Präsentation der Tour auf dem Wasserberghaus fragte Karlheinz Dravec zuletzt noch beiläufig: „Wollen wir die Strecke vielleicht nicht doch am Stück laufen? Oder zumindest gleich auf dem HW 2 wieder zurück nach Donauwörth?“

Er meinte es nur halb im Scherz.

Fotos, welche die landschaftliche Schönheit der Route zeigen, finden sich in der Bildergalerie.

Von Donauwörth an der Donau bis Tuttlingen an der Donau verläuft der 360 Kilometer lange Albsteig entlang des Albtraufs – die Donau selbst wird aber tatsächlich nur zu Beginn und zum Ende berührt. Wir zeigen die schönsten Höhepunkte dieses „Hauptwanderwegs 1“ des Schwäbischen Albvereins.Die gewaltige Anlage des Schlosses Harburg erreicht man gleich am ersten Tag.

© Faltin

Von Donauwörth an der Donau bis Tuttlingen an der Donau verläuft der 360 Kilometer lange Albsteig entlang des Albtraufs – die Donau selbst wird aber tatsächlich nur zu Beginn und zum Ende berührt. Wir zeigen die schönsten Höhepunkte dieses „Hauptwanderwegs 1“ des Schwäbischen Albvereins.Die gewaltige Anlage des Schlosses Harburg erreicht man gleich am ersten Tag.

Der Bockberg kurz nach Harburg ist der erste Gipfel, auf den der Läufer oder Wanderer stolz sein darf.

© Faltin

Der Bockberg kurz nach Harburg ist der erste Gipfel, auf den der Läufer oder Wanderer stolz sein darf.

In den ersten Tagen grüßen von Ferne häufig der Gipfel des Ipf (Bildmitte) und das Schloss Baldern (Erhebung rechts).

© Faltin

In den ersten Tagen grüßen von Ferne häufig der Gipfel des Ipf (Bildmitte) und das Schloss Baldern (Erhebung rechts).

Auch am Schloss Kapfenburg kommt man vorbei. Noch immer befindet man sich auf der Ostalb.

© Faltin

Auch am Schloss Kapfenburg kommt man vorbei. Noch immer befindet man sich auf der Ostalb.

Wasser ist selten auf der Alb – die Weiherwiesen bei Essingen erscheinen deshalb wie eine Fata Morgana.

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Wasser ist selten auf der Alb – die Weiherwiesen bei Essingen erscheinen deshalb wie eine Fata Morgana.

Der Rosenstein oberhalb von Heubach gehört zu den schönsten Gegenden der Schwäbischen Alb.

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Der Rosenstein oberhalb von Heubach gehört zu den schönsten Gegenden der Schwäbischen Alb.

Vom Wanderweg unterhalb des Wasserberghauses hat man einen fantastischen Blick auf die drei Kaiserberge – und in diesem Fall auch auf  Gewitterberge.

© Faltin

Vom Wanderweg unterhalb des Wasserberghauses hat man einen fantastischen Blick auf die drei Kaiserberge – und in diesem Fall auch auf Gewitterberge.

Im Kreis Göppingen gibt es sehr viele einsame Passagen, wie hier an dieser alten Scheune am Fränkel vorbei.

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Im Kreis Göppingen gibt es sehr viele einsame Passagen, wie hier an dieser alten Scheune am Fränkel vorbei.

Nach dem Regen: Blick auf den Albtrauf vom Rottelstein nahe des Fuchsecks

© Faltin

Nach dem Regen: Blick auf den Albtrauf vom Rottelstein nahe des Fuchsecks

Am Kornberg oberhalb von Bad Boll hat man die Hälfte des Weges fast geschafft.

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Am Kornberg oberhalb von Bad Boll hat man die Hälfte des Weges fast geschafft.

Jetzt ist man auf der Mittleren Alb angekommen: Vom Aussichtspunkt Boßler schaut man auf die Limburg, den Breitenstein und die Burg Teck.

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Jetzt ist man auf der Mittleren Alb angekommen: Vom Aussichtspunkt Boßler schaut man auf die Limburg, den Breitenstein und die Burg Teck.

Die Felsen am Traifelberg sind allesamt Aussichtsbalkone auf das gegenüberliegende Schloss Lichtenstein.

© Faltin

Die Felsen am Traifelberg sind allesamt Aussichtsbalkone auf das gegenüberliegende Schloss Lichtenstein.

Blick auf Talheim bei Tübingen und auf den Farrenberg

© Faltin

Blick auf Talheim bei Tübingen und auf den Farrenberg

Alte Buchen gibt es überall auf dem Albsteig – sie verleihen dem Weg ihren besonderen Zauber.

© Faltin

Alte Buchen gibt es überall auf dem Albsteig – sie verleihen dem Weg ihren besonderen Zauber.

Eine sehr ungewöhnliche Perspektive auf die Burg Hohenzollern bietet sich von den Höhen bei Jungingen.

© Faltin

Eine sehr ungewöhnliche Perspektive auf die Burg Hohenzollern bietet sich von den Höhen bei Jungingen.

Jetzt kommt der Hohenzollern ganz oft in den Blick: Am schönsten ist die Sicht vom Zeller Horn.

© Faltin

Jetzt kommt der Hohenzollern ganz oft in den Blick: Am schönsten ist die Sicht vom Zeller Horn.

Der Lochen ist der schönste Aussichtspunkt bei Balingen. Jetzt ist man auf der Westalb angelangt, wo sich die Berge über 1000 Meter befinden.

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Der Lochen ist der schönste Aussichtspunkt bei Balingen. Jetzt ist man auf der Westalb angelangt, wo sich die Berge über 1000 Meter befinden.

Blick zurück auf den Lochen vom Schafberg aus

© Faltin

Blick zurück auf den Lochen vom Schafberg aus

Der Wenzelstein, ein Nebengipfel des Schafsteins, besticht durch seine abgeschiedene Lage.

© Faltin

Der Wenzelstein, ein Nebengipfel des Schafsteins, besticht durch seine abgeschiedene Lage.

Der höchste Berg der Alb ist der Lemberg mit 1015 Metern links im Bild.

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Der höchste Berg der Alb ist der Lemberg mit 1015 Metern links im Bild.

Er wird auf dem Albsteig bestiegen. Und der 33 Meter höhere Turm natürlich auch.

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Er wird auf dem Albsteig bestiegen. Und der 33 Meter höhere Turm natürlich auch.

Bald geht der Albsteig zu Ende: An der Kreuzsteighütte ist man Tuttlingen nicht mehr allzu fern.

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Bald geht der Albsteig zu Ende: An der Kreuzsteighütte ist man Tuttlingen nicht mehr allzu fern.

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Erstellt:
22. September 2025, 10:40 Uhr

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