Ab Sonntag drohen Ausgangssperren

Die Sieben-Tages-Inzidenz ist gestern auf 214 gestiegen, zum ersten mal liegt sie über der kritischen Grenze von 200 Neuinfektionen pro 100000 Einwohnern. Bleibt die Zahl so hoch, wird der Kreis zum Hotspot und es drohen Schließungen.

Friseure, wie Julia Hirzel, könnten bald wieder schließen müssen, wenn der Kreis zum Hotspot erklärt wird. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Friseure, wie Julia Hirzel, könnten bald wieder schließen müssen, wenn der Kreis zum Hotspot erklärt wird. Archivfoto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Die Coronainfektionen im Rems-Murr-Kreis haben in den vergangenen Wochen stetig zugenommen. Anfang der Woche war klar, dass der Kreis wohl bald zu einem Hotspot zu werden droht. Zwar lag die Zahl der Inzidenz am Dienstag laut Landesgesundheitsamt noch bei 199,2 und damit knapp unter der kritischen Grenze, aber bereits gestern stieg die Sieben-Tages-Inzidenz dann auf 214. Bleibt dieser Wert auch in den folgenden zwei Tagen über 200, so wird das Landratsamt eine neue Allgemeinverfügung erlassen müssen, mit der das öffentliche Leben weiter eingeschränkt wird.

Sollte der Kreis zum Hotspot werden, werden einige neue Regeln kommen. Zum Beispiel müssen Friseure, Sonnenstudios und Barbershops schließen. „Wir haben uns bei der Vorbereitung unserer Allgemeinverfügung noch einmal an das Sozialministerium gewandt mit der Frage, ob es wirklich zielführend ist, den Einzelhandel und Friseurgeschäfte weiter einzuschränken“, so Landrat Richard Sigel. „Leider besteht das Sozialministerium auf diesen Punkt. Wir prüfen aktuell, ob Hausbesuche von Friseuren möglich wären. Wir möchten den Bürgern und den betroffenen Berufsgruppen in dieser ungewissen Zeit die größtmögliche Planungssicherheit geben und nutzen hierfür unseren Spielraum“, so der Landrat weiter. Deshalb sollen die Regelungen bewusst nicht „über Nacht“ von Freitag auf Samstag umgesetzt werden, sondern erst ab Sonntag.

Bei der Allgemeinverfügung handelt es sich bisher um einen Entwurf. Einige Fragen zu den erwarteten Einschränkungen haben wir aber schon beantwortet:

Ab wann gelten neue Einschränkungen?

Sobald der Rems-Murr-Kreis drei Tage in Folge über einer Inzidenz von 200 liegt. Allerdings gelten neue Regeln frühestens ab Sonntag, 13. Dezember, selbst wenn der Wert auch Donnerstag und Freitag schon über 200 liegen sollte. Da die Infiziertenzahlen immer erst am Abend vorliegen, wäre es nach Einschätzung des Landratsamts zu kurzfristig, die Regeln bereits ab Samstag gelten zu lassen. „Wenn wir das erst Freitagabend erfahren, wären Schließungen gleich am Samstag zu kurzfristig, zum Beispiel für Menschen, die Samstagmorgen noch einen Friseurtermin haben“, sagt Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamts. Ein weiterer Grund für diese Entscheidung sei auch die aktuelle Diskussion in Bund und Land, die allgemein zu schärferen Regelungen seitens des Landes führen könnte.

Wann gilt die Ausgangssperre?

Das Verlassen der Wohnung ist in der Zeit zwischen 21 und 5 Uhr grundsätzlich untersagt. Außerdem dürfen sich in diesem Zeitraum keine Menschen im Kreis aufhalten, die nicht auch hier wohnen. Ausnahmen gelten nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes. Dazu gehören zum Beispiel die Ausübung beruflicher Tätigkeiten und ehrenamtliche Einsätze von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst. Auch die medizinische und therapeutische Versorgung ist eine Ausnahme sowie die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen, die Begleitung Sterbender und von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen sowie die Versorgung von Tieren.

Darf man draußen Sport treiben?

Ja, Sport und Bewegung an der frischen Luft ist weiterhin erlaubt, solange man ihn alleine, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts ausübt.

Darf man abends noch einkaufen gehen? Ja, das Einkaufen im Einzelhandel oder im Supermarkt ist von der Ausgangssperre ausgenommen. Auch ist es weiterhin erlaubt, sich bei Gastronomiebetrieben Speisen und Getränke für Zuhause abzuholen.

Müssen die Einzelhändler schließen?

Nein. Allerdings gibt es auch für Einzelhändler weitere Einschränkungen. So werden besonderen Verkaufsaktionen verboten, wie zum Beispiel Räumungs- oder Schlussverkäufe und besondere Rabattaktionen, bei denen aufgrund des Eventcharakters oder des erwarteten zusätzlichen Publikumsverkehrs ein größerer Zustrom von Menschenmengen erwartet werden kann.

Wer kontrolliert die Regeln?

Die Polizei und die örtlichen Ordnungsämter. Vor allem die Kontrollen der nächtlichen Ausgangssperre dürften für die Beamten aufgrund der langen Liste an Ausnahmen eine Herausforderung werden. „Die Polizei ist bereits mit im Boot, damit sie sich auf die Situation gut vorbereiten kann“, sagt Martina Keck. „Die Kontrollen werden aber durchaus zur Herausforderung werden.“ Denn für die Beamten wird es schwer sein, nachzuprüfen, ob jemand nach 21 Uhr tatsächlich noch Lebensmittel einkaufen gehen will oder das eben nur behauptet. Die zahlreichen Ausnahmen mussten aber aus juristischen Gründen mit in die Allgemeinverfügung aufgenommen werden. „Bestimmte Grundrechte können wir ja gar nicht einschränken. Und die Verfügung muss immer noch vor Gericht Bestand haben“, sagt Keck.

Wie lange gelten diese Regeln?

Sollte der Sieben-Tages-Inzidenzwert von 200 an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten werden, tritt die Allgemeinverfügung außer Kraft. Grundlage dafür ist der tägliche Lagebericht des Landesgesundheitsamt.

Was bedeutet das für Weihnachten?

Wie genau die Regeln nun an Weihnachten aussehen werden, ist im Landratsamt noch nicht ganz klar. Offiziell endet die Corona-Verordnung von Baden-Württemberg am 20. Dezember. „Wir hoffen, dass bald noch eine Klarstellung vom Land kommt, wie es danach weitergeht“, sagt Keck. Angesichts der hohen Infektionszahlen stellt Landrat Richard Sigel die zunächst geplanten Lockerungen zu Weihnachten in Frage und appelliert: „Wir müssen uns jetzt gemeinsam anstrengen. Die kurze Freude des Beisammenseins in der Adventszeit oder am Weihnachtsabend sollte nicht zu einem bösen Erwachen im Januar führen.“

Zulassungsstelle Backnang wegen Coronafall geschlossen

In der Zulassungsstelle in Backnang hat es einen Coronafall unter den Mitarbeitern gegeben. Bis einschließlich Freitag, 11. Dezember, bleibt diese geschlossen. Der Fall hat keine Auswirkungen auf die Kunden der vergangenen Tage, da Hygieneregeln eingehalten wurden.

Kunden werden gebeten, sich diese Woche an die Zulassungsstellen in Waiblingen und Schorndorf zu wenden. Ab Montag, 14. Dezember, ist die Backnanger Zulassungsstelle wieder geöffnet. Dies wird auch dadurch ermöglicht, dass Mitarbeiter der anderen Standorte aushelfen, wo Hilfe benötigt wird.

Am Mittwoch wurden im Rems-Murr-Kreis 203 Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Damit steigt die Zahl der insgesamt Infizierten auf 7827. Aktuell befinden sich 1087 positiv getestete Personen in Quarantäne.

Ein weiterer Mensch ist mit einem positiven Covid-19-Test gestorben. Damit steigt die Zahl der Verstorbenen auf 130.

In den Rems- Murr-Kliniken werden aktuell 77 Covid-Patienten stationär versorgt. 18 auf der Intensivstation, von ihnen müssen 14 beatmet werden.

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Erstellt:
10. Dezember 2020, 06:00 Uhr

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