Durchbruch beim Streit um im Iran inhaftierte Britin

dpa Teheran. Fast sechs Jahre lang ringen London und Teheran um die Freilassung der im Iran festgehaltenen Nazanin Zaghari-Ratcliffe. Nun konnte die britisch-iranische Doppelstaatlerin das Land verlassen.

Nazanin Zaghari-Ratcliffes Ehemann Richard Ratcliffe hält bei einem Protest in London im vergangenen November das Foto seiner Frau in den Händen. Foto: Frank Augstein/AP/dpa/Archiv

Nazanin Zaghari-Ratcliffes Ehemann Richard Ratcliffe hält bei einem Protest in London im vergangenen November das Foto seiner Frau in den Händen. Foto: Frank Augstein/AP/dpa/Archiv

Durchbruch nach jahrelangem Streit: Die britisch-iranische Doppelstaatlerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe hat den Iran nach knapp sechs Jahren Gefängnis und Hausarrest verlassen dürfen. Dies teilte der britische Premierminister Boris Johnson auf Twitter mit.

Auch ein weiterer Doppelstaatler mit britischem Pass durfte aus Teheran ausreisen. „Ich freue mich, bestätigen zu können, dass die ungerechte Inhaftierung von Nazanin Zaghari-Ratcliffe und Anoosheh Ashoori im Iran heute zu Ende gegangen ist“, schrieb Johnson. Die beiden seien auf dem Weg nach Großbritannien.

Die Labour-Abgeordnete Tulip Siddiq veröffentlichte ein Foto auf Twitter, das die lächelnde Zaghari-Ratcliffe in einem Flugzeug zeigte. Medienberichten zufolge dürfte sie einen Umweg über einen arabischen Golfstaat nehmen, der an bei der Vermittlung geholfen hatte.

Unter Spionagevorwürfen verhaftet

Die frühere Projektmanagerin der Thomson Reuters Stiftung war 2016 nach einem Besuch bei ihren Eltern unter Spionagevorwürfen verhaftet worden. Sie solle versucht haben, die Regierung zu stürzen, hieß es. Obwohl sie alle Anklagepunkte zurückwies, wurde sie von einem Revolutionsgericht zu fünf Jahren Haft verurteilt und später zu einem weiteren Jahr. Während der Corona-Pandemie kam sie aus dem Gefängnis in Hausarrest. Ihr britischer Ehemann Richard Ratcliffe setzte sich unter dem Slogan „Free Nazanin“ vehement für die Freilassung der Mittvierzigerin ein. Das Paar hat eine Tochter im Grundschulalter.

„Man kann die Zeit nicht zurückbekommen“, sagte Ratcliffe am Mittwoch vor Journalisten. Aber man lebe in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. So richtig glauben können werde er die Freilassung seiner Frau aber erst, wenn sie in Großbritannien angekommen sei, sagte Ratcliffe weiter.

London zahlte

Vermutet wird, dass der Iran mit dem Vorgehen gegen Zaghari-Ratcliffe die Zahlung alter britischer Schulden aus der Zeit vor der Islamischen Revolution 1979 erreichen wollte. Es geht um 400 Millionen Pfund (476 Millionen Euro). Außenministerin Liz Truss bestätigte in London, dass die Summe nunmehr gezahlt worden sei. Ihren Angaben zufolge wurde ein weiterer britisch-iranischer Doppelstaatler im Rahmen der Vereinbarung aus der Haft entlassen, der Mann sei aber im Iran geblieben.

Truss dürfte von dem Verhandlungserfolg profitieren. Vier ihrer Vorgänger waren an dem Fall gescheitert. Besonders Boris Johnson hatte in seiner Zeit als Chefdiplomat keine rühmliche Rolle gespielt. Bei einer Befragung in einem Ausschuss des britischen Unterhauses, sagte er einst, Zaghari-Ratcliffe habe Journalisten im Iran ausgebildet - was sie jedoch stets bestritten hatte.

Nun Fortschritte beim Atomabkommen?

Beobachter spekulieren, dass die Freilassung der Briten auch positive Auswirkungen auf die internationalen Atomverhandlungen in Wien haben könnte. Im Januar 2016 wurde zunächst ein inhaftierter US-Iraner, der „Washington Post“-Reporter Jason Rezaian, freigelassen, und im Gegenzug seitens der USA eingefrorene iranische 1,7 Milliarden Dollar (etwa 1,54 Milliarden Euro) freigegeben. Erst danach wurde das Wiener Atomabkommen von 2015 offiziell umgesetzt.

Das Thema Freilassung von inhaftierten Doppelstaatlern war auch am Rande der jüngsten Verhandlungen in Wien heftig diskutiert worden. Insbesondere die USA warfen dem Iran vor, sie als „politische Geiseln“ zu benutzen. Derzeit sind im Iran mehr als ein Dutzend Iraner mit westlicher Staatsbürgerschaft - unter anderem Amerikaner, Deutsche, Franzosen und Österreicher - wegen angeblicher politischer Vergehen oder Spionage inhaftiert.

© dpa-infocom, dpa:220316-99-542066/4

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Erstellt:
16. März 2022, 11:59 Uhr

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