Ärger in Mittelbrüden ist vorprogrammiert

Eine Autoverwertungsanlage direkt neben Wohnhäusern kann nicht gut gehen – Betrieb hätte wohl nie genehmigt werden dürfen

Dass es Zoff geben wird, war absehbar. Sagt Martin Schröder. Der Rechtsanwalt vertritt ein Ehepaar aus Mittelbrüden. In dessen direkter Nachbarschaft, zehn Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, befindet sich eine Autoverwertungsanlage. Deren Betreiber ist Nuel Johnson. Der 49-Jährige hat seinen Betrieb zertifizieren und genehmigen lassen. Er hat alles richtig gemacht. Das sagen auch die Anwälte. Aber der Betrieb hätte wohl nie genehmigt werden dürfen.

Können nicht verstehen, dass die Exakt-Autoverwertungsanlage in Auenwald-Mittelbrüden im Gewerbegebiet Hofwiesen ruhen muss (von links): Diplom-Ingenieur Günter Hoffmann und Kfz-Meister Nuel Johnson mit seinen beiden Nachbarn Alfred Pfister und Erwin Teschner. Foto: F. Muhl

Können nicht verstehen, dass die Exakt-Autoverwertungsanlage in Auenwald-Mittelbrüden im Gewerbegebiet Hofwiesen ruhen muss (von links): Diplom-Ingenieur Günter Hoffmann und Kfz-Meister Nuel Johnson mit seinen beiden Nachbarn Alfred Pfister und Erwin Teschner. Foto: F. Muhl

Von Florian Muhl

AUENWALD. Im Moment ruht die Anlage. Keine Autos, die verschrottet werden. Die Nachbarn haben Ruhe. Der Betreiber keine Einnahmen. Ein Dutzend Verfahren hat es bereits beim Verwaltungsgericht Stuttgart und Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegeben. Dabei ist es nur darum gegangen, ob der Betrieb sofort eingestellt wird und pausieren muss oder nicht. Das Hauptverfahren kommt noch. Dabei wird es darum gehen, ob die Genehmigung des Betriebs überhaupt hätte erfolgen dürfen. Und das kann dauern, sagt Anwalt Schröder.

Vor-Ort-Termin in der Straße „Am Ziegelgraben“. Verständnis für die Nachbarn. Dieser Anblick ist wirklich nicht prickelnd. Gestapelte Schrottautos direkt vor der Nase, nur einen Steinwurf entfernt. Der Betrieb ruht. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn die Wracks jetzt auseinandergenommen oder zusammengepresst werden würden. Die Nachbarn wohnen in einem Mischgebiet. Zu dem Zeitpunkt, als sie dort gebaut haben beziehungsweise eingezogen sind, war an der Stelle der Verwertungsanlage noch der Bauhof eines Bauunternehmers angesiedelt. Da sei auch gearbeitet worden, aber lange nicht so viel Lärm entstanden wie jetzt, sagen die Nachbarn.

Videokameras sind auf den Betrieb von Nuel Johnson gerichtet

Um festzuhalten und zu dokumentieren, was sich mittlerweile seit zwei Jahren auf der Anlage mit den Schrottautos tut und welcher Lärm entsteht, haben sie mehrere Videokameras installiert, die auf Johnsons Betrieb gerichtet sind und Beweisaufnahmen liefern sollen, die sie zu Anwälten und damit auch zu den Gerichten schicken. Ihr Ziel ist die endgültige Einstellung des Schrottbetriebs.

Vor-Ort-Termin in der Straße „Im Wiesengrund 7–9“. Verständnis für Nuel Johnson. Sein Betrieb ruht. Muss ruhen. Das Gericht hat so entschieden. Er hat keine Einnahmen. Der heute 49-Jährige kam vor 27 Jahren aus Nigeria nach Deutschland. Er hat erst eine Lehre als Kfz-Mechaniker absolviert und dann seine Meisterprüfung erfolgreich abgelegt. 2017 beschloss er, sich mit einer Altfahrzeugverwertung selbstständig zu machen. In Mittelbrüden in einem Gewerbegebiet ohne Einschränkung namens Hofwiesen fand er das jetzige Grundstück mit Werkstatt- und Lagergebäuden. Erkundigungen nach Genehmigungsfähigkeit bei verschiedenen Stellen holte er ein. Es gab keine Bedenken. Mit seinem Arbeitgeber, einem Autohaus in Backnang, bei dem er eine Vollzeitstelle als Kfz-Meister hatte, war vereinbart worden, dass er seinen Betrieb im Nebenerwerb betreiben dürfe.

Mit Diplom-Ingenieur Günter Hoffmann schaltete Johnson einen Experten ein, der die Fachplanung übernahm. Der heute 80-Jährige leitete bis 2004 ein Zertifizierungsbüro für Entsorgungsbetriebe in Reichenbach an der Fils. Hoffmann leitete alles in die Wege. Nach Prüfung durch das Landratsamt und Anhörung der zuständigen Fachbehörden (Feuerwehr, Untere Wasserbehörde, Gewerbeaufsichtsamt, Baurechtsbehörde und weitere) erteilte dann das Landratsamt Rems-Murr am 20. Dezember 2017 die Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Autoverwertung mit einer Leistung von 1000 Fahrzeugen pro Jahr. Die Zertifizierung erfolgte am 30. März 2018. Danach wurde mit dem Betrieb begonnen.

Nach ruhigem Start kamen dann doch rasch die ersten Beschwerden. Zu viel Lärm und Arbeiten bis in die späten Abendstunden hinein, sagten die Nachbarn. Die Polizei rückte des Öfteren an. Lärmmessungen wurden vorgenommen. Auch von der Gewerbeaufsicht. Ob rechtlich verwertbar, ist strittig. Das Ergebnis: Während des Verladens von Wracks mittels Ladekran in einen Großraumcontainer ists zu laut.

Johnson sagt, er habe danach die Art der Verladung verändert und ansonsten ausschließlich innerhalb der Halle bei geschlossenen Toren gearbeitet. Er habe das Gefühl, so der 49-Jährige, dass seine Hautfarbe und die seiner Arbeitskollegen eine Rolle für die Ablehnung spielen würde. So freut sich der Kfz-Meister umso mehr über die Unterstützung von Freunden aus Mittel- und Oberbrüden, beispielsweise Alfred Pfister und Erwin Teschner, die zu ihm halten.

Rechtsanwalt Martin Schröder, der die Nachbarn vertritt, sagt: „Niemand ist in dem Streit der Böse, weder die Nachbarn noch Herr Johnson.“ Und er sagt: „Wenn ich einen solchen Betrieb in dieser Nachbarschaft genehmige, kann das nicht gut enden. Das Landratsamt hat eine Informationspflicht. Es hätte dem Betreiber der Anlage sagen müssen, dass das so nicht funktionieren kann.“

Der wesentliche Grund sei, dass eine solche Anlage in ein Industriegebiet gehöre. „Herr Johnson kann sich abstrampeln wie er will, die Anlage kann er nie ohne erhebliche Belästigungen betreiben“, sagt Schröder. Wenn schon in ein Gewerbegebiet, dann abgerückt zur Wohnbebauung, und nicht zehn Meter vor die Nase setzen. Versäumnisse sieht der Rechtsanwalt auch beim Baurechtsamt Backnang. Beim Studium der umfangreichen Akten habe er nicht erkennen können, dass ausreichend oder überhaupt geprüft worden sei. „Wenn ich solche Akten sehe, sage ich immer: Das ist Wirtschaftsförderung und keine Bauaufsicht“, kommentiert Schröder.

Das Gericht hat mittlerweile ein Zwangsgeld von 4500 Euro verhängt

Dann habe aber der Skandal seine Fortsetzung genommen, sagt der Rechtsanwalt. „Vorher haben die Behörden nur schlampig gearbeitet.“ Dann aber, nachdem das Verwaltungsgericht den Betrieb der Anlage im vergangenen Jahr untersagt habe, hätte das Landratsamt gesagt, dieser Beschluss sei im Prinzip egal, der macht nichts und wir warten mal ab. „Damit haben sich Johnson und die zuständigen Mitarbeiter des Landratsamts möglicherweise strafbar gemacht, weil die Anlage noch mehrere Monate weiter betrieben worden ist“, sagt Schröder.

Das Gericht hat mittlerweile Zwangsgelder in Höhe von 500 beziehungsweise 1000 Euro nicht nur angedroht, sondern auch verhängt. 4500 Euro soll der Kfz-Mechaniker zahlen. Schröder bemerkt: „Das Schlimmste ist, das geht alles zulasten von Johnson. Der meint es gut, wollte nur einen Betrieb aufmachen. Der tut mir leid. Verraten wurde er von den Genehmigungsbehörden.“

Helmut Wagner will sich diesen Schuh nicht anziehen. Der Leiter des Baurechtsamts Backnang weist darauf hin, dass sein Amt nur eine Stellungnahme abgegeben habe. Die Fakten und Örtlichkeiten habe man sich angeschaut und man sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass dieser Betrieb in einem Gewerbegebiet genehmigungsfähig ist“, so Wagner. Und zwar deshalb, weil es sich aus seiner Sicht um einen a-typischen Betrieb handeln würde. Das sind Betriebe, die entweder kleiner sind oder bestimmte Arbeitsschritte nicht machen würden. Was für ihn nicht gleich ersichtlich war, ist, dass wohl auch eine mobile Schrottpresse verwendet wurde.

Das Landratsamt nimmt zu den Vorwürfen wie folgt Stellung: „Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz hat jeder (potenzielle) Anlagenbetreiber einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung, wenn die im Verfahren zu prüfenden Voraussetzungen vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere auch, dass alle baurechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung im Dezember 2017 lagen alle Genehmigungsvoraussetzungen vor. Nach Ansicht der zuständigen Baurechtsbehörde (Stadt Backnang) und der Immissionsschutzbehörde handelte es sich bei der Firma Exakt-Autoverwertung um keinen erheblich belästigenden Betrieb, weil die Arbeiten nur innerhalb einer geschlossenen Halle durchgeführt werden sollten.“ Aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs seien die Anforderungen an Betriebe, die in einem Gewerbegebiet ansiedeln möchten, gestiegen. „Viele Betriebe können daher nur noch in einem Industriegebiet baurechtlich zugelassen werden“, teilt das Landratsamt mit.

Rechtsanwalt Martin Schröder aus Saarbrücken zieht ein Fazit: „Wenn ich der Anwalt von Herrn Johnson wäre, würde ich mich mit meinem Mandanten über Schadenersatzforderungen gegen die Genehmigungsbehörde unterhalten.“

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Erstellt:
18. Februar 2020, 06:00 Uhr

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