Ärger um Baumfällungen im Plattenwald

In Youtube-Videos prangert der Bürgerverein Backnang-Plattenwald die umfangreichen Baumfällungen in Backnang an und wittert Misswirtschaft. Die Verantwortlichen widersprechen: Sie verweisen auf Zwänge durch Trockenheit und Eschentriebsterben.

Die Eingriffe im Wald in Backnang waren stärker als bisher üblich – das zeigt sich beispielsweise im Gebiet zwischen Strümpfelbach, Zell und dem Staigacker. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Eingriffe im Wald in Backnang waren stärker als bisher üblich – das zeigt sich beispielsweise im Gebiet zwischen Strümpfelbach, Zell und dem Staigacker. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Im Backnanger Plattenwald hat sich in den vergangenen Monaten einiges getan – sehr zum Unmut vieler Anwohner und Besucher. „Licht, kahl und traurig“ sei der Wald nun, heißt es in einem Video des Bürgervereins Backnang-Plattenwald, in dem auf umfangreiche Fällungen aufmerksam gemacht wird. Als „Experten“ haben sich die Vereinsmitglieder den BUND-Vorsitzenden Andreas Brunold ins Boot geholt. Von Raubbau und massiver Waldzerstörung ist die Rede. „Egal wo Sie hinschauen: Schneise über Schneise“, sagt Lutz Bensinger als Vertreter des Vereins im Video. Wo einst ein Trampelpfad war, biete sich heute an, eine Autobahn zu bauen angesichts des vielen frei gewordenen Platzes. „Wenn Backnang noch mal eine zweite Sporthalle braucht, hier bietet sich das regelrecht an“, heißt es an einer anderen Stelle. Zudem seien zum Teil Wanderwege von gefällten Bäumen und Ästen versperrt, teils gar „planlos kaputt gemacht“. Markige Sprüche, mit schweren Vorwürfen. Doch was ist dran?

Ja, die Eingriffe im Wald waren stärker als bisher üblich, heißt es sowohl von der Backnanger Stadtverwaltung als auch vom stellvertretenden Forstamtsleiter Ulrich Häußermann. Und ja, zum Teil wurden ganze Flächen gerodet – zumal auch noch in vergleichsweise augenscheinlichen Gebieten. Doch aufgrund wirtschaftlicher Interessen geplant sei das Ganze nicht gewesen. „Die Einschläge waren zu 100 Prozent Zwangsnutzung“, erklärt Häußermann. „Wir rennen dem Eschentriebsterben hinterher, genauso auch abgängigen Buchen.“ Auch seine Wunschvorstellung der Forstwirtschaft im Plattenwald sehe anders aus, macht der Experte deutlich. „Wir würden gerne so arbeiten, dass es gar nicht so auffällt, wenn ein Baum gefällt wird.“ Denn größere lichte Flächen führten schließlich dazu, dass die umstehenden Bäume mehr Licht abbekommen, Buchen bekämen dann eine Art Sonnenbrand. Gewollt sei das nicht. Aber den Förstern bleibe oftmals nichts anderes übrig. Die Aufforstung durch klimastabile Baumarten sei zum Teil schon erfolgt und werde weiter vorangetrieben. „Das Waldinnenklima ist gestört“, erklärt Häußermann. Insofern stelle sich oft die Frage: Lasse ich den Bestand zusammenbrechen oder nutze ich das Holz, solange es noch geht? Zumal es nicht verwerflich sei, im Rahmen einer nachhaltigen Holzwirtschaft auch mal einen gesunden Baum zu fällen. Tobias Horwath, der stellvertretende Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald, hebt angesichts der umfangreichen Fällungen hervor: „Es geht uns nicht anders als vielen Bürgern, solche Maßnahmen tun uns auch weh.“

Umfallende Eschen gefährdendie Besucher des Waldes.

Gerade im Staatswald zwischen Strümpfelbach, dem Staigacker und Zell – ein Gebiet, das im Video des Bürgervereins besonders hervorgehoben wurde – habe man massive Probleme mit dem Eschentriebsterben gehabt. Für die FSC-Zertifizierung habe man dokumentiert, warum großflächige Fällungen notwendig wurden: „Die Wurzeln der Eschen waren schon abgefault.“ Das wiederum habe zur Folge, dass die Bäume reihenweise umfallen. Und da der Plattenwald ein Erholungsort für viele Menschen ist, könne man vor dieser Gefahr nicht einfach die Augen verschließen, macht Horwath klar. Das bekräftigt auch Häußermann: „Wenn wir diese Bäume stehen lassen, müssen wir die Bereiche sperren.“ Das sei sicherlich nicht im Sinne der Anwohner, wurde doch im Video des Bürgervereins auch kritisiert, dass manche Wege aufgrund der herumliegenden Äste nicht oder nur schwer passierbar seien. Hier kommt laut städtischer Pressestelle noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: „Astmaterial, das sich innerhalb der Waldbestände befindet und möglicherweise einen Trampelpfad blockiert, darf nach Vorgabe der FSC-Richtlinie nicht entfernt werden, um die Nährstoffsicherung zu gewährleisten.“

Über weitere Punkte, die im Video angeprangert wurden, klärt Horwath auf, so etwa über den Schotterweg im Waldstück zwischen Strümpfelbach und Staigacker. Brunold hatte gefordert, dass die „Straße“ unbedingt wieder wegkommen müsse. Die Verantwortlichen widersprechen. Zum einen, so Horwath, seien über diesen Weg viele Maschinen gefahren, weswegen er nur schwer begehbar war. „Wir dachten, wir tun etwas Gutes und bringen eine Schotterschicht auf, damit man wieder darauf gehen kann.“ Die städtische Pressestelle weist zudem darauf hin, dass eine Sanierung des etwa 100 Jahre alten Wegs „für die Erreichbarkeit eines Kontrollschachts der Nordostwasserversorgung“ notwendig gewesen sei. Und eine weitere Behauptung Brunolds ist nach Aussagen Horwaths falsch: Dass auf manchen Pfützen ein leichter Film erkennbar ist, liege nicht daran, dass etwa die Harvestermaschinen Hydrauliköl abgelassen hätten. Vielmehr werde dieser von Mikroorganismen verursacht. „Das hätte man auch bei uns erfragen können“, merkt der stellvertretende Forstbezirksleiter an.

Überhaupt wünschen sich die Verantwortlichen im Forst eine bessere Kommunikation. Denn dass sich die Waldbesucher über die Eingriffe wundern, sei verständlich – auch wenn diese bei Weitem nicht still und heimlich durchgeführt worden seien, man habe das in der Presse kommuniziert. Die Art und Weise, wie die Mitglieder des Bürgervereins ihr Missfallen kundgetan haben, habe ihn aber doch erstaunt, sagt Horwath. Auf eine E-Mail-Anfrage eines Vereinsverantwortlichen bezüglich der Fällarbeiten am Freibad habe er schließlich ausführlich geantwortet und wäre auch wieder dazu bereit gewesen. Sowohl die Stadtverwaltung als auch Ulrich Häußermann verweisen darauf, dass Anfang 2020 ein Vor-Ort-Termin mit Bürgern zum Thema stattgefunden habe. Mitglieder des Nabu loben die Gesprächsbereitschaft der Förster. Diese wollen gerne wieder eine Begehung anbieten – wenn die Coronaverordnung es zulässt.

Kommentar
Auf Dialog setzen

Von Lorena Greppo

Der Plattenwald bietet an einigen Stellen einen traurigen Anblick. Die vielen gefällten Bäume dürften nicht nur Umweltschützern missfallen, schließlich ist ein stattlicher Wald Lebensraum für Tiere, CO2-Speicher, Erholungsort und vieles mehr. Sich über die umfangreichen Fällarbeiten zu wundern oder gar zu ärgern, ist daher verständlich und legitim. Nur: Den Verantwortlichen in Videos Raubbau – also eine mutwillige Zerstörung des Waldes aus wirtschaftlichen Interessen heraus – vorzuwerfen, ist ein Schlag unter die Gürtellinie. Wer den Erklärungen der Förster zuhört, erkennt auch schnell, dass sie diese Arbeiten nicht leichtfertig angeordnet haben. Insofern gilt einmal mehr: Den Dialog mit den Verantwortlichen zu suchen, hilft dem Verständnis ungemein und verhindert, dass sich Falschinformationen verbreiten und sich die Fronten verhärten. Forstamt und Forstbezirk zeigen sich aufgeschlossen. Denn schließlich haben alle Beteiligten den gleichen Wunsch: einen gesunden Plattenwald.

l.greppo@bkz.de

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Erstellt:
23. April 2021, 06:00 Uhr

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