Ärger um erhöhte Parkgebühren

Die Stadt Backnang hat den baufälligen früheren Güterschuppen beim Bahnhof abreißen lassen und an seiner Stelle neue Parkplätze angelegt. Nutzer müssen jetzt allerdings tiefer in die Tasche greifen – und das stößt auf Kritik.

Die Gebühren auf dem Parkplatz zwischen Bürgerhaus und Bahnhof wurden nach dem Abriss des Güterschuppens erhöht. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Gebühren auf dem Parkplatz zwischen Bürgerhaus und Bahnhof wurden nach dem Abriss des Güterschuppens erhöht. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. Erst mal eine Stunde frei, dann 50 Cent pro Stunde: Das habe sie gerne angenommen, schreibt eine Leserin, die sich über die neuen Tarife ärgert. Denn jetzt, nach Abschluss der Bauarbeiten, sei das Parken nahe dem Bürgerhaus fast doppelt so teuer wie davor. Da heiße es doch immer, wie wichtig der Einsatz im Einzelhandel in Backnang – gerade auch in Coronazeiten – sei. Aber einige Läden in der Innenstadt hätten eben nicht die Möglichkeit, Parkplätze für ihre Angestellten zur Verfügung zu stellen. Die Beschäftigten müssen deshalb selbst eine Lösung finden. Da war das Areal beim Bahnhof eine günstige und höchst willkommene Möglichkeit.

Die Frau, die aus der näheren Umgebung kommt und als Beschäftigte im Einzelhandel tätig ist, namentlich aber nicht genannt werden möchte, musste, wie sie erläutert, früher fürs Parken etwa 2,50 bis 2,75 Euro pro Tag aufbringen. Jetzt seien es dagegen etwa 4,40 Euro. Auch wenn sie der Stadtverwaltung als Pluspunkt bei der Neugestaltung zugutehält, dass es viele neue Möglichkeiten für Fahrradabstellplätze gibt, ärgert sie sich über den Gebührenaufschlag.

Was bleibt nun für sie? Die Alternative, zu der manche Pendler greifen, um Geld zu sparen, kommt nicht infrage: „Parken im Wohngebiet ist für mich keine Lösung.“ Der Bus? Die Zeiten passen in ihrem Fall nicht. Deshalb nimmt sie vorerst das Fahrrad, solange es vom Wetter her geht, und nutzt ansonsten lieber das Windmüller-Parkhaus in der Gerberstraße. Dort steht das Auto dann wenigstens im Trockenen, auch wenn der Stellplatz auch dort nicht umsonst ist.

Die Stadt Backnang verteidigt sich gegen die Kritik. Zum einen seien die Tarife am Parkplatz an der Oberen Bahnhofstraße wegen steuerlicher Aspekte geändert worden. Zum anderen sei es darum gegangen, die Tarifstruktur in Backnang zu vereinheitlichen. Dies teilt die städtische Pressereferentin Christine Wolff auf Anfrage mit. Die Gebühren seien nun die gleichen wie beim Bildungshaus in der Bahnhofstraße. Sie liegen damit deutlich unter dem Tarif auf der Bleichwiese.

Die Brötchentaste wurde nur selten in Anspruch genommen.

Im Vorfeld der Erhöhung habe der städtische Vollzugsdienst, so Wolff weiter, an mehreren Tagen kontrolliert, wie oft beim Parkplatz an der Bahnhofstraße die grüne Taste – umgangssprachlich wurde sie auch als „Brötchentaste“ bezeichnet – für eine Stunde freies Parken gedrückt wurde. Dabei sei festgestellt worden, dass diese Taste nur selten benutzt wurde. Und weil es diese Möglichkeit, eine Stunde kostenlos zu parken, auf keinem anderen gebührenpflichtigen Parkplatz der Stadt Backnang gibt, habe die Stadtverwaltung beschlossen, in diesem Punkt ein einheitliches Bild herzustellen und die grüne Taste zu deaktivieren. Dennoch soll Kurzparken nach wie vor vergünstigt sein, erklärt Wolff. Daher machen die Gebühren nach der ersten Stunde einen Sprung von 0,50 auf 1,50 Euro.

Matthias Wiedmann, der sich schon des Öfteren mit der Parksituation auseinandergesetzt hat, findet, dass es in Backnang eigentlich genug Parkplätze gibt. Und die Gebühren seien im Grunde auch in Ordnung, sie bewegten sich in einem vernünftigen Bereich, so das Vorstandsmitglied des Stadtmarketingvereins mit Blick auf die Gebühren in anderen Städten. Aber gleichzeitig bekennt sich der Gesellschafter von Spielwaren Wiedmann als Fan des Winnender Modells, nach dem Besucher der Innenstadt erst mal zwei Stunden kostenlos parken können. Für viele, die irgendwo zwischen Backnang und Winnenden wohnen, gebe das im Zweifel den Ausschlag, lieber in der Nachbarstadt einzukaufen.

Dass es die Brötchentaste beim Parkplatz in der Bahnhofstraße nicht mehr gibt, bedauert er. Was der Stadt dadurch bei Kurzzeitparkern an Einnahmen entgeht, könne sie eher bei Langzeitparkern erheben, meint Wiedmann. Massive Beschwerden habe es aber, so seine Erfahrung, wegen der Abschaffung der Gratiszeit bislang nicht gegeben. Der Geschäftsmann bestätigt aber auch, dass es kein Einzelfall sei, wenn Arbeitgeber in der Innenstadt ihren Mitarbeitern keinen Parkplatz bieten können. In seinem Falle aber seien die Beschäftigten durchweg Backnanger, und für Auswärtige verfüge die Firma über zwei Stellplätze.

Wiedmann plädiert vor diesem Hintergrund für ein kreatives Herangehen an die Parkthematik und deutet auf das Modell Straubing. In der niederbayerischen 48000-Einwohner-Stadt wurde ein am Stadtrand gelegenes ehemaliges Messegelände in einen Großparkplatz mit rund 2000 Stellplätzen umgewandelt. Besucher – Pendler, Kunden, Touristen – können ihren Wagen dort kostenlos abstellen und mit einem Bus-Shuttle ebenso kostenlos in die Stadtmitte fahren, und sie kommen mit dem Pendelbus auch wieder verlässlich bis in die Abendstunden zurück zum Autostellplatz. „Ein cooles Modell“, findet Wiedmann, der das dortige System während eines Seminars kennengelernt hat. Die Leute, so sein Fazit, seien dort wesentlich entspannter, weil es keinen Ärger ums Parken gibt.

So ließe sich auch das Anliegen der Leserin, die sich über die neuen Parkgebühren ärgert, erledigen. Ihr Vorschlag lautet: „Vielleicht kann sich die Stadt Backnang auch Gedanken machen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, Angestellten, die das Leben in der Innenstadt am Laufen halten, auch bezahlbare Parkmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.“ Beispielsweise mit einem Monatsparkticket. So ein Angebot sei beim Bürgerhaus nicht vorgesehen, erläutert Wolff hingegen, da es sich dort nicht um einen P+R-Parkplatz handle: Möglichkeiten, Monatstickets zu erwerben, gebe es für das Parkhaus und für den Parkplatz oberhalb des Bahnhofs am Büttenenfeld.

Gebührenstaffel

Parkplatz Bürgerhaus:

30 Minuten 0,25 Euro

1. Stunde 0,50 Euro

2. Stunde 1,50 Euro

3. Stunde 2,50 Euro

Höchstparkdauer 1 Tag 5,50 Euro

Gebührenpflichtige Parkzeit:

Montag bis Freitag 7 bis 19 Uhr

Samstag 7 bis 16 Uhr

Sonn- und Feiertag frei

Parkplatz Bleichwiese:

je 15 Minuten 0,25 Euro

Höchstparkdauer 3 Stunden

Gebührenpflichtige Parkzeit:

Montag bis Freitag 7 bis 19 Uhr

Samstag 7 bis 16 Uhr

Münzen sind jeweils passend einzuwerfen, bis die gewünschte Parkzeit erreicht ist.

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Erstellt:
25. November 2020, 06:00 Uhr

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