AfD zieht Antrag gegen Juze zurück

Keine Belege für eine Verbindung zwischen dem Jugendzentrum und gewalttätigen Aktionen

Steffen Degler und Michael Malcher (von links), AfD-Fraktion im Backnanger Gemeinderat. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Steffen Degler und Michael Malcher (von links), AfD-Fraktion im Backnanger Gemeinderat. Archivfoto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz und Silke Latzel

BACKNANG. Mit einem Antrag, die finanzielle Förderung für das selbstverwaltete Jugendzentrum in Backnang (Juze) „bis auf Weiteres einzustellen“, hatte die AfD-Fraktion im Backnanger Gemeinderat vor einem Monat für Wirbel gesorgt. Die beiden AfD-Stadträte Michael Malcher und Steffen Degler hatten den Antrag mit einem Vorfall am 23. Dezember 2019 begründet, bei dem ein Gastwirt, in dessen Lokal regelmäßig Versammlungen der AfD stattfanden, von zwei Mitgliedern der örtlichen Antifa bedroht worden sei. Die Täter verkehrten regelmäßig im Juze, behauptete Malcher.

Rund eine Woche, nachdem er den Antrag gestellt hatte, wurde Malcher dann selbst zur Zielscheibe einer offenbar politisch motivierten Tat: In der Nacht zum 9. Februar bewarfen Unbekannte sein Haus mit Farbbeuteln, beschmierten das Garagentor mit einem Schriftzug und zerkratzten zwei Autos (wir berichteten). Auch bei diesem Vorfall vermutete Malcher die Täter im Umfeld des Juze.

Belege für diese Verdächtigungen scheint es allerdings nicht zu geben. Nach einem Gespräch zwischen Vertretern der Stadt und dem Juze-Vorstand erklärte Oberbürgermeister Frank Nopper am Donnerstag im Gemeinderat: „In einem kommunal geförderten Jugendzentrum dürfen keine Aktivitäten vorbereitet oder organisiert werden, die zu Gewalttaten oder zur Androhung von Gewalt führen. Uns liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, dass Derartiges im Jugendzentrum Backnang im Zusammenhang mit den Straftaten vom 23. Dezember 2019 und/oder vom 9. Februar 2020 geschehen ist.“ Vielmehr habe sich der Juze-Vorstand in dem Gespräch von jedweder Form von Gewalt klar distanziert und erklärt, falls sich herausstellen sollte, dass Juze-Mitglieder an den Taten beteiligt gewesen sein sollten, würden diese aus dem Verein ausgeschlossen.

Juze-Vorstand rechne tmit weiteren Konflikten

Für Nopper ist der Fall damit erledigt: „Die Stadtverwaltung sieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veranlassung, die finanzielle Förderung des Jugendzentrums vorläufig oder dauerhaft einzustellen“, erklärte der Oberbürgermeister.

Der Juze-Vorstand hatte vom Antrag der AfD erst durch die Berichterstattung in den Medien erfahren und nennt jegliche Vorwürfe in Richtung des Jugendzentrums absurd. „Wir haben nichts davon, so etwas zu tun, und dachten zuerst, ob man uns verarschen will. Es gibt keinen Beweis, der Juze-Mitglieder in Verbindung mit diesen Taten bringt“, sagt Domenic Bücheler und fügt hinzu: „Das sah bei der Farbbeutelgeschichte natürlich vom zeitlichen Ablauf unglücklich aus, weil das ja direkt nach dem Antrag der AfD passiert ist, das ist uns klar.“ Seine Vorstandskollegin Michelle Krug ergänzt: „Aber ganz ehrlich: So blöd wären wir nicht, das zu machen.“ Die Juze-Vertreter gehen davon aus, dass es auch in Zukunft immer wieder zu Konfrontationen mit der AfD-Fraktion kommen wird. „Da sind wir uns ziemlich sicher. Das ist bei der AfD ja gerade bundesweit Thema, dass sie solche Zentren oder Vereine angreifen“, so Bücheler.

Im aktuellen Fall hat die AfD am Donnerstag zunächst einmal eingelenkt und ihren Antrag zurückgezogen. Allerdings kritisierte Malcher, dass er zu dem Gespräch mit dem Juze-Vorstand nicht eingeladen war. Nopper erklärte, es sei nicht üblich, dass Stadträte an solchen Gesprächen teilnehmen, es stehe Malcher aber frei, auch selbst noch den Dialog mit dem Juze-Vorstand zu suchen. Die Verwaltung werde gerne dabei helfen, ein solches Gespräch zu organisieren.

Kommentar
Generalverdacht

Von Kornelius Fritz

Oberbürgermeister Frank Nopper hat es im Gemeinderat auf den Punkt gebracht: „Gewalt oder die Androhung von Gewalt sind keine tolerablen Mittel der politischen Auseinandersetzung – unabhängig davon, von welcher politischen Seite und gegen welche politische Seite sie eingesetzt werden.“ Die Bedrohung eines Gastwirts ist deshalb ebenso zu verurteilen wie der Farbbeutelangriff auf das Haus eines AfD-Stadtrats.

Die AfD hat die beiden Vorfälle allerdings genutzt, um gleich ein komplettes Jugendzentrum unter Generalverdacht zu stellen – ohne jeglichen Beweis. Die beiden Vorfälle wurden instrumentalisiert, um eine Einrichtung zu diskreditieren, die mit ihrem links-alternativen Profil offenbar nicht ins Weltbild der AfD passt. Diese Rechnung ist leider aufgegangen. Tatsächlich stand der Juze-Vorstand auf einmal am Pranger und musste sich gegenüber der Stadt rechtfertigen. Und auch wenn sich die Vorwürfe in Luft auflösen, wurde das Juze öffentlich in die Nähe linker Gewalttäter gerückt – genau das hatte die AfD gewollt.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
29. Februar 2020, 06:00 Uhr

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