Afrikanische Rhythmen in Großerlach

Harald Hanne aus Neufürstenhütte unterrichtet seit über drei Jahrzehnten afrikanisches Trommeln. Über die Musik hat er seine Leidenschaft für die afrikanische Kultur entdeckt und seine Faszination dafür hält bis heute an.

Harald Hanne (Zweiter von links) leitet aktuell einen Kurs im afrikanischen Trommeln in der Pfarrscheuer in Murrhardt. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Harald Hanne (Zweiter von links) leitet aktuell einen Kurs im afrikanischen Trommeln in der Pfarrscheuer in Murrhardt. Foto: Stefan Bossow

Von Carolin Aichholz

Großerlach. Als Harald Hanne damit begann, afrikanisches Trommeln zu unterrichten, konnte er seine Mitstreiter an einer Hand abzählen, wie er heute sagt. Der ehemalige Landschaftsgärtner gab sogar seinen Beruf für den Trommelunterricht auf.

Das Jahr 1988 war für den gebürtigen Mittelfranken ein prägendes Jahr: Für die Liebe zog er ins Schwabenland und meldete sich aus Neugier fürs Trommeln an. Schon nach dem ersten Wochenende war es um ihn geschehen: „Mir war sofort klar, dass das mein Leben für immer verändert“, sagt Harald Hanne heute.

Schon drei Monate später flog er aus Neugierde zum ersten Mal für einen kurzen Urlaub nach Ghana. „Im Jahr darauf bin ich viereinhalb Monate lang durch Ghana gereist“, erinnert sich Harald Hanne. Zehn Wochen lang bekam er Unterricht von einem afrikanischen Trommler aus Guinea.

Harald Hanne: „Ich wusste schon nach dem ersten Trommeln, dass es mein Leben verändern wird.“

Wenn er heute all seine Afrikareisen zusammenzählt, hat er insgesamt vier Jahre seines Lebens in Westafrika verbracht. Mal nahm er Trommelunterricht, dann reiste er herum, um Land und Leute kennenzulernen. Am meisten Zeit hat er in Guinea verbracht, einem Land, in das sich eher wenige Touristen verirren. „Und wenn doch Leute dort hingehen, dann sind es meistens Trommler“, sagt Harald Hanne. Das Land sei eine Hochburg des Trommelns.

Anfangs war die hiesige Trommelszene noch sehr überschaubar. „Die zehn Leute, die damals in Deutschland getrommelt haben, kannten sich alle“, weiß Hanne. Rainer Dörrer aus Fellbach war damals der einzige Lehrer im süddeutschen Raum. Über ihn hat Hanne selbst viele Kontakte nach Afrika geknüpft. Man habe sich oft bei Workshops in Frankfurt am Main oder in Hamburg getroffen, gelegentlich auch in Brüssel, wo es eine große Trommelschule gibt. Die Trommler reisten auch oft gemeinsam nach Afrika.

Eine Zeit lang fuhr er zweigleisig und arbeitete noch als Landschaftsgärtner, unterrichtete am Wochenende jedoch schon seine ersten Gruppen im Trommeln. Von Beginn an war das Interesse der Menschen da. „Die Leute fasziniert das Exotische und sie wollen dieses Gruppenerlebnis ausprobieren“, vermutet Hanne. Schon 1991 machte er sich selbstständig und gab seinen Job auf.

Obwohl er leidenschaftlicher Gärtner war, hat er nun seinen Traumberuf gefunden. „Musik zu machen und zu sehen, wie meine Schüler strahlen und Spaß haben, ist wahnsinnig schön“, schwärmt Hanne. Die Rhythmen und das Musizieren in der Gruppe haben auch ihn von Beginn an gepackt.

Das Trommeln hat für ihn auch etwas Ursprüngliches. „Schon vor sehr langen Zeiten wurde überall auf der Welt getrommelt. Die ältesten Trommelfunde in Europa kommen sogar aus Deutschland.“ Durch die Kirche sei diese Tradition dann eher in eine teuflische Ecke gerückt worden, so Hanne.

Weitere Themen

Dabei sei das Instrument für quasi jeden geeignet, sagt Harald Hanne, denn jeder Mensch könne trommeln. „Sobald wir Musik hören, kommt oft der Drang durch, zu trommeln. Und sei es nur auf dem Lenkrad, während wir Autoradio hören.“

Und es könne auch alle Altersklassen verbinden: Bereits Kindergartenkinder starten ihre musikalische Früherziehung mit Singen und Trommeln. Seine älteste Kursteilnehmerin ist vor Kurzem 85 Jahre alt geworden und immer noch mit Feuereifer dabei, erzählt Hanne. An einer Künzelsauer Schule trommelt er aktuell mit einer Gruppe mehrfachbehinderter Schüler. Überhaupt hätten die meisten Kinder sehr viel Spaß am Musizieren, hat der Trommellehrer im Lauf der Jahrzehnte bemerkt. „Es stärkt zudem das Selbstbewusstsein, vor allem bei Schülern, die in den Kernfächern in der Schule weniger gute Noten haben. Oder eben bei Erwachsenen, die sich selbst nur geringe musikalische Fähigkeiten zutrauen“, beobachtet er.

Trommeln wird auch in der Musiktherapie eingesetzt

Er strebte eine Umschulung zum Musikpädagogen an, hätte dafür jedoch ein Harmonieinstrument spielen müssen. „Meine Trommelerfahrung war damals dafür leider nicht geeignet. Inzwischen ist das Trommeln in Rehas und in der Musiktherapie absolut anerkannt und weit verbreitet“, erklärt Harald Hanne, weil es wenig Berührungsängste mit dem Instrument gebe und sich bereits früh mit dem Erlernen von leichten Akkorden Erfolge einstellten.

Für ihn ist das Trommeln auch eine Art Mediation. „Es ist wie eine Klangmassage. Du bist ganz im Hier und Jetzt und beschäftigst dich nur mit dir selbst und deinem Instrument. Das macht es zu einer Auszeit aus deinem Alltag und deshalb kommen meine Schüler auch so gerne in den Unterricht“, weiß Hanne.

Doch er hinterfragt sich stets selbst, da er als Europäer das Wissen einer traditionellen afrikanischen Musik an andere Europäer weitergibt. „Es gibt auch gebürtige Afrikaner, die das hier unterrichten“, gibt Hanne zu bedenken. „Ich würde mir nie das Recht herausnehmen, zu urteilen, wer es besser unterrichtet. Es ist unterschiedlich.“

Er trete nie in afrikanischen Gewändern auf, denn das sieht er selbst als eine Art kultureller Aneignung. „Aber wir spielen natürlich diese traditionellen Rhythmen.“ Mancherorts werden er und seine Gruppen nicht für Auftritte angefragt, da viele Veranstalter unsicher sind, wie sie damit umgehen sollen. „Es ist nicht meine Kultur“, stellt der Trommellehrer klar. „Ich lege in meinem Unterricht vielleicht mehr Wert auf das Didaktische und das Erklären, als es einige gebürtige Afrikaner tun, weil das dort eben nicht üblich ist“, sagt Hanne. Er fühlt sich der afrikanischen Kultur, die so starke Gefühle in ihm auslöst, dennoch sehr verbunden — nicht nur musikalisch.

Zum Artikel

Erstellt:
26. April 2024, 11:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Großerlach hat einen neuen Bürgermeister

Kevin Dispan wird in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderats in sein Amt eingesetzt. Auf ihn warten große Herausforderungen in der Gemeinde, die er durch Teamarbeit lösen möchte.

Stadt & Kreis

Christoph Jäger verabschiedet sich

Eine Ära ist zu Ende: Ab nun heißt es „Alt-Bürgermeister Christoph Jäger“. Die Gemeinde Großerlach verabschiedet ihren langjährigen Rathauschef mit einem festlichen Bürgerempfang in den Ruhestand.

Christoph Jäger am „Weg der Lieder“: Die Skulptur von Walter Wieland passt zum Lied „Ungebrochen“, das der Bürgermeister selbst geschrieben hat. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Christoph Jäger verabschiedet sich vom Großerlacher Rathaus

Bürgermeister sei für ihn der schönste Beruf der Welt, sagt Christoph Jäger. Trotzdem nimmt er nun bereits mit 55 Jahren Abschied vom Großerlacher Rathaus. Eine Entscheidung der Vernunft.