Ahnenforschung: Alle sind irgendwie miteinander verwandt

Für so manchen beginnt sie als Hobby und dann lässt sie einen einfach nicht mehr los – die Ahnenforschung. Gibt es womöglich eine Verbindung zum württembergischen Königshaus? Oder war ein Vorfahre gar ein übler Geselle? Anfragen zu Vorfahren in Stadtarchiven oder bei Genealogen kommen häufig aus dem Ausland.

Über einen Zufall ist Andreas Kozlik bereits in jungen Jahren zu seinem Hobby gekommen, zur Ahnenforschung. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Über einen Zufall ist Andreas Kozlik bereits in jungen Jahren zu seinem Hobby gekommen, zur Ahnenforschung. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Rems-Murr. Seit seiner Jugend beschäftigt sich Andreas Kozlik damit, etwas über seine Vorfahren herauszufinden. Und das ist eigentlich einem Zufall geschuldet. In seiner Familie gibt es eine alte Bibel, in die sorgfältig Namen und Daten von Familienmitgliedern eingetragen wurden. Einige Unstimmigkeiten brachten Kozlik dazu, sich mit seinen Vorfahren zu beschäftigen. Das Rätsel wurde gelöst (und stellte sich als nicht so dramatisch heraus wie befürchtet), und er war infiziert: „Man wird bei der Ahnenforschung nie fertig“, sagt der Archivar und Historiker aus Murrhardt. Zwar bekommt man natürlich nicht alles heraus, irgendwann gerät man an einen toten Punkt, an dem es nicht weitergeht, wenn es einfach keine Unterlagen mehr gibt. Dennoch hat er durch seine Forschungen einiges über seine Familie herausgefunden, beispielsweise ist einer seiner direkten Vorfahren der Reformator Johannes Brenz.

Kirchenbücher reichen in Murrhardt bis ins Jahr 1559 zurück

Eines seiner Projekte ist das Ortsfamilienbuch für Murrhardt. Seit zehn Jahren arbeitet er daran – und das neben seinem eigentlichen Beruf als Archivar im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Für dieses Werk wertet er nicht nur Kirchenbücher aus, diese reichen in Murrhardt bis ins Jahr 1559 zurück, sondern noch weitere Quellen wie beispielsweise Standesamtaufzeichnungen, Kaufbücher, Testamente.

Seine Forschungen stellt Kozlik, der auch Mitglied im Geschichtsverein Murrhardt und Umgebung ist, ins Internet. Und so erreichen ihn, vor allem aus Amerika, immer wieder Anfragen zum Thema Ahnenforschung. Viele Amerikaner sind interessiert an ihren deutschen Wurzeln und möchten gern in Deutschland lebende Verwandte finden.

Allerdings können bei der Familienforschung durchaus ernüchternde Dinge herauskommen, die den Nachfahren vielleicht gar nicht so recht gefallen. Beispielsweise uneheliche Kinder oder in einem Fall auch ein Vorfahre, der polizeilich gesucht wurde und dann sein Heil in Amerika gesucht hat. Seine Nachkommen hatten davon gar nichts gewusst. Manchmal jedoch führt eine Anfrage auch dazu, dass sich ein Kreis schließt. Um das Jahr 1900 lebte in Murrhardt die damals älteste Frau Württembergs. Der damalige König Wilhelm II. ließ ihr eine Bibel mit Widmung zukommen.

Andreas Kozlik verfasste einen Artikel über die Dame und vor etwa zwei bis drei Jahren meldete sich aufgrund dieses Artikels eine Nachfahrin, die sich im Besitz besagter Bibel befindet. Nun ist diese als Leihgabe im Carl-Schweizer-Museum Murrhardt ausgestellt. „Das hat sich nun zusammengefügt“, sagt Kozlik.

Auch Notare oder professionelle Ahnenforscher melden sich

„Viele Anfragen kommen aus Übersee, den USA, Kanada und Australien, von Menschen, deren Vorfahren zumeist im 19. Jahrhundert ausgewandert sind“, hat auch Bernhard Trefz, Leiter des Stadtarchivs Backnang, festgestellt. Hilfreich ist dabei das Ortssippenbuch für Backnang. Professor Burkhart Oertel hat dafür zahlreiche Kirchenbücher bis ins Jahr 1599 ausgewertet.

Doch nicht nur Hobbyforscher fahnden nach ihren Ahnen. Viele Anfragen kommen von Notaren oder professionellen Ahnenforschern, die Verwandte von Verstorbenen ohne direkte Angehörige ausfindig machen sollen. Neben den Kirchenbüchern und dem Ortssippenbuch können Unterlagen der Standesämter (ab 1876) sowie auch Einwohnermeldekarten für die Forschung zurate gezogen werden. Letztere wurden nach dem Zweiten Weltkrieg erstellt, auf diesen findet man oft auch einige Informationen über die aufgeführte Person, die über die Lebensdaten hinausgehen. Wichtig sind diese Karten beispielsweise, um einen Anspruch auf Rente für ehemalige Zwangsarbeiter nachweisen zu können. Allerdings muss der Datenschutz beachtet werden – dieser gilt entweder bis 110 Jahre nach der Geburt oder 30 Jahre nach dem Tod.

„Es kommt immer wieder etwas Interessantes raus“, findet Stadtarchivar Trefz. Allerdings stoße die Familienforschung für die Zeit vor der Reformation dann doch an ihre Grenzen, denn erst im 16. Jahrhundert wurden die Kirchenbücher mit Aufzeichnungen über Geburts-, Heirats- und Sterbedatum angelegt.

Tipps und Ratschläge

Gleichgesinnte In den vergangenen Jahren ist Ahnenforschung immer populärer geworden, was sicher auch daran liegt, dass Quellen mittlerweile oft digital zugänglich sind. Auf Facebook finden sich zahlreiche Ahnenforschungsgruppen, die meisten sind regional organisiert. Für Interessierte bietet sich auch der Verein für Familienkunde in Baden-Württemberg an (www.vfkbw.de).

Archiv Das Stadtarchiv Backnang im Technikforum (Wilhelmstraße 32) ist nach Voranmeldung zugänglich und bietet eine reiche Auswahl an Quellen für interessierte Forscher. Telefon 07191/894-455, E-Mail dr.bernhard.trefz@backnang.de.

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Erstellt:
12. Oktober 2021, 11:00 Uhr

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