Alles dreht sich ums Thema Corona

Morgen wird in Backnang nicht nur bei der Oberbürgermeisterwahl, sondern auch bei der Landtagswahl abgestimmt. Doch wie lief der Wahlkampf zu Zeiten der Coronapandemie für die Kandidaten? Und wer hat die höchsten Chancen auf ein Mandat?

Amtlicher Stimmzettel und Kuvert für die Briefwahl: Bei der Landtagswahl dürfen die Bürger nur eine Stimme abgeben.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Amtlicher Stimmzettel und Kuvert für die Briefwahl: Bei der Landtagswahl dürfen die Bürger nur eine Stimme abgeben.Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

BACKNANG. Wahlkampf zu Zeiten einer Pandemie: Das war für alle Kandidaten, die sich auf ein Mandat für den Einzug in den Landtag bewerben, Neuland. Wie haben sie im Rahmen von Maskenpflicht, Abstandsregeln und Hygienevorschriften ihren Wahlkampf geführt? Und welche Themen haben die Bürger, mit denen sie sich unterhalten haben, besonders beschäftigt? Darüber haben wir uns mit den aussichtsreichsten Kandidaten Ralf Nentwich (Grüne), Georg Devrikis (CDU), Gernot Gruber (SPD), Charlotte Klinghoffer (FDP) und Daniel Lindenschmid (AfD) unterhalten.

Was alle fünf Bewerber klar sagen: Die Coronapandemie war in diesem Wahlkampf das bestimmende Thema. Daran kam keiner vorbei. „Corona mit allen Auswirkungen, das war das Thema schlechthin“, bestätigt CDU-Kandidat Georg Devrikis. Der 39-Jährige ist am Freitagmorgen noch in Murrhardt unterwegs. Dort steht er auf dem Wochenmarkt hinter einem Infostand. Seit ein paar Wochen mache er das regelmäßig, sagt Devrikis, „natürlich überall coronakonform mit Abstand und Maske.“

Dass das noch einmal ganz eigene Herausforderungen mit sich bringt, diese Erfahrung hat der Finanzberater schon selbst gemacht – vor allem im Lockdown, als die Friseure noch nicht offen hatten. In Welzheim habe ein Bürger auf das Schild gezeigt, auf dem er abgebildet war, erzählt Devrikis, und ihn gefragt, „ob der Kandidat heute auch noch kommt?“ „Mit meinem Wuschelkopf hat der mich gar nicht erkannt.“

Die Bewerber setzten auf eine Mischung aus Online- und Präsenzveranstaltungen.

In den vergangenen Tagen und Wochen setzte er, wie seine Mitbewerber, auf eine Mischung aus Präsenzveranstaltungen und Wahlkampf auf Distanz – per Telefonsprechstunden, Videokonferenzen oder E-Mails, die er beantwortete. Bis zu 40 Bürgeranfragen pro Tag waren es bei Grünen-Kandidat Ralf Nentwich. Für ihn war es der erste persönliche Wahlkampf, „von dem her kenne ich ihn nicht anders“, sagt der 39-jährige Lehrer.

Neben Corona sprachen ihn die Bürger vor allem auf ökologische Themen an, berichtet Nentwich: „Viele sorgen sich darum, was für eine Welt wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen werden.“ Aber auch die Themen Bildung und Digitalisierung, die er sich auf die Fahnen geschrieben habe, seien häufig angesprochen worden.

Seinen Wahlkampf wird Nentwich am Samstagabend zusammen mit Swantje Sperling, der Grünen-Kandidatin aus dem Wahlkreis Waiblingen, mit einem Online-Pubquiz beenden, zu dem sich die Bürger zuschalten können.

Für Charlotte Klinghoffer (FDP) wird der Wahlkampf schon ein wenig früher enden. „Ich werde noch eine Anzeige schalten und mir endlich einmal gönnen, zum Friseur zu gehen“, sagt sie. In den vergangenen Wochen zog sie auf ihrer „Sterntour“ durch den Wahlkreis, um den Wählern persönlich zu begegnen. Auf einen Stand verzichtete sie dabei. „Ich bin eine, die auf die Menschen zugeht“, sagt die 53-jährige Unternehmerin. Statt an einem festen Punkt zu stehen, sei sie lieber durch die Straßen und über die Marktplätze geschlendert und sei dabei entspannt mit den Bürgern ins Gespräch gekommen. Vor allem mit berufstätigen Frauen habe sie sich oft unterhalten, sagt Klinghoffer. „Viele hatten Angst, ihren Job zu verlieren und wussten nicht, wie sie neben der Arbeit die Kinderbetreuung stemmen sollen.“ Viele seien „extrem enttäuscht“ von der Politik gewesen.

SPD-Kandidat Gernot Gruber wurde oft auf das Thema Impfen angesprochen, insbesondere bei seinen Telefonsprechstunden. Gerade bei älteren Bürgern, berichtet er, habe eine große Unsicherheit geherrscht, wie man an Termine komme oder auch wie sicher die Impfung sei. Zu seinem Programm gehörten außerdem Videokonferenzen, Infostände und seine traditionellen Bahnhofsbesuche, die auch zu seinen vorherigen Wahlkämpfen gehörten. Der 58-jährige Abgeordnete sitzt bereits seit 2011 im Landtag.

Interessiert gewesen seien die Bürger neben Themen rund um Corona unter anderem am Fortschritt der Sanierungen der Landesstraßen, für den Gruber sich im Landtag einsetzt. Er hofft darauf, dass die Wähler ihm Rückenwind geben für die Arbeit, die er bisher geleistet hat.

Daniel Lindenschmid von der AfD vermisst den persönlichen Kontakt zu den Wählern. Begegnungen über das Internet seien „nicht dasselbe“, sagt der 28-jährige politische Referent. Trotzdem habe er versucht, die Bürger „auf allen Kanälen“ zu erreichen, sowohl online, als auch durch Flyer und an Infoständen. Am heutigen Samstag wird er noch einmal in Murrhardt unterwegs sein. Für die Wahl am Sonntag rechnet Lindenschmid sich „sehr gute Chancen“ auf ein Zweitmandat aus. „Die Stimmung ist sehr gut“, sagt er. „Aber man weiß ja nie.“

Optimistisch zeigt sich auch Ralf Nentwich. Er habe ein „ganz gutes Gefühl, dass wir das Direktmandat schaffen werden“, sagt der Grüne. Das würde ihn auch deshalb freuen, weil der Wahlkreis 17 bisher sehr CDU-geprägt war. „Wir würden Geschichte schreiben“, sagt Nentwich. Gernot Gruber sieht seine Chancen darauf, ein drittes Mal in den Landtag einzuziehen, bei „50 zu 50“, sagt er. In den vergangenen Tagen sei er ein Stück weit zuversichtlicher geworden, weil viele Leute ihm gesagt hätten, dass sie ihn wiederwählen wollen. „Das hat mir Mut gemacht, dass es reichen kann, aber es wird ein knappes Rennen.“

Charlotte Klinghoffer nennt „zehn Prozent plus x“ als erklärtes Ziel, Georg Devrikis schaut nach eigener Aussage nicht auf die Umfragen. „Ich bin zwar Bänker, aber beim Wahlausgang rechne ich mit gar nichts“, sagt er und fügt als „alter Fußballfan“ hinzu: „Das Spiel ist erst rum, wenn der Schiri abpfeift.“

Was sagen die Prognosen?

Glaubt man den Umfragen, sieht es für die Grünen gut aus bei der Landtagswahl. Aktuellen Prognosen zufolge darf die Partei mit 30 bis 35 Prozent der Stimmen rechnen (2016: 30,3 Prozent). Die CDU könnte auf 24 bis 28 Prozent kommen (2016: 27 Prozent), die AfD mit zehn bis zwölf Prozent drittstärkste Kraft werden (2016: 15,1 Prozent). SPD und FDP sollen sich je zirka zehn Prozent sichern können (2016 12,7 respektive 8,3 Prozent). Mit drei bis vier Prozent könnte die Linke, wie die übrigen Parteien, an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Für den Wahlkreis 17 Backnang mag das Online-Analysetool „Wahlkreisprognose“, das die Stimmung in den Wahlkreisen analysiert, keinen konkreten Ausblick geben. „Too close to call für die CDU“, schreibt das Meinungsforschungsinstitut. Bedeutet: Zu knapp, um das Direktmandat eindeutig dem CDU-Kandidaten Georg Devrikis zuzurechnen. Die Chance auf ein Zweitmandat schätzt „Wahlkreisprognose“ bei Gernot Gruber (SPD) und Daniel Lindenschmid (AfD) als „wahrscheinlich, aber nicht sicher“ ein, bei Ralf Nentwich (Grüne) als „unwahrscheinlich“ und bei Charlotte Klinghoffer (FDP) als „unwahrscheinlich, aber mit Restchancen“.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen 2016 im Wahlkreis 17 Backnang: CDU: 27,4 Prozent, Grüne: 22,3 Prozent, AfD: 19,7 Prozent, SPD: 15,7 Prozent, FDP: 8,0 Prozent.

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Erstellt:
13. März 2021, 06:00 Uhr

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