Altenpfleger wollen wirklich mit Würde pflegen

Staatssekretär Klenk zu Gast an der Berufsfachschule am Staigacker – Diskussion um EU, Migration und Heimbauverordnung

Diskutierten über Ausbildung und berufliche Praxis: Absolventen der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe am Staigacker und Staatssekretär Wilfried Klenk (links). Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Diskutierten über Ausbildung und berufliche Praxis: Absolventen der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe am Staigacker und Staatssekretär Wilfried Klenk (links). Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Die angehenden Absolventen der Evangelischen Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe am Staigacker haben gestern angeregt mit Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU), dem Backnanger Landtagsabgeordneten, diskutiert: Was läuft falsch in ihrem Fachgebiet und welche Verbesserungen sind wünschenswert und möglich?

„Schenken Sie uns eine (Schul-)Stunde Ihrer Zeit“: Unter diesem Motto waren Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg eingeladen, eine freie Schule zu besuchen. Klenks Stippvisite erfolgte im Rahmen des fünften Tages der freien Schulen, anlässlich dessen die Trägerverbünde auf ihre Vielfalt und Innovationskraft aufmerksam machen wollten. Interessiert verfolgten die Schüler zunächst seine Ausführungen zum eigenen Werdegang, der ebenfalls im Gesundheitswesen begann, bis hin zum Politiker. Er sei stolz darauf, auch in der Politik klein angefangen zu haben und das reale Berufsleben zu kennen.

Leidenschaftlich äußerte er sich über die Europäische Union, die nicht durch eine Datenschutzgrundverordnung gekennzeichnet werde, sondern durch Jahrzehnte des Friedens und der Völkerverständigung, gerade auch unter früheren „Erzfeinden“. Auch das Thema Zuwanderung sprach er an und plädierte hier für „Herz und Härte“: Herz für Bedürftige und ihre Familien, Härte aber gegenüber Kriminellen. Seine Zuhörer konfrontierte der Staatssekretär mit Meinungsäußerungen, die an Politiker herangetragen werden und widersprüchlicher und zum Teil in ihrer Brutalität erschütternder nicht sein könnten.

In der späteren Diskussion griffen Schüler die Problematik auf sachliche Art und Weise auf und stellten kritische Fragen zur Leistungsbereitschaft von Flüchtlingen sowie deren häufiger Ablehnung weiblicher Vorgesetzter. Aktuell von besonders großem Interesse ist auch die 2009 beschlossene Heimbauverordnung, die für Bewohner von Altenheimen Einzelzimmer fordert. Sie wurde engagiert diskutiert: Steigt im Einzelzimmer die Gefahr der Vereinsamung nicht? Und was ist mit Ehepaaren? Wo bleibt die Selbstbestimmung eigentlich? Wilfried Klenk lieferte Hintergrundinformationen zum Werdegang des Gesetzes und zahlreichen anderen damit verbunden Problemen und gab den Schülern in weiten Teilen recht. „Keiner dreht das Gesetz zurück“, prophezeite er mit Verweis auf die „ständig wechselnde Besetzung im Sozialministerium“.

Wie kann man Ausbildung und Berufspraxis in der Altenpflege attraktiver machen, wie die Arbeitsbedingungen verbessern? Die Bezahlung sei gar nicht so schlecht wie häufig angenommen, die öffentliche Wertschätzung hingegen eine Katastrophe. „Wirklich mit Würde pflegen“ zu können setze unbedingt eine Senkung des Pflegeschlüssels voraus, und dies wiederum erfordere selbstredend mehr Personal.

Diesem Kernproblem Abhilfe zu schaffen sieht Klenk als drängendste Aufgabe, allein das Wie sei fraglich und mit bloßen Forderungen aus der Politik nicht zu beantworten. Hier ging er auch auf die gezielte Anwerbung von Migranten und die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen aus deren Herkunftsländern ein. Sorgen macht sich Schulleiterin Andrea Schingen um die ab 2020 einzuführende „generalistische Ausbildung“, die drei Berufe zusammenfassen wird. Es stelle sich die Frage, ob dann alle Ausbildungsplätze erhalten werden können und auch das Fach Deutsch Bestandteil des Lehrplans bleibe. Schingens Schüler und Staatssekretär Klenk teilten ihre Bedenken.

Sorge um das Bild der Pflegeberufe in der Öffentlichkeit

Schließlich hatten die Pflegeschüler noch etwas auf dem Herzen: Die Medienberichterstattung über ihren Beruf sei von negativen Sensationsmeldungen geprägt und werde dem harten Alltag der überwiegend aufopferungsvoll arbeitenden Fachkräfte nicht gerecht. Klenk verwies hier auf andere Berufs- und Lebensbereiche, in denen es ebenso sei, und brachte die sozialen Netzwerke ins Gespräch. Einhellig die Meinung, dass es „unterirdisch“ sei, was dort abläuft, und einhellig auch die über das einzige Mittel dagegen: „Argumentieren!“

Sorgfältig hatte man sich an der Schule auf diese besondere Unterrichtsstunde vorbereitet und Plakate mit Vorschlägen zur Verbesserung des Berufsbilds und der Pflegepraxis geklebt. Immer wieder war dort auch das Thema WLAN zu finden. Klenk versprach, es mitzunehmen und sich diesbezüglich unbedingt für die Schule am Staigacker einzusetzen.

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Erstellt:
24. November 2018, 06:00 Uhr

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