Am „Klick im Hirn“ mitarbeiten

Backnanger Nabu-Gruppenvorsitzende Anja McGrath ist mit Herzblut in Sachen praktische Naturschutzarbeit unterwegs

Eigentlich ist Anja McGrath mit ihrer 100-Prozent-Stelle bei der Fraunhofer Gesellschaft und ihrem Zuhause mit Mann und Naturgarten ja ausgelastet. Dennoch engagiert sie sich ehrenamtlich in der Backnanger Nabu-Gruppe, seit Mai 2019 als Vorsitzende. Sie hat noch weitere Aufgaben: Als Beringerin widmet sie sich ihren Lieblingsvögeln, den Steinkäuzen.

Anja McGrath inspiziert und reinigt Steinkauzröhren bei Backnang-Waldrems. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Anja McGrath inspiziert und reinigt Steinkauzröhren bei Backnang-Waldrems. Foto: A. Becher

Von Heidrun Gehrke

BACKNANG. Was als Erstes auffällt: ihr wunderschöner fränkischer Dialekt. Als Zweites bleibt man beim Nachnamen hängen – der Familienname McGrath stammt aus der Ehe mit einem Amerikaner. Dritte Besonderheit: Anja McGrath ist seit Mai 2019 die Vorsitzende der Nabu-Gruppe Backnang und damit aktuell kreisweit die einzige Frau in diesem Bereich vorne dran.

Bevor sie den Vorsitz übernahm, habe die Mitgliederentwicklung stagniert. Wie andere Nabu-Gruppen und zahlreiche Vereine hat der Backnanger Nabu ein Problem mit allmählich überalternden Vorständen. Andererseits gibt es mitreißende, motiviert anpackende und lebensfrohe Menschen wie Anja McGrath. Sie möchte organisieren, mitgestalten und Ansprechpartnerin sein. Aktiver Naturschutz ist ihr Ansinnen. „Ich sehe es nicht als Arbeit. Ich tue es gerne, es ist mein Ausgleich“, sagt die 47-Jährige.

Als Diplom-Bibliothekarin arbeitet sie, anders als die Berufsbezeichnung nahelegt, nicht im schöngeistigen Buchbereich, sondern ist in der wissenschaftlichen Welt der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Datenmanagement befasst. In der Freizeit geht sie mit Begeisterung mehreren Tätigkeiten mit naturnaherem Zuschnitt nach. Außer Kröten vor dem Überfahrenwerden zu retten, grubelt sie für ihr Leben gern im eigenen Garten und sie beringt junge Steinkäuze. Hierfür hat sie eine Beringerschulung an der Vogelwarte in Radolfzell absolviert und ging zwei Jahre mit erfahrenen Beringern „in die Lehre“. Seit 2019 stattet sie „ihre“ Jungvögel mit Ringen am Fuß aus: Anja McGrath betreut 30 Röhren auf verschiedenen Streuobstwiesen rund um Backnang und Erbstetten. So groß die Freude über eine erfolgreiche Brut ist, so besorgniserregend sei der Zustand der Streuobstwiesen. „Fast überall hängen Misteln drin, immer mehr alte Bäume sterben ab, neue werden nicht gepflanzt, es verschwinden wertvolle Lebensräume für Insekten und Kleinlebewesen.“ Es macht sie fuchsig, wenn sie an Steingärten mit englischem Rasen und Kirschlorbeerhecken vorbeigeht. „Es ist ökologisch wertlos, da könnte man genauso gut eine Betonmauer grün anmalen.“

Lebensräume für Schmetterlinge und andere Kleinlebewesen

Sie handelt und gärtnert so, dass Lebensräume erhalten werden und neue entstehen. Das weiterzugeben, ist eines der Vorhaben, hinter die sie sich klemmen will. Sie möchte am „Klick im Hirn“ mitarbeiten: „Wir sehen alle so gerne Schmetterlinge. Es fehlt oft noch das Bewusstsein, dass ein unaufgeräumter Garten wertvollen Lebensraum für Schmetterlinge und Eidechsen, Vögel, Igel und viele Kleinlebewesen bietet.“

Es stört sie, dass die Liebe zu Haustieren bisweilen größer ist als die zu heimischen Wildtieren, dass die Kenntnis über Gartenvögel und heimische Insektenwelt kaum vorhanden ist, dass an vielen Häusern die Brutmöglichkeiten für Gebäudebrüter wie Schwalben verschwinden. Um das Bewusstsein für aktiven Naturschutz zu schärfen, setzt sie auf eine gute Vernetzung. Sie steht in engem Kontakt zu anderen Nabu-Gruppen im Kreis, etwa mit der Nabu-Gruppe Aspach, mit dem Steinkauzprojekt Rems-Murr und mit dem 2019 ins Leben gerufenen Backnanger Naturgarten-Verein. Sie hegt den Wunsch, Wasseramselkästen an der Murr zu installieren. Und sie möchte schauen, was sich aus dem vor genau 25 Jahren gestarteten Pilotprojekt „Lebensräume im Raum der Kirche“ in der Gesamtkirchengemeinde Backnang entwickelt hat.

Den Zugang zum Nabu bekam sie 2010. Sie ging mit auf vogelkundliche Wanderungen und Touren, schon damals übernahm sie erste kleine Aufgaben, erstellte eine Homepage und aktivierte die Kontakte zu anderen Naturschutzgruppen wie dem BUND. Dass sie inzwischen Vorsitzende ist – dies habe die unerwartet hohe Zahl der gesammelten Amphibien und die damit verbundene Arbeit im Frühjahr 2019 eingeleitet. „Wir haben fast 3000 Tiere über die Straße zwischen Steinbach und dem Plattenwald beim Biotop Pfaffenrinne getragen“, sagt Anja McGrath. Die amphibischen Massenbewegungen hätten zu deutlich mehr Arbeit als in den Vorjahren geführt, als dort noch keine Zäune standen. Ebenso groß war die Zahl der freiwilligen Helfer, die eimerweise Erdkröten, Molche und Frösche, darunter einige Exemplare des streng geschützten Springfroschs, aufgelesen haben. Es galt, viel und schnell zu koordinieren. Dabei sei sie gefragt worden, „ob ich mir vorstellen könnte, den Vorsitz zu übernehmen, da ich besser mit der jüngeren Generation umgehen könne“, gibt sie die Worte ihres langjährigen Vorgängers Gerhard Elser wieder. Nach etwas Bedenkzeit habe sie zugesagt. So läutete der „Straßen- und Generationswechsel“ der wechselwarmen Kriechtiere einen Generationswechsel in der Nabu-Gruppe ein: Gerhard Elser bleibt als zweiter Vorsitzender der Gruppe erhalten und leitet Vogelführungen.

Leichter Mitgliederzuwachs ist zu verzeichnen

Über die Amphibienaktion sei ein leichter Mitgliederzuwachs verzeichnet worden. Einen sprunghaften Anstieg brachte dann 2019 eine Werbeaktion des Landesverbands. Dieser habe eine externe Firma beauftragt, über Haustürwerbung neue Mitglieder zu gewinnen. 500 Neumitglieder zählte die bis dato knapp 300 Mitglieder zählende Backnanger Gruppe daraufhin, die meisten seien als fördernde Mitglieder dazugekommen. 15 von ihnen hätten aber bereits angekündigt, die bevorstehende Amphibienwanderung zu unterstützen. Schön sei, dass die Mitglieder im Schnitt wieder jünger werden. In der Nabu-Gruppe Backnang laufen derzeit sogar Planungen zur Gründung einer Naju-Gruppe.

Eine Infoveranstaltung über die Amphibien- wanderung zwischen Backnang und Stein- bach (Biotop Pfaffenrinne) und zwischen Backnang und Erbstetten (Biotop Spitz- wiesen) gibt es am 31. Januar um 19 Uhr im Vereinsheim des Nabu Aspach, Fautenhau 6.

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Erstellt:
17. Januar 2020, 11:30 Uhr

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