Nachrichten für Geflüchtete

„Amal“ soll mit KI wachsen

Das Nachrichtenportal für Geflüchtete, „Amal“, bekommt eine Millionenförderung. Was mit dem Geld vom Bamf geplant ist, erzählt Redaktionsleiterin Julia Gerlach.

Das Redaktionsteam von „Amal, Frankfurt!“ auf Recherchereise   in Marburg: Ronnie Darwish, Haytham Abo Taleb, Julia Gerlach  und Souzan Nassri (v.l.)

© Amal/Julia Gerlach

Das Redaktionsteam von „Amal, Frankfurt!“ auf Recherchereise in Marburg: Ronnie Darwish, Haytham Abo Taleb, Julia Gerlach und Souzan Nassri (v.l.)

Von Kathrin Waldow

Die Abschiebung einer afghanischen Erzieherin aus Hessen nach Litauen, die Fortführung eines Antiquariats in Berlin, ein Prozess in Frankfurt, ein Überfall in der Hauptstadt, Austausch mit Menschen unter Israels Beschuss in Teheran und Damaskus oder das Porträt von Muhammad Al-Muhammad, dem jungen Syrer, der die Messerangreiferin am Hamburger Bahnhof im vergangenen Mai gestoppt hat.

Alles Themen, mit denen sich das Online-Portal „Amal News“ beschäftigt. Das mehrsprachige Angebot bietet Nachrichten und Geschichten von Geflüchteten für geflüchtete Menschen in Deutschland – auf Arabisch, Dari/Farsi, Ukrainisch, Deutsch. Dabei geht es nicht nur um Fragen und Antworten zum Leben in Deutschland, zu Einwanderung und Sprachkursen, sondern auch um Politik, Kultur, Aktuelles und Alltagsthemen vor der Haustür – so wie bei anderen Lokalblättern.

Lokalnachrichten aus deutschen Städten auf Arabisch und Ukrainisch

Gegründet 2016 von der Journalistin Julia Gerlach, hat das Portal vor wenigen Tagen eine Millionenförderung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugesagt bekommen. Mit der Förderung von fast 3,3 Millionen Euro aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und zusätzlichen 400 000 Euro der Crespo Foundation soll das Portal künftig mehr Nachrichten liefern, flächendeckender und schneller informieren. „Wir haben bislang drei verschiedene Redaktionen in drei verschiedenen Städten, Berlin, Frankfurt und Hamburg, und in drei verschiedenen Sprachen. Das Geld, das nun bewilligt wurde, wird hauptsächlich für die Gehälter unserer Mitarbeitenden gebraucht. Wir wollen damit auch stark in Künstliche Intelligenz investieren, um die Arbeit effizienter zu machen“, sagt Julia Gerlach.

Das Herzstück von „Amal“ sind Lokalnachrichten, erzählt die ehemalige Kairo-Korrespondentin. „Wir erstellen eine Art Presseschau, wir fassen die Themen zusammen und formulieren daraus eine für unsere Zielgruppe gut verständliche Nachricht. Das machen bislang Redakteure. Das Zusammenfassen der deutschen Texte und das Übersetzen ins Arabische, Persische, Ukrainische soll künftig ein KI-Editor machen. Auch das Zuschneiden auf das gewünschte Format, Social Media oder Website soll die KI übernehmen.“

Dafür brauche es bei den unterschiedlichen Sprachen und Communities, für die „Amal“ Nachrichten anbietet, eine geeignete Herangehensweise. „Im ersten Schritt müssen wir ein KI-Tool trainieren. Es gibt etwa Begriffe wie etwa Bundeskanzleramtsminister, die komplex sind und schwer übersetzbar. Damit wir dafür etwa im Arabischen immer dieselbe Entsprechung haben, müssen wir das Tool damit füttern.“

Außerdem habe man neben den bisherigen Städten Berlin, Frankfurt und Hamburg weitere Städte und Regionen im Blick; die Nachrichten sollen etwa auf den Webseiten von Kommunen gespielt werden. „Und wir bauen die deutsche Webseite deutlich aus“, sagt Gerlach.

„Wir haben auch etwas zu sagen zum Nahverkehr oder zur Wohnungsnot“

„Amal News“ hat eine vielschichtige Struktur und noch anspruchsvollere Herausforderungen, als viele andere Nachrichtenredaktionen: Zum einen arbeiten hier geflüchtete Journalistinnen und Journalisten mit unterschiedlichen Hintergründen, zum anderen sind die Zielgruppen extrem unterschiedlich. Julia Gerlach erklärt es so: „Die Menschen sollen bei uns erfahren, was tatsächlich für sie in ihrer jeweiligen Stadt relevant ist. Gleichzeitig ist es so, dass für Menschen aus Afghanistan andere Themen relevant sind als für Menschen, die aus Syrien oder der Ukraine gekommen sind. Das Ziel ist, der Zielgruppe die Integration zu erleichtern“, betont die Redaktionsgründerin.

Jede „Amal“-Redaktion habe daher ihre eigene Konferenz pro Tag, in der die fünf wichtigsten Themen festgelegt würden, so Gerlach. „Am besten laufen alle Themen rund um die Deutsche Bahn, Erfolgsgeschichten von Geflüchteten und bunte Themen. Wir glauben, dass solche Themen besonders wichtig sind, um sich im Alltag mit anderen austauschen zu können. Wir wissen auch, dass das ein wichtiger Bestandteil von Integration ist“, sagt Gerlach. Im Vordergrund stehe bei allem die Community.

Und was interessiert die unterschiedlichen geflüchteten Menschen in Deutschland derzeit besonders? Für die syrische Community sei derzeit besonders wichtig, was gerade in Syrien passiere. Die persönlichen Erlebnisse von Menschen in Deutschland im Kontakt mit ihren Angehörigen in Syrien sei dabei ein Fokus. „Wir berichten nicht klassisch-nachrichtlich von der Lage vor Ort, sondern suchen die Perspektive der hier Lebenden im Umgang mit dem Thema“, sagt Gerlach. Außerdem nachgefragt zurzeit: die Wende in der deutschen Migrationspolitik, dazu alles, was Afghanistan betrifft, und der Rückblick auf das Jahr 2015 – „wir liefern Tipps für Leute, die jetzt hierherkommen, von denen, die 2015 kamen“, sagt Gerlach.

Einer, der seit den Anfängen bei „Amal“ dabei ist, ist Khalid Al Aboud. Er ist Gründungsmitglied von „Amal“ in Berlin. 2014 kam er aus Syrien nach Deutschland und fordert, dass Geflüchteten besser zugehört werde. „Und nicht nur, wenn sich wieder einmal die sogenannte Flüchtlingskrise jährt. Wir haben auch etwas zu sagen zum Nahverkehr, zur Wohnungsnot, zum Mindestlohn – zu all den Themen, die das Leben in diesem Land täglich betreffen“, so Al Aboud.

Deutsche Medien böten wenig, das zur Integration beitrage

Die Unterschiede von „Amal News“ zu klassischen deutschen Nachrichtenangeboten sind sehr deutlich. „Ich sehe unsere Arbeit als einen Beitrag dazu, eine Lücke in den deutschen Medien zu schließen – sowohl in den traditionellen als auch in den modernen. Wenn wir Nachrichten schreiben, laden wir die Leserin oder den Leser – die oft als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind – dazu ein, Teil der Gesellschaft zu sein, und zwar in der Sprache, die seine oder ihre Muttersprache ist,“ sagt Al Aboud. Seiner Erfahrung nach nutzten Geflüchtete in Deutschland deutsche Medien kaum, da sie wenig böten, „das wirklich zu ihrer Integration in die Gesellschaft beiträgt“, sagt er.

Könnte eine Annäherung gelingen? Julia Gerlach meint: „Was wir uns wünschen, ist, dass die Geflüchteten-Perspektive viel mehr in herkömmlichen deutschsprachigen Nachrichtenangeboten dargestellt wird. Mit dem neuen KI-Projekt übersetzen wir auch Texte aus dem Arabischen oder Ukrainischen ins Deutsche. Diese Texte könnten gut in deutschen Zeitungen erscheinen. Die Videos könnten auf deutschen Kanälen erscheinen. Es gibt bereits Kooperationen, aber wir wünschen uns mehr davon. Ich denke, dieser Blickwinkel von dieser doch relativ großen Bevölkerungsgruppe sollte gesehen werden. Zumal viele deutsche Medien dieses Publikum gar nicht erreichen“.

„Amal News“ erreicht dieses Publikum – und hat nun durch die öffentliche Förderung deutlich mehr Luft.

Die Redaktionen

StandorteInsgesamt arbeiten derzeit rund 25 Menschen bei „Amal“. 14 in Berlin, in Hamburg, wo 2019 eine zweite Redaktion entstand, arbeiten fünf Exil-Journalisten und -Journalistinnen, seit 2023 sechs weitere in Frankfurt am Main. Pro Standort arbeitet jeweils ein arabisches, ein persisches und ein ukrainisches Team, dem jeweils einem Chefredakteur vorsteht.

Gründung Die Idee zu „Amal“ (was aus dem Arabischen übersetzt Hoffnung bedeutet) hatte Julia Gerlach zusammen mit ihrer Schwester Cornelia 2016. Seitdem kümmern sich die beiden Frauen um die Redaktionen, die Finanzierung und die Schulung der Mitarbeitenden. Es gebe einen langen Onboarding-Prozess, bevor ein geflüchteter Journalist bei „Amal“ anfange, sagt Gerlach. „Wir investieren viel Zeit und Geld in die Weiterbildung und das Teambuilding“, sagt sie.

Verbreitung „Amal News“ gibt es online über die Website, über Facebook, was laut Julia Gerlach mit rund 350 000 Follower und Beitragsreichweiten von bis zu einer Million Nutzern der Hauptverbreitungskanal ist, auf Instagram und Youtube

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Erstellt:
20. August 2025, 14:43 Uhr
Aktualisiert:
20. August 2025, 14:59 Uhr

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