Angeklagter bereut seine Tat zutiefst

Überfall auf Rewe-Markt: Schwurgericht verurteilt Angeklagten zu zwei Jahren und sechs Monaten

Angeklagter bereut seine Tat zutiefst

© BilderBox - Erwin Wodicka

Von Hans-Christoph Werner



SULZBACH AN DER MURR/STUTTGART. Da war noch die Sache mit den Briefen des Angeklagten an die Opfer seines Überfalls auf den Sulzbacher Rewe-Markt (wir berichteten). Die vorsitzende Richterin beginnt den dritten Verhandlungstag mit der Bemerkung, dass die Briefe wohl zur Unzeit abgenommen wurden. Ferner fehlte die Unterschrift. Der Verteidiger interveniert. Er müsse in dieser Sache mit seinem Mandanten kurz sprechen.

Kurz nach Beginn wird die Verhandlung gleich wieder unterbrochen, Richter und Laienrichter verlassen den Saal. Kurze Zeit später taucht der Anwalt wieder auf, mit den Briefen in der Hand. Doch sein Mandant ist auch abgeführt worden. Ein Justizbeamter bringt ihn wieder. Die Verhandlung kann fortgesetzt werden. Die vorsitzende Richterin liest vor, jeden Brief für sich. Dem Angeklagten tut sein Handeln, so schreibt er, zutiefst leid. Er möchte nicht noch einmal anderen solches Leid zufügen, „Menschenleben so durcheinanderbringen.“ Am Schluss jeden Briefes schreibt der Angeklagte sogar von Gottes Segen, den er den Betroffenen wünsche. Da ist dann ein lautes Schnäuzen aus der Zuhörerreihe zu hören. Zwei der betroffenen Damen sind anwesend.

Die Staatsanwältin rekapituliert in ihrem Plädoyer nochmals die Tat. Akuter Geldmangel sei’s gewesen, der zur Tat veranlasste. Freilich sei’s keine Spontantat gewesen, sondern durchaus geplant. Denn wer hat schon eine Clowns-Maske samt Softair-Pistole zuhause bereit liegen. Letztere freilich keine Waffe im Sinne des Strafrechts. Folglich nur schwerer Raub und nicht besonders schwerer Raub. Mit großer Einfühlsamkeit beschreibt die Staatsanwältin die Situation des Angeklagten. Ohne Schulabschluss, ohne Einkommen, ohne Wohnsitz, ohne tragende Beziehungen. Sie plädiert für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Um gleich hinzuzufügen, dass sie über die Geständigkeit des Angeklagten sehr froh sei. So würde er mit dieser Tat abschließen, aber auch mit seiner Jugendzeit. Ab dem 21. Lebensjahr gelte das Erwachsenenstrafrecht.

Schädliche Neigungen verneint die Staatsanwältin. Die Schwere der Schuld müsse sie allerdings feststellen. Sie resultiere schon allein aus der Todesangst der Opfer. Nach seinen Vorstrafen zu urteilen, so die Staatsanwältin, sei der Angeklagte ein „schwerer Junge“. Ein Schema habe sich wiederholt. Zusammen mit einem Komplizen hat er 2015 in Heilbronn einen Penny-Markt ausgeraubt. Was sei nun richtig bezüglich des Strafmaßes?

Staatsanwältin legt sich für den Angeklagten ins Zeug

Das Jugendstrafrecht habe, so die Staatsanwältin, erzieherischen Sinn. Zwei Jahre Gefängnis bringt die Juristin ins Spiel. Aber noch entscheidender die Frage: Kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden? Der Angeklagte mache sich, so war von der Jugendgerichtshilfe zu hören gewesen, Gedanken über eine Ausbildung. Schwester wie Vater seien bereit, ihn bei sich aufzunehmen. Für eine Bewährung, so die Staatsanwältin, sei eines positive Sozialprognose nötig. Sie sehe eine minimale Chance. Da sei beim Angeklagten etwas Neues im Aufkeimen. Freilich müsste Bewährung durch ein enges Korsett an Hilfen unterstützt werden. Und hier wird die Staatsanwältin wieder ausführlicher und stellte verschiedene Ideen in den Raum.

Der Verteidiger des Angeklagten dankt für das „fundierte und ausführliche Plädoyer.“ Und sagt, dass man solches selten erlebe. Auch er setzt sich dafür ein, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Und insbesondere den Haftbefehl aufzuheben. Für sein letztes Wort hat sich der Angeklagte vorbereitet, will sogar dazu aus Höflichkeit eigens aufstehen. Das, was er getan habe, sei falsch gewesen. Aber es sei ihm zur Lehre geworden. Eine andere Sichtweise habe er gewonnen, will sein Leben nicht verschwenden. Noch sei es, so sagt er, nicht zu spät.

Die zweite Schwurgerichtskammer sah es allerdings anders. Zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis verhängen die Richter. Ohne Bewährung. Die vorsitzende Richterin spricht’s auch gleich an. „Sie werden schwer enttäuscht sein“, sagt sie. Vieles, was von Staatsanwältin oder Verteidiger bereits gesagt wurde, zählt die vorsitzende Richterin nochmals auf, Belastendes wie Entlastendes. Den Überfall wertet die Strafkammer allerdings als massive Straftat.

Die Tat offenbare erhebliche kriminelle Energie. Auch sei der Angeklagte zuvor nicht in einer Notlage gewesen. Aber anstatt die Haftstrafe anzutreten, verübte er den Überfall. Auch schädliche Neigungen bejaht die Kammer. Nur ein kleiner Nachlass wird gewährt. Zwei Monate der Strafe gelten durch die U-Haft als bereits vollstreckt. So muss der Vater des Angeklagten, der auch der Verhandlung gefolgt war, und sich vielleicht Hoffnungen gemacht hatte, wieder alleine nach Freiburg zurückfahren.

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Erstellt:
13. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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