Angekommen – bei sich und in der CSU
Parteichef Söder präsentiert sich in Passau der Basis
Markus Söder, obwohl zum ersten Mal ganz oben, bespielt den Politischen Aschermittwoch in Passau nicht allein. Auch der Europapolitiker Manfred Weber besteht den Basistest bravourös.
Passau Dass Veränderungen stattgefunden haben im Seelenleben oder jedenfalls in der Selbstdarstellung des Markus Söder, das konnte man kürzlich schon beim Fasching feststellen. Da kam er nicht mehr als Marilyn Monroe oder Shrek, als Prinzregent Luitpold oder als Gandalf oder Punk, so wie bisher, als seine Verkleidungsfantasien keine Grenzen kannten. Dieses Jahr, da er erstmals bayerischer Ministerpräsident ist und CSU-Vorsitzender gleichzeitig, da er also die Fülle der für ihn erreichbaren und so lange angestrebten Macht erreicht hat, da kam er als: Markus Söder. Nur in Frack und Fliege.
Auch beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau, hier sogar ohne Frack und Krawatte und nicht einmal rasiert, verspürt Söder den Drang, seinen Aufstieg noch einmal herauszustreichen. Vergangenes Jahr habe er nur „als Kandidat“ auf der Bühne gestanden: „Da hab ich noch auf den Ministerpräsidenten gewartet.“ Aber jetzt . . . Dass auf den letzten Metern beinahe noch was passiert wäre, das erwähnt und verdrängt Söder mit einem einzigen Wort, als er von dem „nicht sensationellen“ Ergebnis bei der Landtagswahl spricht. Aber: „Wir als CSU sind da und bleiben da, stärker als alle anderen.“ Und der Saal tobt.
Der biergetränkte Politische Aschermittwoch, das in der CSU sogenannte Hochamt der Partei, der „größte Stammtisch Deutschlands“, er kriegt geboten, was er kriegen will. Er darf genauso krachert sein wie seine 66 Vorgänger in den langen Jahrzehnten zuvor, als die CSU ihre absolute Mehrheit in Bayern für gottgegeben hielt. Da kriecht niemand zu Kreuze. Und von stehendem rhythmischem Applaus am Ende begleitet, donnert Söder in die Menge: „Es ist Zeit für neue Stärke.“ Söder, der für seine Karrieresucht, seine Ellbogen, sein Ausmanövrieren aller Konkurrenten so Umstrittene: Die Partei hat ihn beifallsrauschend in ihre Mitte aufgenommen. Und seine Frau Karin steht so ergriffen neben ihm, als würde sie gleich losheulen.
Doch Söder ist als Hauptredner in der Passauer Dreiländerhalle dieses Jahr nicht allein. Genauso viel Zeit räumt die Regie einem anderen ein, für den der Test, wie er an der Stammtisch-Basis ankommt, mindestens genauso wichtig ist wie für den CSU-Parteichef: Manfred Weber.
Man könnte sagen, für den Niederbayern müsste Passau ein Heimspiel sein. Ist es aber nicht. Denn Weber bespielt ein Feld, das die CSU zuletzt so gar nicht mochte. Weber ist Spitzenkandidat der CDU und der CSU und aller europäischen konservativen Parteien für die Europawahl. Ihn beim Aschermittwoch so herauszustellen heißt für die CSU auch, einen neuen Kurs der Europafreundlichkeit einzuschlagen. „Wir haben ein klares Ziel: Bundeskanzler geht ned, aber Chef der EU-Kommission geht, und dafür kämpfen wir“, sagt Markus Söder.
Und Manfred Weber, genauso bierzelttauglich wie Söder und trotz langer europäischer „Abwesenheit“ daheim immer noch tief verwurzelt, besteht den Test bravourös. Söder will längst anfangen zu reden, mehrfach, da bejubelt der Stammtisch seinen Manfred Weber immer noch. Klar, auch Weber umschifft die für ihn unangenehmen Klippen. Der Name des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán fällt nicht. Und sein stärkstes Bekenntnis zu Europa kleidet er in einen Spruch des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß. Bei dem müssen die viertausend in der Halle einfach klatschen: Den „rechten und linken Dumpfbacken“, sagt Weber also, müsse man mit Strauß antworten: „Bayern ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland und Europa meine Zukunft.“ Und Weber fährt fort: „Ich lasse mir von keinem Populisten einreden, dass das ein Widerspruch ist.“ Aber war die CSU in europapolitischer Hinsicht nicht auch einmal auf diese Weise populistisch?
Erstaunlich auch, wie die CSU auf einmal Kernthemen abräumt, bei denen ihr noch vor einem Jahr der Schaum vor dem Mund gestanden hatte. Zuwanderung zum Beispiel. Klar wiederholen Weber und Söder, es müsse begrenzt und gesteuert werden; man müsse wissen, wer sich auf europäischem Boden befinde, „Hilfe und Härte“ gehörten zusammen. Aber dann entfährt Söder auch der Satz: „Zuwanderung belebt.“ Und flugs landet der Rest des Themas im Reich der Pointe: „Ich wäre froh, wenn wir total gute Stürmer für den 1. FC Nürnberg bekämen.“ Verständnisinniges Lachen im Saal.
Am meisten aber mag es das Aschermittwochspublikum – genauso wie in den „guten alten“ Zeiten von Franz Josef Strauß –, wenn die Redner auf den politischen Gegner eindreschen. Söder bekommt stärksten Applaus, wenn er die SPD abmeiert, die „gegen alles, auch gegen das schlechte Wetter, nur ein einziges politisches Konzept hat: Steuererhöhung“. Und natürlich, wenn er die Grünen als typische Oberlehrer und Spaßbremsen hinstellt. „Wir machen in Bayern grüne Politik“, schleudert Söder ins Publikum, „aber wir brauchen die Grünen nicht dazu.“ Und der Saal tobt wie bei keinem anderen irgendwie programmatischen Satz.