Anti-Corona-Demos durch Weissach im Tal haben Nachspiel vor Gericht
Weil Auflagen bei mehreren Versammlungen nicht eingehalten wurden, wird der 44-jährige Versammlungsleiter zu einer Geldstrafe verurteilt.

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Der Fall ist vor dem Backnanger Amtsgericht verhandelt worden. Archivfoto: Edgar Layher
Von Kristin Doberer
Backnang/Weissach im Tal. Abstandsregeln und die Maskenpflicht spielen im Alltag schon seit Monaten keine Rolle mehr. Nicht ganz ist das der Fall für das Backnanger Amtsgericht, das sich gestern mit einem Fall vom Jahreswechsel 2021/22 beschäftigt hat. Ein 44-jähriger Mann aus dem Raum Backnang muss sich für mehrere Vergehen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen verantworten. Vier Verstöße gegen das Versammlungsrecht werden ihm vorgeworfen: So soll er am 7. Dezember 2021 eine unangemeldete Versammlung in Unterweissach organisiert sowie am 30. Dezember, am 4. und 6. Januar bei angemeldeten Demonstrationen die Auflagen der Versammlungsbehörde nicht eingehalten haben. Für die erste Tat wurde er freigesprochen, für die drei weiteren zu 40 Tagessätzen von je zehn Euro verurteilt.
Die Veranstaltung am 7. Dezember sei keine Demonstration gewesen, meint der Angeklagte, sondern ein Laternenlauf „für Zusammenhalt in der Gesellschaft und für das Immunsystem“. Dass es sich aber nicht nur um ein spontanes Zusammenkommen gehandelt hatte, sondern um eine Versammlung mit politischer Thematik, das macht ein Video von einer Demonstration in Stuttgart deutlich. Darin ist der Angeklagte zu sehen, wie er wenige Tage zuvor am Mikrofon nicht nur über die „Tyrannei der Pharmalobby“ schimpft, sondern auch ausdrücklich zur Teilnahme am Zug durch Unterweissach einlädt. Auch in sozialen Medien veröffentlichte er im Vorfeld die geplante Veranstaltung. „Ihm war nicht bewusst, dass es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung handelt“, sagt sein Verteidiger Ralf Ludwig, der in der Szene als „Querdenken-Anwalt“ bekannt ist und unter anderem auch den Gründer der „Querdenken“-Initiative Michael Ballweg vertritt.
Für gewöhnlich muss eine Veranstaltung 48 Stunden vorher angemeldet werden
Der Aufruf auf der Stuttgarter Demo erreichte die örtliche Polizei, weshalb diese gemeinsam mit dem Rechts- und Ordnungsamt Backnang kurz vor Beginn des „Laternenumzugs“ das Gespräch mit dem Angeklagten suchte, das sagt ein Polizist aus. Man habe diesem vor Ort die Auflagen erklärt, ihn sowie die fünf weiteren anwesenden Personen aber durch Unterweissach laufen lassen. „Damit ist diese Anklage hinfällig“, meint der Verteidiger in seinem Plädoyer. „Strafbar ist nur die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung.“ Aber durch das Gespräch mit der Versammlungsbehörde vor Ort sei die Versammlung – wenn auch sehr spät – eben noch angemeldet worden. Dem stimmt der Richter Marco Sievers zu und spricht ihn in diesem Punkt frei: „Sie haben die Veranstaltung zwar viel zu spät angezeigt, aber sie wurde angezeigt.“ Für gewöhnlich muss eine Veranstaltung 48 Stunden vorher angemeldet werden, aber auch eine spontane Anmeldung bei der Polizei oder zuständigen Behörde vor Ort ist möglich.
Weniger glimpflich ging es für den 44-Jährigen in den drei anderen Anklagepunkten aus. Ihm wird vorgeworfen, bei Demonstrationen am 30. Dezember 2021 sowie am 4. und 6. Januar 2022 gegen die Auflagen der Versammlungsbehörde verstoßen zu haben. Diese Demozüge, bei denen sich zwischen 40 und 200 Personen beteiligt haben, habe der Angeklagte als Versammlungsleiter zwar angemeldet, jedoch sei er zum einen von der vorher genehmigten Strecke abgewichen und habe zum anderen zu wenig auf die Einhaltung der geltenden Coronaregeln eingewirkt. So galt zu dieser Zeit das Abstandsgebot von 1,5 Metern sowie eine Maskenpflicht, sollte der Abstand nicht eingehalten werden können.
Als größtes Problem sieht der Richter das Abweichen von der Strecke des Zugs
„Er hat die Auflagen nicht in dem Umfang kund getan, wie es sein sollte“, erklärt ein anderer Polizist. „Er hat die Auflagen nur beiläufig angesprochen und kein Megafon verwendet. Ich bezweifle, dass das bei allen angekommen ist“, sagt er mit Blick auf die teils bis zu 200 Teilnehmer. Vertreter der Versammlungsbehörde hätten ihn sowohl vor als auch während der Demozüge auf seine Pflicht als Veranstaltungsleiter zur Einhaltung der Auflagen hingewiesen. „Aber das sorgte eher für Diskussionen“, berichtet der Polizist weiter. So habe weder der Angeklagte selbst noch ein Großteil der Beteiligten die Maske richtig getragen oder Abstand gehalten. Deutlich schwerwiegender als die Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz stuft der Richter aber die Abweichung von der genehmigten Strecke ein. Diese Abweichung hatte zur Folge, dass die Polizei aus Sicherheitsgründen ungeplant den Verkehr auf der viel befahrenen Stuttgarter Straße einschränken musste.
Der Angeklagte selbst äußert sich zu diesen Anklagepunkten mit Vorwürfen gegen die Behörde: Die Auflagen seien erst kurz vor der Demo postalisch bei ihm angekommen, das Amt habe gewusst, dass er die schon vorher per E-Mail eingegangenen Auflagen nicht öffnen könne. „Ich hatte gar keine Zeit die Auflagen zu lesen. Wie soll ich die Strecke prüfen, wenn der Bescheid erst kurz vor knapp kommt?“, sagt der Angeklagte. Sein Anwalt plädiert auch hier für Freispruch und begründet das damit, dass die Gefährdungslage durch Corona, auf der die Auflagen gründeten, falsch eingeschätzt worden sei. Hier widerspricht der Richter in seinem Urteil: „Sie werden nicht wegen einer bestimmten Meinung verurteilt, sondern für versammlungsrechtliche Verstöße. Sie haben Auflagen, die aus meiner Sicht rechtswirksam sind, missachtet.“ Der Angeklagte hat nun eine Woche Zeit, um gegen das Urteil Einspruch einzulegen.