Anwohner erzielen Teilerfolg

Die Vertreter von ForstBW verteidigen bei einem Vororttermin die Baumfällarbeiten im Sachsenweiler Wäldchen. Der Protest der Anwohner hat jedoch bewirkt, dass die Stadtwerke die Netzübergabestation nicht am anvisierten Platz bauen und einige Bäume nicht gefällt werden müssen.

Etwa 40 Zuhörer nahmen sich über zwei Stunden Zeit, um sich die Argumente für und wider den Holzeinschlag anzuhören.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Etwa 40 Zuhörer nahmen sich über zwei Stunden Zeit, um sich die Argumente für und wider den Holzeinschlag anzuhören.Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die anvisierten Baumfällungen im Sachsenweiler Wäldchen Schneckenbühl haben in den vergangenen Wochen für heftige Reaktionen gesorgt. Mehrere Anwohner forderten, den Einschlag bleiben zu lassen oder zumindest zu reduzieren. Auf einer Unterschriftenliste standen 170 Namen. Mit einer Infoveranstaltung vor Ort wollte der Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald, Martin Röhrs, gestern die Wogen glätten. Zu dem Treffen kamen immerhin etwa 40 Interessierte, darunter auch die beiden Landtagsabgeordneten Gernot Gruber (SPD) und Ralf Nentwich (Grüne) sowie mehrere Stadträte und Vertreter von Naturschutzverbänden. Für einen Paukenschlag sorgte jedoch Backnangs Kämmerer Alexander Zipf, der Oberbürgermeister Maximilian Friedrich vertrat. Zipf erklärte, die Stadt Backnang werde auf jegliche Maßnahmen verzichten, die zu einem Einschlag beitragen. In seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke habe OB Friedrich die Stadtwerke deshalb auch angewiesen, die Netzübergabestation an dem geplanten Standort im Waldgebiet Schneckenbühl nicht weiterzuverfolgen. „Die Stadtwerke werden nach einem anderen Standort suchen, bei dem keinerlei Fällungen erforderlich sind.“

„Wir verzichten freiwillig auf die Fällung von 500 Festmetern Holz.“

Der Protest der Anwohner hatte somit zumindest zu einem Teilerfolg beigetragen, wenngleich es sich nur um einen winzigen Bereich handelt. Vermutlich hätten drei Bäume für das 2,5 mal 4,2 Meter große Bauwerk weichen müssen. Die eigentliche Maßnahme, bei der es um einen Einschlag von 600 Festmetern geht, verteidigte Röhrs hingegen leidenschaftlich. Er rechnete vor, dass in dem 14 Hektar großen Schneckenbühl in den vergangenen zehn Jahren seit der letzten Durchforstung etwa 960 Festmeter Holz nachgewachsen sind. Laut Holzernteplan der Landesregierung wäre es verantwortbar gewesen, 1100 Festmeter zu fällen, „wir verzichten also freiwillig auf 500 Festmeter“, so Röhrs. Der Forstexperte erläuterte den Zuhörern erneut die Argumente, die für den Einschlag sprechen. So würden vor allem Hainbuchen entnommen, die in die Kronen der Eichen wachsen. Zudem Eschen und einige wenige Eichen. Dies sei nötig, um die Ressourcen Wasser, Licht, und CO2 auf weniger Bäume zu verteilen und so deren Weiterexistenz gewährleisten zu können.

Mehrere Besucher stellten kritische Fragen. Die Themen waren vielfältig. Ist die Hainbuche ein Flachwurzler, die der Eiche das Wasser raubt? Werden die Bäume mit Harvester gefällt? Warum sind Rückegassen notwendig? Ginge es, die Stämme mit Pferden aus dem Wald zu schaffen? Warum müssen gesunde Bäume gefällt werden?

Martin Röhrs und der Reichenbacher Revierleiter Hans-Joachim Bek versuchten, keine Frage offen zu lassen. Die meisten kritischen Besucher konnten sie überzeugen. Dennoch ließen die Forstexperten durchblicken, dass auch ihre Geduld bei den immer gleichen Vorwürfen endlich ist. So reagierte Röhrs, der anfangs erklärt hatte, er nehme sich drei Stunden Zeit für die Gespräche, mitunter genervt. Den Vorwurf, „Herr Bek und Herr Röhrs machen sowieso, was sie wollen“, wies er entschieden zurück. Auch er müsse sein Tun seinen Vorgesetzten gegenüber rechtfertigen. Wer gegen die Vorgaben verstoße, „der riskiert den Edeka-Vermerk, also das Ende der Karriere“.

Den Vorwurf, die Bäume nur der Rendite willen zu fällen, konterte Röhrs mit Kritik am Kaufverhalten großer Teile der Bevölkerung. Beispiel Möbel. Sie bestehen meist nicht mehr aus Massivholz, sondern aus Pressspan. Die Folge: Erst müssten die klassischen Möbelwerke schließen, dann die Sägewerke. So reicht Röhrs den Schwarzen Peter an die Wegwerfgesellschaft zurück, als einer der Anwesenden mit Blick auf die Fällarbeiten im Plattenwald kritisiert, die Stämme würden in Überseecontainern nach China und in die USA verschickt.

Röhrs und Bek sicherten zu, dass abgestorbene Habitatbäume als Totholz stehen bleiben und katalogisiert werden. Deshalb widersprach Bek deutlich der Ansicht der Stadt. Kämmerer Zipf hatte gesagt: „Die geplanten Fällungen sieht die Stadt differenziert. Es spricht sicherlich nichts gegen die Fällung abgestorbener oder kranker Bäume. Ein Einschlag in dem geplanten Maße erscheint uns aber deutlich zu umfangreich, auch vor dem Hintergrund der sehr umfangreichen Arbeiten im Plattenwald 2020.“

Nun vertraten Bek und Röhrs jedoch exakt die gegenteilige Ansicht: Abgestorbene Bäume bleiben erhalten. Nur am Wald- und Wegesrand werden sie entfernt, aus Gründen der Verkehrssicherheit. Diese Verkehrssicherheit sei im übrigen auch der Grund, weshalb der Schneckenbühl niemals ein Bannwald werden könne. Erstens ist er laut Röhrs ohnehin zu klein. Zum anderen habe Wald generell drei Funktionen: Erholung, Schutz und Nutzung. Das Sachsenweiler Wäldchen diene eindeutig der Erholung. Röhrs: „Aber wenn wir hier nichts mehr machen, sterben die Bäume ab und werden zur Gefahr, dann kann sich niemand mehr sicher im Wald aufhalten.“

Stellungnahmen der Naturschutzverbände

Nabu Der Naturschutzbund Backnang freut sich auf der einen Seite, dass sich immer mehr Menschen um „ihren Wald“ vor der Haustür kümmern und die Aktionen kritisch begleiten. Auf der anderen Seite bezeichnet der Nabu die fachliche Expertise der Forstbeamten und die offene Diskussion als sehr positiv. Die weitgehende Schonung von Habitatbäumen sei zu begrüßen. Der Nabu kritisiert nur, dass die wirtschaftliche Holzverwertung ein wesentlicher Eckpunkt bei den Vorgaben des Landes ist. „Damit besteht automatisch die Gefahr, dass Naturschutz und Erholungswert gegenüber monetären Vorgaben ins Hintertreffen geraten.“

BUND Der BUND-Ortsverband Backnanger Bucht wendet sich entschieden gegen die von der staatlichen Forstverwaltung geplante Abholzung im Wald Schneckenbühl. Nach Überzeugung des Umweltverbands steht der Nutzen des Verkaufs des Holzes in keinem Verhältnis zu dem Schaden, der durch die Vernichtung dieser wertvollen CO2-Senke erzeugt wird. Der BUND bedauert, dass der Wald als öffentliches Gemeingut von den staatlichen Forstbehörden immer noch zu einseitig als Wirtschaftswald betrachtet werde, dessen wertvolle und vielfältige ökologische Funktionen zu wenig Berücksichtigung fänden.

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Erstellt:
18. September 2021, 06:00 Uhr

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