App soll Cannabis-Süchtigen den Suchtaussteig erleichtern

dpa/lsw Mannheim. Cannabis ein harmloses Kraut? Für Jugendliche ganz bestimmt nicht. Mit einer speziellen App wollen Mannheimer Wissenschaftler jungen Süchtigen helfen, von der Droge wegzukommen.

Ein Mann raucht eine selbst gedrehte Cannabis-Zigarette. Foto: picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild

Ein Mann raucht eine selbst gedrehte Cannabis-Zigarette. Foto: picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild

Forscher vom Mannheimer Zentralinstitut (ZI) für Seelische Gesundheit wollen jungen Menschen per App den Ausstieg aus der Cannabissucht erleichtern. „Wir versuchen die guten Gefühle, die Cannabis erzeugt, anders auszulösen“, erläuterte ZI-Abteilungsleiter Ulrich Reininghaus der Deutschen Presse-Agentur. Ziel sei, durch ein niederschwelliges Angebot Selbstakzeptanz und Achtung der eigenen Gefühle zu stärken und schließlich die toxische Substanz abzusetzen.

Für die von Reininghaus geleitete Studie werden 30 Probanden im Alter von 14 bis 25 Jahren gesucht. Sie müssen Cannabis wöchentlich konsumieren und als „digital natives“, als mit digitalen Angeboten aufgewachsene Menschen, Zugang zu neuen Medien haben. In den Blick genommen wird der Teufelskreis von Stimmung, Suchtdruck und Konsum.

Die Abstinenz von dem aus Hanf gewonnenen Suchtmittel ist dem Public-Health-Wissenschaftler wichtig, weil sich bei jungen Menschen durch den Cannabismissbrauch das Psychose-Risiko enorm erhöht: Bei täglichem Gebrauch hoch dosierten Marihuanas ist die Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken vier Mal höher als bei Nicht-Konsumenten. Und 25 Prozent aller Psychotiker gebrauchen Substanzen, vor allem Cannabis.

Psychosen gehen einher mit Denk- und Konzentrationsstörungen, mit dem Hören von Stimmen und Verfolgungswahn. „Die Folgen sind Rückzug und Isolation, Arbeitslosigkeit und Frühverrentung“, sagte Reininghaus. Oft seien die Familie und die gemeindepsychiatrische Versorgung die einzigen Anker für die Kranken.

Über die App werden die Studien-Teilnehmer sehr eng begleitet und zehn Mal am Tag nach ihrem Befinden und ihrem momentanen Konsum befragt. Zugleich nehmen sie vier Mal in sechs Wochen an Therapien teil, um zu lernen, ihre Gefühle zu steuern. Je nach Ergebnis der Befragung werden den Patienten die passenden erlernten Techniken - von Atemübungen über positiv besetzte Bilder bis hin zu wohlwollenden Nachrichten an sich selbst - auf dem Smartphone vorgeschlagen. Daraus kann dann eine personalisierte Therapie entstehen. Bis so eine App aus Deutschland alle wissenschaftlichen Tests durchlaufen hat und sicher auf dem Markt angeboten werden kann, kann es aber laut Reininghaus noch bis zu drei Jahre dauern.

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Erstellt:
6. Juli 2020, 06:38 Uhr

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