Arme Kinder
Familienpolitik wird immer mehr zum Wettlauf von Populisten
Der deutschen Familienpolitik mangelt es nicht an Fördertöpfen, ganz im Gegenteil. Das Angebot ist inzwischen derart unüberschaubar, dass die Politiker schon darum betteln, man möge die Gelder bitte auch abrufen. An den Bedürfnissen der Bürger geht das weitgehend vorbei: Für eine Familiengründung braucht es vor allem gute Zukunftsaussichten und eine gute Infrastruktur. Da aber sieht es düster aus: Noch immer sitzt der Staat auf zwei Billionen Euro Schulden. Noch immer kümmert er sich viel zu wenig um Erhalt und Modernisierung der Infrastruktur.
Stattdessen werden immer neue Wohltaten in Aussicht gestellt, um bei Wahlen billig zu punkten. Dabei funktioniert das gar nicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte noch schnell vor der bayrischen Landtagswahl ein sündhaft teures Familiengeld eingeführt und 300 000 Haushalte angeschrieben. Gebracht hat es ihm bekanntlich wenig. Die CSU verlor über zehn Prozent.
Trotzdem möchte nun auch Baden-Württembergs CDU draufsatteln: Weil die SPD die Gebührenfreiheit für Kindergärten fordert, will die CDU-Landtagsfraktion den Familien auch ein paar Bonbons zuwerfen – ein Wettlauf der Populisten. Dem Nachbarland beim Geldausgeben nacheifern zu wollen ist zudem ein Fall von Selbstüberschätzung. Bayern steht finanziell viel besser da als Baden-Württemberg: Es hat weniger Schulden, muss deshalb auch weniger Zinsen zahlen und kann sich folglich mehr leisten. Aber diese Zusammenhänge werden in Zeiten, in denen das Steuergeld vom Himmel zu fallen scheint, ignoriert. Man kann Deutschlands Kinder bedauern. Nicht deshalb, weil sie materiell arm wären, sondern weil keine weitsichtige Politik gemacht wird. Wenn sie mal groß sind, müssen sie die Rechnung für diese Politik begleichen.
rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de