Eine-Million-Jahre-Plan: Südwesten bei Endlager-Suche dabei

dpa/lsw Stuttgart. Über ganz Deutschland verteilt stehen 1900 Behälter mit Atommüll. Irgendwo müssten sie langfristig gelagert werden, aber niemand will sie haben. Ein Bericht zeigt nun, welche Gegenden geologisch - ganz grundsätzlich - infrage kämen. Wirklich klar wird dadurch wenig.

Warnhinweis "Radioaktiv". Foto: Sina Schuldt/dpa/Archivbild

Warnhinweis "Radioaktiv". Foto: Sina Schuldt/dpa/Archivbild

Für das Prinzip der „weißen Landkarte“ hatten sie alle geworben. Kein Ort durfte bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland von vornherein ausgeschlossen werden. Nun ist der Zwischenbericht veröffentlicht. Einige Gebiete sind ausgeschieden - und dennoch scheint es auf den ersten Blick so, als seien Experten und die baden-württembergische Politik nicht wesentlich vorangekommen. Denn auch nach der ersten Auswahl kommt immer noch fast die Hälfte der Fläche Baden-Württembergs als möglicher Standort infrage.

In ihrem Zwischenbericht nennt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) für Baden-Württemberg Regionen auf einem Gebiet von insgesamt mehr als 16 800 Quadratkilometern. Vier sogenannte Teilgebiete hat die BGE im Südwesten ausgemacht. Dort gebe es günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager. Banges Warten also weiterhin in 39 Landkreisen und kreisfreien Städte, über die sich diese Gebiete erstrecken. Denn natürlich will niemand ein Endlager vor der Haustüre haben.

Teilgebiete liegen aber auch vor allem in Bayern und Niedersachsen, ebenso in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Insgesamt kommen 90 teils länderübergreifende Regionen in Deutschland infrage.

Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut Bericht in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen. Eine Vorfestlegung auf einen Standort ist damit aber noch nicht verbunden. „Entschieden ist jetzt, wo der Müll nicht hinkommen kann, aber es gibt keine Vorentscheidung, wo das Endlager errichtet wird“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). „Entscheidend ist die Geologie, nicht die Geografie.“

In den kommenden Monaten und Jahren werden die möglichen Standorte nach und nach weiter eingegrenzt, indem weitere Kriterien - etwa die Bevölkerungsdichte - berücksichtigt werden.

Salz, Granit und Ton seien als geologische Formationen für einen Endlagerstandort grundsätzlich geeignet. Das gebe es eben auch im Südwesten, zeigte sich Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) wenig überrascht. Armin Gabler vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist eher erstaunt, dass auch der Nord- und der Mittelschwarzwald nach wie vor zur Wahl stehen. „Dabei gibt es am Oberrheingraben tektonisch eigentlich allerhand Bewegung“, sagte er. Ausgelegt werden soll der Bau für eine Million Jahre.

Jeder zweite Quadratmeter im Land steht noch auf der Liste, es ist nichts entschieden - und dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll mit dem Zwischenbericht in Fahrt kommen. Das betrifft vor allem die Gebiete, die nun näher unter die Lupe genommen werden sollen. „Mir ist auch klar, dass es da heute einiges an Unruhe geben wird“, sagte Untersteller dem Südwestrundfunk.

Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden. Die bundesweite Endlagererkundung war angesichts des jahrzehntelangen hartnäckigen Widerstands gegen den Ende der 1970er Jahre ins Auge gefassten Standort im niedersächsischen Gorleben gestartet worden.

Der BGE-Bericht listet erst einmal alle Regionen in Deutschland auf, „die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen“. So schreibt es das entsprechende Gesetz vor. Deswegen sind es noch ziemlich viele und teils auch recht große Gebiete. In den kommenden Jahren werden aus den Teilgebieten sogenannte Standortregionen ausgewählt, die übertägig genauer erkundet werden. Einige davon werden dann auch untertägig erforscht. „Gesucht wird dann das Gebiet, das am wenigsten unsicher ist“, sagte BUND-Mitglied Gabler.

Die FDP kritisiert das bisherige Verfahren als intransparent. „Das ist eine Überraschungstüte“, sagte der baden-württembergische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke der Deutschen Presse-Agentur. „Durch die mangelnde Transparenz verspielt die Bundesgesellschaft für Endlagerung die Chance, dass eine solche Suche und ihr Ergebnis auch akzeptiert werden.“ Ein Endlager könne aber nur durchgesetzt werden, wenn in dem Bundesland und auch in der Region, in der es gebaut werden solle, die Akzeptanz und das Vertrauen der Bevölkerung vorhanden seien.

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Erstellt:
28. September 2020, 09:59 Uhr

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