„Audi muss besser werden“

Der neue Vorstandschef Bram Schot will bei Audi die Kosten senken – Brennstoffzellenantrieb wird in Neckarsulm forciert

Der Audi-Betriebsrat fordert die Produktion eines Geländewagens in Neckarsulm. Audi-Chef Bram Schot lehnt dies ab. Doch ein Elektroauto und der Ausbau der Brennstoffzellentechnik sollen mehr Beschäftigung bringen.

Frage: Herr Schot, Audi war der Goldesel des VW-Konzerns, jetzt scheint sich der Autobauer zu einem Sanierungsfall zu entwickeln.

Antwort: Nicht nur die gesamte Automobilindustrie muss einen gewaltigen Umbruch bewältigen, auch Audi muss besser werden: den Übergang vom Verbrenner zum Elektro­antrieb, die digitale Vernetzung, die Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens und die Schaffung neuer Mobilitätsangebote. Das kostet zunächst einmal viel Geld und schmälert vorübergehend den Gewinn – auch bei Audi. Zudem hatten wir in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres einige Lieferengpässe durch die Umstellung auf den neuen Abgasprüfstandard WLTP, die länger dauerte als geplant.

Frage: Jetzt ist ja die zweite Stufe des neuen Abgas-prüfverfahrens WLTP in Kraft getreten. Sorgt dies wieder für Probleme?

Antwort: Wir haben aus den Schwierigkeiten gelernt. Wir haben die Vielfalt der Kombinationen aus Motor und Getriebe bei unseren Modellen um fast ein Drittel verringert, wenig gefragte Angebote gestrichen. Damit haben wir die Komplexität deutlich verringert und sind nun viel besser auf die in diesem Jahr in Kraft getretene zweite Stufe des neuen Abgasprüfverfahrens und die dafür erforderlichen aufwendigen Zertifizierungen vorbereitet. Es kann vielleicht Verzögerungen bei der einen oder anderen Motor-Getriebe-Variante geben. Insgesamt bin ich aber zuversichtlich.

Frage: In den vergangenen Jahren hat es viel Unruhe und Verunsicherung bei Audi gegeben. Durch den Abgasskandal, die vielen Wechsel an der Spitze des Entwicklungschefs, die Verhaftung und den Abgang des früheren Audi-Chefs Rupert Stadler. Wie wollen Sie den Mitarbeitern wieder Orientierung geben?

Antwort: Wir sind dabei, eine ganz klare Vision für die Zukunft zu definieren. Damit wird Klarheit geschaffen, welchen Kurs wir einschlagen. Wir wollen bis 2022 rund 15 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen und ein besseres Ergebnis freispielen und das Unternehmen damit wieder auf Erfolgskurs bringen. Dazu sollen alle Bereiche des Unternehmens beitragen. Wir wollen die Kosten senken, beim Materialeinkauf, in der Produktion und auch in unserem wichtigsten Markt China. Wir wollen das Profil der Marke schärfen, unsere Organisation straffen.

Frage: Vor zwei Jahren wurde im Werk Neckarsulm eine umfassende Erneuerung der dort ­produzierten Modelle angeschoben. Eigentlich müsste das Geschäft an diesem baden-württembergischen Standort heute brummen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Beschäftigten haben immer mehr ­Minusstunden auf den Arbeitszeitkonten. Was ist falsch gelaufen?

Antwort: Wir haben in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres um dieWLTP-Genehmigungengekämpft. Die Lieferverzögerungen haben vor allem die Motor-Getriebe-Varianten der in Neckarsulm produzierten Modelle getroffen. Ganz klar: In Neckarsulm könnten mehr Autos produziert werden. Das vergangene Jahr war nicht einfach. Aber ich bin sehr zuversichtlich. In der vorigen Woche haben wir eine Vorstandssitzung in Neckarsulm gehabt und uns ausführlich mit der Werksleitung und dem Betriebsrat auseinandergesetzt. Wir haben darüber diskutiert, wie wir den Standort stärken können. Das Gespräch war konstruktiv. Auf längere Sicht wird die Produktion wieder wachsen.

Frage: Der Betriebsrat fordert schon länger, dass auch im Werk Neckarsulm ein Geländewagen produziert wird. Ein Geländewagen könnte nach Einschätzung des Betriebsrats die Abschwächung der Aufträge bei den weniger gefragten Limousinen ausgleichen.

Antwort: Neckarsulmist nicht unsere einzige Fabrik. Wenn dort ein SUV produziert werden sollte, müssten wir ihn einem anderen Standort wegnehmen. Es gibt gute Gründe, warum die Werksbelegung gerade so ist, wie sie ist. Um dies zu erklären, haben wir auch das ­Gespräch mit der Werksleitung und dem ­Betriebsrat gesucht. Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer Lösung kommen. Die Zukunft von Neckarsulm hängt nicht nur von einem Geländewagen ab. Und übrigens: Mit dem Sportwagen e-tron GT werden wir ab 2020 am Standort Neckarsulm den ersten rein elektrischen Audi an einem deutschen Standort fertigen.

Frage: Audi hat ja den Marken-Claim „Vorsprung durch Technik“. Eine Technik, bei der das Werk Neckarsulm die Führungsrolle im Unternehmen hat, ist die Brennstoffzelle. Toyota und Hyundai gehen hier unbeirrbar Schritt für Schritt voran. Könnte sich nicht auch Audi bei dieser Zukunftstechnik profilieren?

Antwort: Hundertprozentig. Wir haben letzte Woche entschieden, den Brennstoffzellenantrieb als eines unserer Schlüsselprodukte in Neckarsulm zu forcieren. Wir werden die Kapazität ausbauen, neue Jobs schaffen. Wir haben ja eine Partnerschaft zum Austausch von Technologie mit Hyundai. Hyundai ist hier schon weit vorangekommen. Mitte dieses Jahres werden wir die ersten Prototypen von Audi mit Brennstoffzellenantrieb erproben und 2021 eine Kleinserie produzieren. Die Brennstoffzelle kommt, und wir wollen dabei sein, wenn dieser Markt anzieht. Deshalb werden wir hier mehr Geld investieren und vielleicht auch neue Partnerschaften eingehen. Ich bin überzeugt davon, dass ­Neckarsulm bei dieser Technik einmal der Schrittmacher sein wird.

Frage: Eines der großen Zukunftsfelder sind Mobilitätsdienste. BMW und Daimler haben jetzt ihre Carsharing-Töchter und die anderen Mobilitätsdienste zusammengelegt und damit die Kräfte gebündelt. Audi war in diesem Bereich bisher eher ein Nachzügler. Ist Audi jetzt endgültig hoffnungslos abgehängt?

Antwort: Nein, überhaupt nicht. Audi ist, was das ­betrifft, eigentlich in einer glücklichen ­Situation. Wir sind Teil eines großen ­Autokonzerns. Die Zusammenarbeit mit VW und vor allem auch mit Porsche kommt auf vielen Gebieten gut voran. Wir haben das Glück, dass wir in der Familie gemeinsam neue Zukunftsfelder erschließen können. Wir sind zugleich offen für andere Partnerschaften. Derzeit laufen dazu sehr intensive Gespräche.

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Erstellt:
9. März 2019, 03:04 Uhr

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