Auf dem Weg nach Australien die große Liebe gefunden

Eine besondere Gnade: Heute vor 70 Jahren haben Hilda und Willi Schuster aus Backnang den Bund fürs Leben geschlossen.

In Winnenden haben sie sich kennen und lieben gelernt... Foto und Repro: Alexander Becher

© Alexander Becher

In Winnenden haben sie sich kennen und lieben gelernt... Foto und Repro: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. „Ich habe dich immer geschont“, sagt Willi Schuster mit blitzenden Augen. „Deshalb siehst du noch so gut aus.“ Er lacht. Mit Letzterem hat er auf jeden Fall Recht – dem Ehepaar Schuster, das heute die Gnadenhochzeit feiern darf, sieht man die jeweils 91 Lebensjahre nicht an. Der gemeinsame Humor hat dabei aber sicher auch geholfen. Müßiggang? Ein Fremdwort für die beiden. „Ich könnte mich nie gehen lassen“, ist Hilda Schuster überzeugt. „Du hast auch keine Zeit dazu“, fügt ihr Mann hinzu. In Winnenden haben sich die beiden vor so langer Zeit kennengelernt. Dabei stammen jedoch weder Hilda noch Willi Schuster aus der Umgebung. Geboren wurde Hilda Schuster in Ungarn. Doch mit 15 Jahren musste sie mit ihrer Familie die Heimat verlassen. Deutschstämmige waren nicht mehr gern gesehen. In Winnenden fand ihre Familie eine neue Heimat. „Kaum angekommen habe ich gleich gearbeitet“, erinnert sie sich.

Willi Schuster wurde in der damaligen Tschechoslowakei geboren, doch auch seine sudetendeutsche Familie musste während des Krieges das Land verlassen und kam nach Mittelfranken. Eigentlich hatte der junge Mann von Australien geträumt. Der Koffer war schon gepackt, er wollte im Stuttgarter Raum nach Arbeit suchen, um sich dadurch die lange Reise finanzieren zu können. In Winnenden fand er eine Stelle – und schließlich seine große Liebe.

Beim Tanzen habe ihn „der Blitz getroffen“, wie er lachend erzählt. Die temperamentvolle Ungarndeutsche ließ ihn Australien sofort vergessen. Und am 6. September 1952 gaben sich die jungen Leute das Ja-wort. Fleißig waren sie ihr ganzes Leben lang. Immer haben sie gearbeitet und sich so ein gutes Leben aufgebaut. Das haben sie auch ihren Kindern mit auf den Weg gegeben. „Wir haben mit 40 Mark angefangen, wie alle anderen auch“, sagt Willi Schuster. Seit fast 50 Jahren wohnen sie nun in Backnang im eigenen und selbst gebauten Haus. Für ihn als gelernten Maurer und Fliesenleger war es selbstverständlich, die eigenen vier Wände auch in Eigenarbeit hochzuziehen. Dabei blieb Winnenden lange der Lebensmittelpunkt. Dort haben sie gearbeitet, dort sind sie und auch ihre Kinder Mitglieder beim Städtischen Blasorchester.

Die Familie ist überhaupt sehr wichtig für das aktive Ehepaar. Vier Kinder haben sie, zwei Töchter und zwei Söhne. Die beiden Töchter unterstützen ihre Eltern gern und auch das beruhigt das Ehepaar Schuster: „Die Kinder haben ihren Platz im Leben gefunden.“ Von der großen Verbundenheit zeugt der große Esstisch. Bis vor wenigen Jahren hat man sich hier regelmäßig sonntags zu Kaffee und Kuchen getroffen.

Und noch eine weitere großen Leidenschaft hat ihr Leben geprägt – ihre Liebe zu Ungarn. Auch wenn es zu Beginn schwierig gewesen war, die alte Heimat zu besuchen, davon haben sich Hilda und Willi Schuster nicht unterkriegen lassen. Verwandte und Bekannte leben dort, fast jedes Jahr sind sie dort hingefahren. 1986 begann Willi Schuster mit dem Bau eines Ferienhauses: „Ich konnte es nicht lassen“, schmunzelt er, der auch die Familie in Deutschland immer beim Hausbau unterstützt hat.

Idyllisch an einem Nebenarm der Donau liegt das Haus, umgeben von Obstbäumen und Weinstöcken. Und Willi Schuster ist überzeugt davon, dass die gute Gesundheit, derer sie sich erfreuen dürfen, Ungarn zu verdanken ist: „Das Klima ist gut da unten.“

Dunasziget ist fast eine zweite Heimat geworden. Seit Jahrzehnten engagiert sich das Paar hier für die Gemeinde und konnte so auch eine Städtepartnerschaft mit dem bayerischen Forstinning in die Wege leiten. Für ihren Einsatz wurden sie mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.

Blicken sie auf ihr Leben zurück, sind die beiden sehr zufrieden. „Wir sind gesund, das ist die Hauptsache“, sagt er. „Wir waren immer sparsam und fleißig“, sagt sie. „Wir haben schwer geschafft für das, was wir besitzen.“ Auf das Erreichte ist Hilda Schuster stolz. Zusammen sind sie durch dick und dünn gegangen, das schweißt zusammen. „Und die Rollen sind klar verteilt“, sagt er schmunzelnd. „Das hat die letzten sieben Jahrzehnte gut funktioniert.“

...und dann 1952 auch geheiratet: Hilda und Willi Schuster.

© Alexander Becher

...und dann 1952 auch geheiratet: Hilda und Willi Schuster.

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Erstellt:
6. September 2022, 14:26 Uhr

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