Augen auf beim Teppichkauf

Betrüger erleichtert Ehepaar um 10000 Euro – Zehn Monate auf Bewährung für 24-jährigen Mann

Symbolbild: BilderBox/Erwin Wodicka

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Zwei Brüder aus dem Ruhrgebiet haben sich vor dem Backnanger Amtsgericht wegen gemeinschaftlichen Betrugs zu verantworten. Der eine, 26 Jahre alt, bestreitet die Tat gänzlich. Der andere, 24 Jahre alt, lässt nur über seinen Verteidiger von sich hören.

An einem Augusttag des letzten Jahres klingelt der jüngere der beiden Angeklagten bei einem Ehepaar in Allmersbach im Tal. Ob der ältere Bruder dabei war, lässt sich im Lauf der Verhandlung nicht nachweisen. Das betroffene Ehepaar spricht immer davon, dass es von zwei Herren besucht worden wäre. Versehen mit illustren Namen bieten diese Teppiche an. Nur 2000 Euro soll der wertvollste kosten. Die Senioren, beide über 80 Jahre alt, lehnen ab. Aber so schnell geben die Teppichvertreter die Sache nicht verloren und ziehen alle Register der Beredsamkeit. Und das Ehepaar gibt nach. Da liegt doch noch tatsächlich ein Stück Boden in der Wohnung blank. Ein kleinerer Teppich würde hineinpassen.

Bei 600 Euro wird man handelseinig. Aber so viel Geld hat das Ehepaar nicht zur Hand. Kein Problem für die Teppichverkäufer. Gemeinsam begibt man sich zum Geldinstitut. Am nächsten Tag erhält das Ehepaar einen Anruf aus dem fernen Istanbul. Der Anrufer fragt, ob der Teppich gefalle. Oh, danke der Nachfrage! Der Teppich ist gut. Der Anrufer wechselt das Thema. Er hat da, wo auch immer, einen Container stehen und muss diesen dringend auslösen. Auf 32000 Euro belaufen sich die Gebühren. Nur dummerweise ist er gerade selbst etwas klamm. Ob nicht die freundlichen Senioren da umgehend helfen könnten? Sie würden auch das Geld so schnell wie möglich wiederbekommen. Wenn sie heute mit 10000 Euro helfen, sollen sie übermorgen 15000 Euro zurückerhalten. Die beiden Herren vom Vortag würden gleich noch mal vorbeischauen, um den Handel abzuwickeln. Weil auch diese Summe wieder nicht im Küchenschrank liegt, geht der Senior mit den beiden Herren erneut zur Bank. Der Geldautomat gibt nur 2000 Euro her.

Schuldschein bringt die Polizei auf die Spur der Täter

Wegen der 8000 Euro müssen sich alle am Nachmittag nochmals auf den Weg machen. Auf Gut und Glauben deucht den Senior die Sache doch etwas merkwürdig. Um etwas in der Hand zu haben, fertigt er selbst einen Schuldschein und lässt einen der Herren unterschreiben. Am nächsten Tag wieder ein Anruf aus Istanbul. Zu dumm, jetzt war’s auch noch der falsche Container. Der richtige sitzt immer noch fest. Teppiche im Wert von zwei Millionen Euro sind drin, ferner eine Geldkassette mit 100000 Euro in bar. Zum Auslösen fehlt’s wieder an allen Ecken und Enden. 16000 Euro sind nötig. Ob nicht der freundliche Senior durch einen Schnellkredit die Summe aufbringen könnte? Der telefoniert mit der Bank. Aber die Bankkaufleute winken ab. Bei allem Verständnis, aber ein Kredit in dieser Höhe braucht ein paar Tage, bis er durch alle genehmigenden Instanzen ist. Nun gut, dann eben nicht, aber in vier Tagen gibt’s die 10000 zurück, mit dem schönen Sümmchen von 5000 obendrauf. Weil dann aber nichts passierte, marschiert der Senior zur Polizei und erstattet Anzeige. Der Schuldschein bringt die Polizei auf die Spur der Täter. Der Teppichverkäufer hat beim Unterschreiben seinen Handballen aufgestützt. Minimalste Spuren reichen aus.

Der Abdruck ist identisch mit Spuren, die in Bremen genommen wurden. Der jüngere Angeklagte wird damit ermittelt. Und weil dieser schon damals zusammen mit seinem Bruder auffiel, nimmt die Polizei an, dass auch dieser bei dem Teppichgeschäft in Allmersbach dabei gewesen sein könnte.

Der Verteidiger erklärt für seinen Mandanten. In der Tat, er habe den Teppich an das Seniorenehepaar verkauft. Er habe dies getan, weil die Großfamilie, in der er lebe, es so verlangt habe. Die Sache mit dem ergaunerten Geld allerdings, das war der „Onkel“. Dessen Namen könne er nicht nennen. Sein Mandant hatte nur die Aufgabe, das Geld abzuholen.

Und der Verteidiger des anderen Angeklagten sagt, sein Schützling habe mit der Sache rein gar nichts zu tun. Er sei am fraglichen Tag im Freibad in Gelsenkirchen gewesen. Und stellt einen Beweisantrag: Die Personen, die das bestätigen können, seien als Zeugen zu hören. Daraufhin wieder der Verteidiger des ersteren Angeklagten in Basar-Stimmung: Tausche Einstellung des Verfahrens gegen Schadenwiedergutmachung in Höhe von 10000 Euro.

Der Richterin ist das zu viel Orientatmosphäre. Sie unterbricht die Sitzung, hält Rücksprache und teilt dann mit: Die Beteiligung des älteren Angeklagten ist in der Tat nicht nachzuweisen. Und ansonsten wird die Verhandlung ganz normal fortgesetzt.

Der Staatsanwalt sieht die Anklage für den Jüngeren als erwiesen an. Das ist zum einen der Handabdruck auf dem Schuldschein. Da ist zum anderen, dass die Ehefrau des geschädigten Paars ihn bei der Wahlbildvorlage der Polizei mit großer Wahrscheinlichkeit wiedererkannt hat. Vorstrafen des Angeklagten kommen erschwerend hinzu. Er fordert ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Der ältere Angeklagte sei freizusprechen.

Der ältere Angeklagte wird freigesprochen

Der Rechtsanwalt des Jüngeren ist da anderer Ansicht. Bei der Geldbeschaffungsmaßnahme habe er nur Beihilfe geleistet. Eine Geldstrafe genüge für dieses Vergehen.

Nach kurzer Beratungszeit spricht die Richterin das Urteil. Der ältere Angeklagte wird freigesprochen, der jüngere zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Ferner seien 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Die Richterin ist der Überzeugung, dass der Teppichverkäufer intensiven Kontakt mit dem Anrufer gehabt habe. Nur so ist Detailwissen des Anrufers zu erklären. Zudem sei das Ergaunern von 10000 Euro kein Pappenstiel. Die ganze Sache zeuge zudem von erheblicher krimineller Energie, die zu ahnden sei. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

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Erstellt:
30. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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