Aus dem Ruhestand auf den Chefsessel

Ex-Volksbank-Stuttgart-Chef Hans Zeisl jetzt in Baden-Baden

Hans Rudolf Zeisl. Foto: Volksbank Baden-Baden Rastatt eG.

Hans Rudolf Zeisl. Foto: Volksbank Baden-Baden Rastatt eG.

Von Martin Winterling

WAIBLINGEN/BADEN-BADEN. Dem Lockruf konnte Hans Rudolf Zeisl nicht widerstehen. Bis Juli 2019 war er Vorstandsvorsitzender der Volksbank Stuttgart, einer der größten Genossenschaftsbanken in Deutschland und der größten Volksbank im Land. Seit März ist der 65-Jährige Chef der Volksbank Baden-Baden Rastatt eG, mit einer Bilanzsumme von rund 2,3 Milliarden Euro und 274 Vollzeitstellen ein paar Nummern kleiner als Stuttgart.

Sein Ruf als Fusionierer eilte Zeisl jedoch ins Badische voraus, als er in Baden-Baden seinen Chefposten auf Zeit antrat. Seine Aufgaben seien jedoch ganz andere, betont Hans Zeisl. Nach dem überraschenden Ausscheiden des Vorstands Thomas Pörings sollte Zeisl seine Erfahrungen einbringen, um die Volksbank für die Zukunft auszurichten, einen Nachfolger zu finden und den neuen Vorstand eine Zeit lang zu begleiten.

Doch kaum im neuen Amt, musste Zeisl sich vor allem um die Coronakrise kümmern. Es ist ein Job auf Zeit, den Hans Zeisl ohne langes Zögern und mit Begeisterung übernommen hat. „Langweilig war mir nie!“, versichert er über sein gut halbjähriges Intermezzo als Ruheständler. Mit 17 hatte er als Stift bei der Volksbank in Schwaikheim seine Karriere begonnen. 1998 kam er über Backnang und Schwäbisch Gmünd zur Volksbank Waiblingen. Sie fusionierte 2002 mit Schorndorf und 2005 mit Winnenden zur Volksbank Rems. Und Zeisl kann mit Fug und Recht behaupten, mit der Volksbank Stuttgart sein Meisterstück abgeliefert zu haben. Er gilt als Architekt der Volksbank Stuttgart, die 2010 aus dem Zusammenschluss der Volksbank Rems mit der Stuttgarter Volksbank mit einer Bilanzsumme von über sieben Milliarden Euro hervorging.

Ende Juni verabschiedete sich Zeisl von den rund 1000 Mitarbeitern im frisch bezogenen Dienstleistungszentrum der Bank im Neckarpark in Bad Cannstatt und zog sich als Ruheständler nach Großaspach zurück. Nun aber Baden-Baden statt Großaspach. Thomas Pörings war im gegenseitigen Einvernehmen ausgeschieden, wie es so schön heißt – sprich: im Streit. „Der Aufsichtsrat und der Vorsitzende des Vorstandes der Volksbank Baden-Baden Rastatt eG beurteilen die grundsätzliche Schwerpunktsetzung für Strategie und Zukunftsausrichtung der Volksbank höchst unterschiedlich.“ Mit diesen Worten wurde Ende Januar die Trennung bekannt gegeben – und Kontakt mit Zeisl aufgenommen. Er soll seine langjährigen Erfahrungen in der Neuausrichtung der Volksbank einbringen. Trotz der unterschiedlichen Größe seien sich die beiden Banken von der Struktur her sehr ähnlich. Wie Stuttgart und das Remstal sei auch die Gegend um Baden-Baden und Rastatt von der mittelständischen Wirtschaft geprägt. Mit dem Mercedes-Werk in Rastatt gibt es jedoch auch einen Global Player. Und dass Baden-Baden als Stadt der Millionäre gilt, heißt für Zeisl nicht allzu viel. Auch in Stuttgart und im Remstal gebe es viele Gutbetuchte, die Kunden bei ihrer Volksbank seien.

Statt auf Tour im Schwarzwald, von der Coronageschichte gefordert

In Baden-Baden angekommen, hatte Hans Zeisl keine Zeit, den Schwarzwald, die Rheinebene oder die Spielcasinos kennenzulernen. Es galt, „die Coronageschichte zu organisieren“. Für Zeisl ist es keine Frage, dass diese Herausforderung Wirtschaft und Gesellschaft noch eine geraume Zeit beschäftigen wird.

Für die mittelständische Wirtschaft könnte die Pandemie zur Gefahr werden. „So eine Krise hat die Menschheit noch nie mitgemacht.“ Zeisl gehört jedoch nicht zu den Pessimisten. Seit der Finanzkrise 2008/2009 haben sich die meisten Unternehmen gut aufgestellt und ihr Eigenkapital gestärkt, weist Zeisl auf zehn gute Jahre hin, in denen die Konjunktur lief und die Auftragsbücher voll waren. „Allzu lang sollte die Krise aber nicht gehen.“

Während Hotels, Gaststätten und der Einzelhandel gegenwärtig massive Probleme haben, liefen die Geschäfte bei vielen Handwerkern weiter. Die Kurzarbeit federt die Einschnitte für die Beschäftigten ab, lobt Zeisl ausdrücklich die Maßnahmen des Staates, mit KfW-Geldern auch die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Inwieweit sich der Konjunktureinbruch auf die Bilanzen der Banken auswirken wird, sei schwierig abzuschätzen. Zeisl rechnet nicht mit einer Pleitewelle. In den vergangenen Jahren hatten die Banken kaum noch Kreditausfälle zu beklagen. Zu gut liefen die Geschäfte. „Die Quoten waren traumhaft“, sagt Zeisl über die Wertberichtigungen, die die Banken für notleidende Kredite vornehmen mussten. Doch das werde sich ändern – „aber nicht ganz so dramatisch“, zeigt sich Zeisl zuversichtlich, dass die Nachfrage wieder anzieht und die Menschen das Versäumte nachholen werden.

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Erstellt:
17. April 2020, 06:00 Uhr

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